Antifaschismus

Wie Nazi-Demos verbieten?

Alexander Hoffmann arbeitet in Kiel als Rechtsanwalt und ist seit längerem in der antifaschistischen Bewegung aktiv.

LinX: Am 2.9. demonstrierten Nazis in Neumünster für den Erhalt ihres Lokals "Club 88", nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Verbotsverfügung der Stadt aufgehoben hatte. Was ist von dem Beschluss der Karlsruher Richter zuhalten?

Alexander Hoffmann (A.H.): Nachdem die Grundzüge der Verfügung bekannt waren, ist der Beschluss von Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sich mit der Materie auskennen, erwartet worden.

LinX: Warum?

A.H.: Weil die Verbotsverfügung sich im Wesentlichen auf den so genannten polizeilichen Notstand berufen hatte und damit nicht den schon seit langem bekannten Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichtes, wie sie noch mal im Beschluss deutlich wurden, der vor zwei Wochen im Bezug auf eine Demonstration in Hamburg gefasst worden war, gerecht wird. Die Stadt Neumünster hatte sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht, die Möglichkeiten zu nutzen, die das Bundesverfassungsgericht für ein Verbot solcher Demonstrationen aufgezeigt hat.

LinX: Welche Möglichkeiten wären das?

A.H.: Karlsruhe hat ganz klar gesagt, dass Verbote von solchen Demonstrationen in erster Linie möglich sind, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass aus der Demonstration heraus Straftaten begangen werden oder sie als Drohung genutzt werden.

LinX: Hat es solche Anhaltspunkte im Falle Neumünsters gegeben?

A.H.: Ganz eindeutig. Z.B. war auf der Homepage des "Clubs 88" und der ihm verbundenen politischen Gruppen, die Demonstration angekündigt mit der kaum verhüllten Drohung, man müsse den Linken zeigen, dass sie vorsichtig sein müssen. In den letzten Wochen kam es in Neumünster immer wieder zu konkreten Übergriffen, zu Bedrohungen von Personen. Man hätte zumindest versuchen müssen, darzulegen, dass Straftaten und Bedrohungen aus der Demonstration heraus zu erwarten waren. Auch wenn man sich nun den Verlauf der Demonstration anschaut, ist ganz klar zu sehen - sei es am Auftreten der Einzelnen oder an den Redebeiträgen -, dass hier eine Bedrohung von Gegnern des "Club 88" vorgenommen worden ist. Ihnen wurde angekündigt, sie würden schon sehen, was sie nun von ihrem Vorgehen hätten und die Aktivitäten gegen sie würden nun verstärkt werden.

LinX: Du hältst also nicht so viel von der üblichen Richterschelte gegen die Karlsruher?

A.H.: Man muss da zwei Ebenen auseinander halten: Ich warne davor, das Bundesverfassungsgericht als neutralen Hüter der Freiheitsrechte zu sehen. Aber bei diesen Verboten und Aufhebungen von Verboten muss man natürlich sehen, dass Karlsruhe ganz klare Vorgaben gemacht hatte. Und wenn sich die zuständigen Behörden keine Mühe geben und das Wissen, das über die Veranstalter von solchen Nazi-Demonstrationen vorliegt, ignorieren und nicht in ihre Verbotsverfügungen aufnehmen, dann verschulden sie, dass das Bundesverfassungsgericht die Verbote aufheben muss. Es ist ganz offensichtlich, dass den Karlsruher Richtern in diesen Fällen nichts anderes übrig bleibt, selbst wenn sie u.U. gerne ein Verbot bestätigen würden.

LinX: Welche Erkenntnisse lagen in Neumünster bezüglich der Strukturen der Aufrufer vor?

A.H.: Der "Club 88" hat eine wichtige Funktion in der Norddeutschen Neonazi-Szene. Insbesondere auch der vor kurzem verbotene "Hamburger Sturm" benutzte ihn als Anlaufpunkt, als Treffpunkt, von dem aus man seine Außenwirkung in die Szene, in eine Szene von Jugendlichen vornimmt. Damit könnte man durchaus versuchen zu beweisen, dass der Club innerhalb dieser nunmehr verbotenen Organisation eine wichtige Funktion hatte. Solche Argumentationen sind aber meines Wissens in der Verbotsverfügung überhaupt nicht aufgetaucht.

LinX: Hat also die Nachlässigkeit der Behörden in Neumünster den Nazis einen Sieg beschert?

A.H.: Nein. Aus meiner Sicht waren die antifaschistischen Aktionen ein voller Erfolg. Die Nazis konnten aufgrund der Blockaden nicht weiter als ein paar Straßenblöcke marschieren. Für die Verantwortlichen war der politische Preis zu hoch, die Straße von der Polizei für die Nazis freiprügeln zu lassen, was oft genug vorkommt. Diesmal waren zu viele "normale Menschen" beteiligt. Das Bundesverfassungsgericht hatte es den Behörden offen gelassen, im Falle drohender Konfrontation die Nazidemo umzuleiten. Diesen Spielraum haben wir genutzt und auch von den Ordnungsbehörden ist zu fordern, dass sie künftig mehr von ihm Gebrauch machen.

LinX: Was würdest du als Fazit ziehen? Was sollen Linke und Antifaschisten von ihren Stadtregierungen fordern, wenn es um das Verbot solcher Demonstrationen geht?

A.H.: Zum einen wäre es wichtig, die Verantwortlichen dazu zu zwingen, von ihrem üblichen Rechts-Links-Schema abzuweichen. Die Verbotsverfügung hier, aber auch die von vor zwei Wochen in Hamburg, greift nach wie vor das Schema von rechten und linken Gruppen auf, die gegeneinander stünden und die nun einen polizeilichen Notstand verursachen würden. Diese Argumentation wird für ein Verbot mit Sicherheit nicht mehr ausreichen, und das ist auch gut so. Man muss von den Ordnungsbehörden verlangen, dass sie aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten ernst nehmen, anstatt sie zu kriminalisieren, und dass sie ganz eindeutig die Nazis als Verursacher von Terror und Gewalt behandeln. Man muss von ihnen verlangen, dass sie die Erkenntnisse, die über diese Gruppen, die Hass und Gewalt säen, vorliegen, verwenden und in ihre Verbotsverfügungen aufnehmen. Nur so gibt es eine Chance, dass diese Verbote Bestand haben.

Die Fragen stellte wop.