Aus dem Kieler Rat

Stadtwerkeverkauf:

"Historische Entscheidung"

Beim Verkauf der KWG (Kieler Wohnungsbaugesellschaft) an den Immobilien-Hai WCM schrieben wir es schon einmal, jetzt ist es wieder so weit: Beim Erscheinen dieser LinX könnten die Stadtwerke bereits verkauft sein. In der Ratsversammlung vom 8.6. sollen die Weichen gestellt werden. Von der vom Rat beschlossenen Prüfung (!) eines Verkaufs von maximal 25,1% (qualifizierte Minderheit) redet dabei niemand mehr. Zwar hat der Rat nur dafür einen Verhandlungsauftrag erteilt, aber wen kümmern die Beschlüsse von gestern, wenn die Bieter mit dreistelligen Millionenbeträgen winken, falls sie dafür 51% oder mehr bekommen.

Nun muss alles ganz schnell gehen. Begründungen dafür gibt es nicht, außer dass die Anbieter, wenn man sie nicht schnell beim Wort nimmt, abspringen könnten. Vor allem der britische Bieter TXU (Texas Utilities Europe mit Sitz in London) dient als Rechtfertigung für die Eile. Denn TXU bewirbt sich gleichzeitig um die Stadtwerke in Bremen und Offenbach. Also macht die Kieler SPD Druck, die auf einem Kreisparteitag Anfang Juli über den Verkauf beraten wollte und dies nun schon am 7.6. tun will, einen Tag vor der Ratsversammlung, auf der alles in trockene Tücher soll. Knapper geht's nimmer. In einem Leitantrag zum Kreisparteitag wird denn auch für einen Verkauf von Mehrheitsanteilen plädiert. Eine Prozentzahl mochte der Kreisvorsitzende Rolf Fischer noch nicht nennen, "um die Verhandlungen nicht zu gefährden". Im Verscherbeln der Stadtwerke sieht Fischer "eine historische Entscheidung". Die Bedingungen für den Verkauf, Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen, Fortbestehen der Querfinanzierung für den ÖPNV und der Konzessionsabgabe an die Stadt, könnten, so Fischer, nur mit dem Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung eingehalten werden.

Auch die CDU-Ratsfraktion hat sich für einen Verkauf von "51 plus" ausgesprochen. Ferner machte der Fraktionsvorsitzende Arne Wulff deutlich, dass man TXU als Käufer bevorzuge. Die Briten entsprächen am ehesten "unseren Vorstellungen von einem gesunden Wettbewerb". Eine Fusion der Stadtwerke mit der Schleswag, die als einziger Bieter auch mit 25,1% "zunächst zufrieden" wäre, würde, so Wulff, bedeuten, "dass wir ein Monopol stärken". Die Schleswag, die zu 65,3% dem Atomstromer PreussenElektra gehört, würde mit dem Erwerb der Kieler Stadtwerke 75% aller Schleswig-Holsteiner mit Strom versorgen.

Die Schleswag sieht dies hingegen als Synergieeffekt. Anders als die Briten, habe sie bereits Infrastruktur im Umland, wo sie Hauptversorger ist, und könnte diese auch für Kiel nutzen - und umgekehrt. Dass die Briten unumwunden zugaben, Kiel als "Brückenkopf" zur Bildung eines "Netzwerks" mit weiteren in Deutschland zu erwerbenden Stadtwerken zu nutzen, darin sieht die Schleswag Anlass zur Kritik. Dabei führte sie das Beispiel der Wesertal AG an, die 1999 an den finnischen Staatskonzern Fortum verkauft worden war. Nachdem die Finnen anfangs viele Zugeständnisse gemacht hätten, planten sie nun, die Belegschaft bis 2001 auf weniger als die Hälfte des Standes von 1995 zu reduzieren. Das stehe mit der TXU als Käufer eventuell auch den Kieler Stadtwerken ins Haus. Die Schleswag hingegen könne sich als ortsansässiger Versorger "nicht leisten, den Kielern etwas zu versprechen, was wir anschließend nicht einhalten". Im Gegenteil will die Schleswag ihre Zentrale nach Kiel verlegen und damit 240 Arbeitsplätze schaffen (die allerdings hauptsächlich einfach von Rendsburg nach Kiel verlagert werden), nebst 60 neuen Arbeitsplätzen in einem Call-Center. Wie wenig qualifiziert und unsicher gerade die letzteren sind, darüber sprachen die Rendsburger Stromer natürlich nicht. Die TXU winkt überdies mit ähnlichen Arbeitsplatzangeboten.

