Aus dem Kieler Rat

Stadtwerke:

Exorbitante Gebote

OB Gansels Rechnung ist aufgegangen. Gegen das in der Ratsversammlung schwelende Misstrauen gegenüber den undurchsichtigen Verkaufsverhandlungen der Stadtwerke, hatte Gansel in der April-Ratsversammlung ein Neun-Punkte-Programm gesetzt (LinX berichtete), das den Ratsvertretern begrenzten Einblick in die "letters of intent" der Bieter geben sollte (jeweils ein Vertreter aus den Fraktionen von SUK und Grünen und jeweils zwei aus SPD und CDU). Nach Einsichtname in die Unterlagen verkündeten die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU nun einhellig "Entwarnung". Während der CDU-Fraktionschef Arne Wulff in der April-Ratsverammlung noch zu den heftigsten Forderern einer weitgehenderen Ratsbeteiligung gehört hatte, ließ er nun sogar verlauten, eine Offenlegung der Unterlagen für alle Ratsmitglieder halte er "für derzeit nicht erforderlich". Zudem müsse die "short list" der verbliebenen vier Anbieter (die britische TXU, Schleswag, HEW und die schwedische Sydkraft; der fünfte Bewerber, die Berliner Bewag, hatte kein verbindliches Angebot mehr eingereicht) nicht erweitert werden. Den derzeit laufenden Endverhandlungen steht also nichts mehr im Wege. Die SPD äußerte sich ähnlich. Das Verfahren sei "klar und nachvollziehbar organisiert worden", hieß es in einer Pressemitteilung der Ratsfraktion. Die "short list" sei "plausibel und logisch".

Auch die Beschränkung auf einen Verkauf von maximal 25,1% der Stadtwerke-Aktien scheint vom Tisch. Wulff empfahl, über alle Optionen "von der Minderheitsbeteiligung bis zu einem Verkauf sämtlicher Anteile" zu verhandeln. Wie allmählich durchsickert, sind nämlich die Anbieter weniger an einer Minderheitsbeteiligung als an Mehrheiten oder sogar dem Komplettkauf interessiert und sind auch bereit, dafür "strategische Preise" zu bezahlen, die, so ist zu hören, die Gebote in "exorbitante Höhe" schrauben könnten. Besonders TXU sieht Kiel als Brückenkopf für den Ostseeraum und will unter allen Umständen das Rennen machen. Die TXU ist auch Bieter beim Verkauf der Bremer Stadtwerke. Dass es für den Verkauf von mehr als 25,1% keinerlei Verhandlungsmandat seitens des Rates gibt, sich also sämtliche Verhandlungen über den Verkauf von mehr als 25,1% im rechtsfreien Raum bewegen, scheint indessen bei keiner Ratsfraktion Proteste hervorzurufen.

Die ÖTV hingegen zeigte dem Rat am 15.5. "die gelbe Karte". Der landespolitische Sprecher der ÖTV Frank Hornschu forderte vom Rat, "den Ausverkauf von ertragsstarken und Behalt von defizitären Betätigungsfeldern" zu stoppen. Hornschu wie auch Manuel Mertes, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der VVK (Versorgung und Verkehr Kiel GmbH), warnen besonders vor einem massiven Arbeitsplatzabbau, der den Stadtwerken nach dem Verkauf drohe. Mertes stimmte zwar einem Teilverkauf zu, jedoch nur unter der Bedingung, dass auch Möglichkeiten einer Kooperation geprüft würden. Einen solchen Vorschlag hatte Energieminister Möller ins Spiel gebracht. Er empfahl statt Verkauf eine Kooperation schleswig-holsteinischer Stadtwerke. Mertes warnte weiter, dass auch bei einer Minderheitsbeteiligung der Investor versuchen werde, "über Verträge faktisch die industrielle Führung" der Stadtwerke zu übernehmen. Der KVAG-Betriebsratsvorsitzende Lothar Genz sieht bei einem Verkauf von Mehrheitsanteilen den ÖPNV in Gefahr. Dass die Stadt mit dem Investor eine dauerhafte Regelung zur Finanzierung des ÖPNV (bisher wird dessen Defizit in Höhe von rund 30 Mio. DM jährlich durch die Gewinne der Stadtwerke ausgeglichen) aushandeln werde, bezweifelte Genz.

Über die Kooperationsidee, so war am vergangenen Wochenende zu erfahren, haben die Stadtwerke offenbar schon selbst nachgedacht. OB Norbert Gansel bestätigte den "Kieler Nachrichten", dass es bereits im letzten Jahr Verhandlungen mit der Schleswag über eine Kooperation gegeben habe. Die jetzt in der Endphase befindlichen Verkaufsverhandlungen würden dadurch jedoch nicht tangiert. Auch Eckhard Sauerbaum, Sprecher des Stadtwerke-Vorstands, räumte ein, mit den Stadtwerken in Lübeck, Flensburg und Neumünster sowie mit den HEW Kooperationsverhandlungen geführt zu haben. Wegen "zu geringer Synergieeffekte" seien diese Fusionsüberlegungen jedoch nicht weiter verfolgt worden.

(Text + Foto: jm)

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