Aus dem Kieler Rat

Stadtwerkeverkauf:

Es wird weiter gepokert

Die Diskussionen über die Modalitäten beim Teilverkauf der Kieler Stadtwerke und über die Bewerber gehen weiter. Teile der SPD-Ratsfraktion hatten kritisiert, dass die Auswahl von sechs aus angeblich insgesamt 20 Interessenten nicht genügend transparent von statten gegangen war, CDU und Grüne hatten sich dieser Kritik angeschlossen (LinX berichtete). Eine Sondersitzung des Hauptausschusses der Ratsversammlung, auf der die Verwaltung die Kriterien für die Erstellung der "short list" der verbliebenen Bewerber darstellen sollte, verschoben die Sozialdemokraten dennoch mit der Begründung, während der Osterferien sei "die überwiegende Zahl der Mitglieder des Hauptausschusses im Urlaub", die Beschlussfähigkeit sei daher nicht gewährleistet. Der CDU-Fraktionschef Arne Wulff sah daran jedoch Taktik: "Die SPD traut sich an das Problem Stadtwerke nicht heran, wenn der Oberbürgermeister nicht dabei sein kann (Anm. d. Red.: Gansel befindet sich ebenfalls im Urlaub). Sie hat Angst vor ihrer eigenen Courage." Die Sondersitzung wurde nun für den 25.4. anberaumt, einen Tag vor der regulären Sitzung des Hauptausschusses.

In dieser Sondersitzung, so forderten die Ratsfraktionen von CDU, Grünen und SUK, solle der OB "alle eingegangenen Kaufangebote offenlegen". Die Opposition wittert "Ungereimtheiten" bei der Auswahl der sechs Bewerber, mit denen detailliertere Verhandlungen geführt werden sollen. SPD-Ratsherr Tovar hatte kritisiert, dass sich unter den verbliebenen sechs Bewerbern vier befinden, an denen die Veba-Tochter PreussenElektra beteiligt ist (LinX berichtete). Durchgesickert war gerüchteweise, dass die Stadt zwei weitere Bewerber "mit Spitzenangeboten" nicht in der "short list" berücksichtigt hatte. Ferner ist unklar, wieviele Angebote es wirklich gegeben hat. Die Verwaltung selbst hatte von "über 20" gesprochen, Insider gehen jedoch von lediglich 10 Angeboten aus. Bürgermeisterin Bommelmann wollte gegenüber der Presse "zur Zahl der Bewerber keine Angaben machen", mutmaßte aber, "dass längst überholte Arbeitsentwürfe, die dennoch der Vertraulichkeit unterlagen, zur Störung des ordentlichen und vertrauensvollen Verfahrens missbraucht werden sollen". Überdies habe sie den Eindruck, "dass konkurrierende Anbieter über die Presse den Entscheidungsprozess in ihrem Sinne beeinflussen wollen".

Wer hier wen "missbraucht" oder "beeinflusst", das bleibt allerdings unübersichtlich. So hatte man wohl seitens der Stadt in die örtliche Presse lanciert, dass einer der sechs Bewerber in der engeren Wahl, die amerikanische Cinergy Global Power, sich bereits wieder zurückgezogen habe, angeblich enttäuscht von der Art der Verhandlungen, insbesondere die öffentliche Diskussion darüber. Die Bewerber HEW und Bewag erhielten indessen in den "Kieler Nachrichten" Viertelseiten, um sich und ihre Interessen vorzustellen. Manfred Timm, Vorstandssprecher der HEW, reagierte dabei mit Unverständnis auf die Kritik der Beteiligung der PreussenElektra an den HEW. Auf Druck der Kartell-Behörden im Rahmen der Fusion von Veba und Viag werde sich die Veba-Tochter PreussenElektra von ihren HEW-Anteilen (15,4%) trennen. Diese Anteile will wiederum der schwedische Konzern Vattenfall kaufen. Auch in den AKW-Beteiligungen der HEW (Brunsbüttel 66%, Krümmel 50%, Brokdorf 20%) sieht Timm kein Hindernis für die HEW-Bewerbung. Nicht nur die Bundesregierung betrachte die Atomenergie als Auslaufmodell. Im Falle eines Zuschlags für die HEW, so versprach Timm, werde es bei den Stadtwerken keinen Arbeitsplatzabbau geben, jedoch eine "umfassende Umstrukturierung".

Das ist bei der Berliner Bewag nicht zu erwarten. Schon 1997 trennte sich der Berliner Senat von seinen Stadtwerken. Die Folge war eine drastische Reduktion der Arbeitsplätze von 8.500 auf derzeit 6.000. Bis 2002, so teilte Bewag-Vorstandsmitglied Klaus Bechthold mit, wolle man auf 4.000 Mitarbeiter schrumpfen. So drastische Einschnitte solle es bei einer Beteiligung der Bewag an den Stadtwerken in Kiel allerdings nicht geben. Bleibt die Frage, was unter "nicht so drastisch" zu verstehen ist. Was die Beteiligungen der PreussenElektra und der Viag-Tochter Bayernwerk an der Bewag betrifft, vermutet Bechthold ebenso wie bei der HEW demnächst anstehende Änderungen im Rahmen der Veba-Viag-Fusion. Die beiden Großaktionäre könnten sich aus der Bewag zurückziehen, falls die Kartellbehörde dies verlangt. Diesenfalls würde der amerikanische Konzern Southern Energy, der bislang 26% der Bewag-Aktien hält, einspringen.

An die Ratsversammlung appellierte Bechthold, möglichst schnell zu entscheiden, ob auch ein Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an den Stadtwerken in Frage komme. Auch hier üben die Anbieter also Druck aus. Bislang hat der Kieler Rat nur dem Verkauf einer "qualifizierten Minderheit" von 25,1% zugestimmt. Es könnte gut sein, dass die undurchsichtige und bewusst verschleierte Verhandlungspraxis der Verwaltung dazu dient, den Rat mit einem Spitzenangebot zu ködern, das den Haushalt mit einem Schlage sanieren würde, und so den Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung durch die Hintertür durchzudrücken.

(jm)

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