Diese Kritik - unfreiwillig auch ein Argument gegen den Verkauf überhaupt - bekam der Schleswag schlecht. Die Ratsfraktionen zeigten sich verärgert über den Frontalangriff auf TXU. Für Jürgen Fenske, SPD-Fraktionsvorsitzender, war es "starker Tobak", einen "Konkurrenten in den Medien schlecht zu machen und absurde Vergleiche zu ziehen". Fenske verbat sich, so die Ratsversammlung beeinflussen zu wollen, ohne natürlich zu sagen, dass er genau das mit seiner Replik selbst vorhatte. Für Arne Wulff habe sich die Schleswag mit ihrem Vorstoß "selbst disqualifiziert". In der Ratsversammlung am 8.6. will die CDU daher beantragen, 51% "mit einer Option auf weitere Anteile an die derzeit bestanbietende TXU" zu verkaufen. Dies allerdings nur, wenn die Mitbieter ihre Angebote nicht "entscheidend nachbessern". Ein Antrag zur Preistreiberei also, der deutlich macht, dass es sich bei den Rahmenbedingungen für den Verkauf (Arbeitsplätze, ÖPNV) nur um Lippenbekenntnisse handelt. Den Zuschlag wird aller Voraussicht nach der Meistbietende zu seinen Konditionen erhalten.

Die Schleswag entschuldigte sich derweil. Man habe lediglich versucht darzulegen, welche "besonderen Vorteile eine enge Verflechtung der Stadtwerke und der Schleswag aus unserer Sicht" habe. Und stockte am 2.6. ihr Angebot auf. Für 49% hatten die Rendsburger 280 Mio. DM geboten. Nun bewerben sie sich für 51% und wollen dafür ebenso viel zahlen wie TXU, die für 51% 450 Mio. DM geboten hatte. Die Überlegungen einer Fusion mit den Stadtwerken seien, so die Schleswag, "auf Eis gelegt". Abgeschlagen mit nur 300 Mio. DM für 51% bieten die HEW. Die Stadt wartet dennoch auf ein "nachgebessertes" Angebot der Hamburger.

Indes haben neben der CDU auch die Grünen Sympathien für TXU als Käufer erkennen lassen. Das Angebot der TXU bezeichnete der Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann als "sehr interessant". Zuvor hatten die Grünen bei einer Kreismitgliederversammlung ihre grundsätzliche Ablehnung des Verkaufs der Stadtwerke revidiert. Zwar hielten die Grünen, so Oschmann, eine "stand-alone-Lösung für die Stadtwerke" nach wie vor "für machbar", dafür spreche besonders die positive Umsatzentwicklung der Stadtwerke im letzten Jahr. Jedoch müsse man zur Kenntnis nehmen, dass eine Mehrheit im Rat wie auch die VVK-Arbeitnehmervertreter einem Teilverkauf zugestimmt hätten. Nun komme es darauf an, den Entscheidungsprozess "im Sinne grüner Ziele zu beeinflussen".

Diese Ziele sind vorsichtig. So müsse das ÖPNV-Defizit nicht etwa dauerhaft gedeckt bleiben, sondern nur "für 10 bis 15 Jahre" und das nicht etwa vom Käufer, sondern "aus dem Verkaufserlös". Dass der Käufer ökologische Standards wie die Kraft-Wärme-Kopplung ausbaut, fordert Oschmann auch nicht, sondern "erwartet" es lediglich. Die Sympathie zur TXU begründete Oschmann damit, dass keine Anteile an "Verfechter der Atomenergie" verkauft werden sollten, also nicht an die Schleswag und damit an deren Mehrheitsaktionär PreussenElektra und nicht an die HEW mit ihren Beteiligungen an den AKWs Brunsbüttel, Brokdorf und dem Leukämie-Reaktor Krümmel. TXU versicherte ob dieser Schützenhilfe eilfertig, sie besitze keine AKWs und wolle den Anteil von rgenerativen Energien mittelfristig von 4,2% auf 10% steigern. Den "Grünen" (ab jetzt nur noch in Anführungszeichen) reichen offenbar solche vertraglich nicht abgesicherten Absichtserklärungen, um am 8.6. ihre fünf Händchen für den Verkauf der Stadtwerke zu heben und sie sich damit auf bekannte Umkippermanier schmutzig zu machen.

(jm)

vgl. Artikel in der letzten LinX