Internationales

Blaues Gold

Im Europaparlament in Brüssel beschäftigte sich am Pfingstwochenende eine interkontinentale Konferenz mit einem der brennendsten Probleme des 21. Jahrhunderts: Der Trinkwasserversorgung.

Wenn die Staats- und Regierungschefs der mächtigsten Industriestaaten zu ihren G7-Gipfeln zusammen kommen, dann reden und bestimmen sie nicht nur über die Geschicke ihrer Länder: Die Entscheidungen, die sie treffen, haben Auswirkungen für den ganzen Planeten, doch die Interessen der großen Mehrheit der Weltbevölkerung spielen, wenn überhaupt, nur eine Rolle am Rande. In der grünen Europaparlamentsfraktion kam daher schon vor einigen Jahren der Gedanke auf, Experten und Vertreter sozialer Bewegungen der ärmsten Länder regelmäßig zu so genannten P7-Gipfeln zusammen zu bringen. P steht für poor, d.h. arm.

So auch in diesem Jahr. Unter dem Tagungsmotto "Wasser: Ein Lebensrecht im 21. Jahrhundert" diskutierten drei Tage lang Wissenschaftler, Verbraucherschützer, Frauenrechtlerinnen, Ökologen und einige wenige Regierungsvertreter aus Indien, Mali, Somalia, Fiji, Palästina, Ägypten, Äthiopien, Burkina Faso, Senegal, Haiti, Madagaskar, Kamerun und anderen Ländern mit den Euro-Parlamentariern.

Wasser, das ist für den durchschnittlichen Mitteleuropäer eine derartige Selbstverständlichkeit, dass er sich kaum vorstellen kann, was es heißt, wenn die nächste Quelle 30 Kilometer entfernt ist, oder das einzige "Trinkwasser" ein verschmutzter Fluss ist. Doch für viele Menschen ist das schon heute Realität: 1,4 bis 1,6 Milliarden Menschen haben nach Schätzungen verschiedener UN-Organisationen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In der Türkei immerhin 51% der Bevölkerung, in China 33%, in Burkina Faso gar 58%.

Und die Situation verschlimmert sich: Bisher, berichtet Fatima Jibrell aus Somalia, waren die viehzüchtenden Nomadengemeinschaften ganz gut in der Lage, das Wasser gerecht unter sich aufzuteilen, doch die Brunnen seien immer weniger ergiebig. Der Grund: Verstädterung und Straßenprojekte, die das Oberflächenwasser umleiten. Die durch das Fernsehen allgegenwärtige Werbung würde zudem die alten gewachsenen Gemeinschafts-Strukturen zersetzen, die für die Lösungen von Wasserkonflikten unverzichtbar seien. Ihr Netzwerk sucht daher mit den Nomaden nach demokratischen Lösungen des Wassermanagements und schult Menschen in Methoden, wie die seltenen Niederschläge durch kleine Dämme und Ähnliches besser genutzt werden können.

Unter den Teilnehmern herrschte große Einigkeit, dass der lokale Ansatz genau der richtige Weg ist, die Probleme zu meistern. So lange Dorfgemeinschaften die Kontrolle über ihr Wasser haben, so berichtete Vandana Shiva aus Indien, kommt es selten zu ernsthaften Problemen. Technokratische Entwicklungsmodelle seien hingegen oft verheerend. So wusste sie von einem Weltbank-Projekt aus ihrem Land zu berichten, das katastrophale Auswirkungen auf den Wasserhaushalt einer ganzen Region hatte. Bauern in Teilen des Bundesstaates Maharashdra wurden mit Entwicklungskrediten dazu gebracht, statt wie herkömmlich Melonen für den lokalen Markt, Zuckerrohr für den Export anzubauen. Doch diese Pflanze braucht ein vielfaches an Wasser. Die Folge: Übernutzung der Reservoirs und Konflikte in den Dörfern um die nun knappe Ressource.

Ein Beispiel von vielen. Neben der Urbanisierung und der industriellen Nutzung des kostbaren Nass, sahen die Teilnehmer in der Agro-Industrie einen der Hauptverantwortlichen für die globale Wasserkrise. Um so unverständlicher war für sie, dass das Welt-Wasserforum, das im März im niederländischen Den Haag tagte, die Lösung in der Marktwirtschaft sieht und Wasser zur Ware machen will. Während die Verschlechterung der Wasserresourcen ernster und globaler werde, nehmen die Profite der beiden weltweit führenden Wasserkonzerne Vivendi und Suez-Lyonnaise des Eaux - bei denen übrigens die deutschen Energieriesen eon (Veba/Viag) und RWE/VEW demnächst einsteigen wollen - beständig zu. Mit der Verknappung werde Wasser profitabel, zum "blauen Gold", wie es auf dem Den Haager Forum hieß.

Der P7-Gipfel setzte dagegen, dass das Grundrecht auf Trinkwasser unbedingt durch internationale Vereinbarungen geschützt und die Wasserversorgung in den Händen der Kommunen bleiben muss bzw. diesen wieder zurück zu geben ist. Demokratie auf allen Ebenen sei unverzichtbar für eine gerechte Lösung des Wasser-Problems. Man einigte sich darauf, ein Komitee "Für das Menschenrecht auf Wasser" zu gründen, dass die Positionen des P7-Gipfels Ende des Monats auf dem UN-Sozialgipfel in Genf einbringen soll.

Die EU-Kommission, die auf der internationalen Ebene unermüdlich für Privatisierung streitet, hielt es nicht für nötig, über das Thema zu diskutieren. Umwelt-Kommissarin Margot Wallström hatte ihre Teilnahme zwar zugesagt, war jedoch unentschuldigt fern geblieben. Zur gleichen Zeit traten sich einige U-Bahnstationen weiter bei einer "Zukunfts-Konferenz" des europäischen Unternehmerverbandes UNICE gleich zehn EU-Kommissare auf die Füße.

(wop)