Aus dem Kieler Rat

TXU, neuer Haupteigner der Stadtwerke, stellt sich vor:

"Wir handeln alles mit jedem"

Am 13.7. fiel im Kieler Rat einstimmig die endgültige Entscheidung. Die Stadtwerke Kiel AG wurde zu 51% an die britische Tochter des US-amerikanischen Energieunternehmens TXU verkauft (LinX berichtete). Die Geschäftsführung wird von TXU erst mit dem 1.1.2001 übernommen, dennoch gilt es schon jetzt, "die neuen Freunde" (OB Gansel) in Kiel bekannt zu machen. Auf einer Pressekonferenz am 26.7. stellten sich neben dem noch amtierenden Stadtwerke-Vorstandssprecher Eckhard Sauerbaum und dem Betriebsratsvorsitzenden Günter Mischke die TXU-Geschäftsführer Torsten Amelung (Deutschland) und Alan Wyatt (Großbritannien) den Fragen der Presse.

Norbert Gansel nutzte die Chance, den Stadtwerkeverkauf wie schon im Rat als Teil der "neuen Linie der neuen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Stadt Kiel" darzustellen. Deren Ziele seien zuvorderst die Konsolidierung des Haushalts sowie, "auch bei Investitionen starke Disziplin zu üben". Gansel bekräftigte damit erneut, dass er gegen alle Kritik, mangelnde Investionen würden den Haushalt langfristig mehr belasten, als dass sie ihn kurzfristig entlasten, seinen bisherigen Kurs fortsetzen will. Nach der Privatisierung der Müllverbrennungsanlage, der Ostseehalle und der Kieler Wohnungsbaugesellschaft im letzten Jahr sei der Stadtwerke-Teilverkauf der nächste notwendige Schritt auf dieser Linie. "Public private partnership soll neue dynamische Kräfte freisetzen", hofft Gansel, fleißig auf den Gebetsmühlen des Neoliberalismus klappernd.

In verordneter Euphorie äußerte sich auch Eckhard Sauerbaum, wenn auch mit teilweise verhaltenem Zungenschlag. So habe ein städtisches Unternehmen letztlich "das Primat der Politik zu beachten". Als Erfolg sieht Sauerbaum, dass "der Verkaufserlös i.W. im Unternehmen verbleibt (zur Finanzierung des ÖPNV als immer noch zu 100% städtischem Unternehmen - Anm. d. Red.) und nicht in Form von Wahlgeschenken verleckert wird." Aus Sicht der Stadtwerke sei daher bei den Verkaufsverhandlungen weniger die Höhe des Kaufpreises entscheidend gewesen, sondern "das einzubringende strategische Geflecht", um die Existenz der Stadtwerke auf dem liberalisierten Strommarkt und damit auch die Arbeitsplätze durch einen starken Partner zu sichern.

Konkreten Fragen über die geplante Strategie wichen die TXU-Vertreter diplomatisch aus. "Wir sind sehr glücklich, dass wir von Kiel aus unsere Geschäfte in Deutschland ausbreiten können", bestätigte Alan Wyatt die Vermutungen, dass das Engagement in Kiel i.W. als Brückenkopf dienen soll, um auf dem "mit 80 Mio. Kunden größten europäischen Markt" mitzumischen. "Von Kiel aus", so Torsten Amelung nebulös, "werden wir neue Geschäftsfelder und Geschäftsideen entwickeln." "Wir wollen lernen, wie es geht, in Deutschland Geschäfte zu machen", ergänzte Wyatt, "denn wir sind vor allem Händler. Wir handeln alles mit jedem, der mit uns handeln will." Dabei liege das Schwergewicht jedoch auf dem Energiesektor. Auf Nachfrage, welche Chancen TXU in der Stadtwerke-Tochter KielNET sehe, antwortete Wyatt: "Wir haben keine Firmen gekauft, sondern nur ein großes Aktienpaket." Der Telekommunikationsmarkt sei in Deutschland zudem bereits gefestigt und daher für TXU "eher uninteressant".

Zur Frage der Konkurrenz mit dem Umlandversorger Schleswag, der bis zuletzt mit TXU mitgeboten und sogar offeriert hatte, das paritätische Kieler Mitbestimmungsmodell aufrecht zu erhalten (LinX berichtete), hielt man sich ebenfalls bedeckt - Wyatt: "Ich weiß nicht, welche Rolle die spielen werden, aber an Preisoffensiven werden wir uns natürlich beteiligen." Sauerbaum: "TXU ist nicht her gekommen, um den Markt platt zu machen." Wenn aber ein Konkurrent meine, ruinösen Wettbewerb mit Dumpingpreisen betreiben zu müssen, dann gehe das auf Kosten der Versorgungssicherheit. "Bei den Strompreisen ist nach unten keine Luft mehr drin."

Auf Nachfrage der LinX, wie TXU auf dem Wassermarkt agieren werde, wenn dieser, wie derzeit im Bundeswirtschaftsministerium vorbereitet, liberalisiert werde, meinte Wyatt, das sei "ein fantastischer Markt". Jedoch werde man auf diesem Sektor "keine hektischen Aktivitäten entwickeln", wenn TXU hier auch "sehr gute Möglichkeiten, das auszubauen" sehe. Jedoch sei Trinkwasser "ein natürliches Monopol" und eigne sich daher nicht besonders als Gegenstand freien Handels. Ob hier eine vollständige Liberalisierung sinnvoll sei, das müssten "die Deutschen selbst entscheiden". In England habe TXU auf diesem Gebiet eher negative Erfahrungen gesammelt. "Aber im Fall des Falles werden wir dabei sein."

Der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann fand in einer Pressemitteilung Wyatts Äußerung zum "natürlichen Monopol Trinkwasser" "sehr positiv". Dem könne er nur zustimmen. Verwundert äußerte er sich jedoch über TXU's Zurückhaltung bei KielNET: "Hier habe ich den Eindruck, dass der Wert des modernen Lichtwellenleiternetzes der Stadtwerke mit seiner Fülle der Möglichkeiten der Datenübertragung nicht voll erkannt ist."

Einigermaßen gebeutelt und wie das Kaninchen auf die Schlange starrend wirkte der Stadtwerke-Betriebsratsvorsitzende Mischke. Befragt zur Zukunft des Unternehmens aus Arbeitnehmersicht sagte er: "Wir sind keine Profeten, wir müssen sehen, was kommt." Die Belegschaft wolle sich "optimistisch der Zukunft stellen". Es gebe unter den Beschäftigten "große Spannungen, aber auch große Bereitschaft". So vorsichtig Mischke damit auf die von Teilen der Belegschaft nicht gänzlich geteilte Euphorie im Rat und in der Verwaltung hingewiesen hatte, Norbert Gansel wollte dennoch unbedingt korrigieren: "Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Mit 'Spannungen' ist natürlich die große Gespanntheit auf das Neue gemeint."

(jm)