Antifaschismus

Nazi-Demo verhindern!

Norddeutschlands Neo-Naziszene will am kommenden Samstag (16.9.) erneut in Neumünster demonstrieren. Anmelder des Aufmarsches ist wieder der einschlägig vorbestrafte Langzeitfunktionär Christian Worch aus Hamburg. Worch gehört zu den führenden Köpfen der militanten Szene, hat konspirativ arbeitende Strukturen wie die "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" mit aufgebaut und arbeitet seit einigen Jahren eng mit der NPD zusammen. Bereits am 2.9. hatten zwischen 300 und 400 Neonazis in Neumünster demonstriert, um gegen die drohende Schließung ihres Treffs "Club 88" zu protestieren. Worch hatte bei der Gelegenheit als Kundgebungsredner wiederholt massive Drohungen gegen die gewählten Stadtpolitiker und die örtlichen Antifaschisten von sich gegeben.

Demo gegen Nazi-Aufmarsch am 2.9. in Neumünster (Fotos: wop)

Oberbürgermeister Hartmut Unterlehberg (SPD) sieht sich dennoch nicht in der Lage, ein Verbot des neuerlichen Aufmarsches auszusprechen. Vor zwei Wochen hatte das Bundesverfassungsgericht seine Verbotsverfügung gegen die erste Demonstration kassiert. Neumünsters Verwaltungschef meint daher, dass er auch diesmal nicht durchkommen würde. Hiesige Antifaschisten sehen das allerdings etwas anders. Statt mit dem polizeilichen Notstand und befürchteten Zusammenstößen zwischen Neonazis und Antifaschisten hätte Unterlehberg mit den zu erwartenden Straftaten argumentieren müssen (vgl. Interview in dieser LinX). Dazu würden ihm nicht zuletzt die letzte Demonstration und insbesondere Worchs Reden reichlich Material liefern. Offensichtlich hat der Oberbürgermeister, der die ganze Pressearbeit an sich gezogen hat und seine Sekretärin nicht einmal eigenständig Pressemitteilungen versenden lässt, aber keine diesbezüglichen Erkenntnisse. Nachfragende Journalisten verwies er lediglich an die Staatsanwaltschaft.

Bei der IG Metall des holsteiner Städtchens, die maßgeblich am örtlichen Bündnis gegen Rechts beteiligt ist, zeigt man sich entsprechend enttäuscht von Unterlehberg. Eine Bewertung der juristischen Aspekte wollte IGM-Sprecher Peter Seeger zwar nicht vornehmen. Er habe sich jedoch erhofft, dass der OB sich wie seine Amtskollegen andernorts politisch mehr vorwagen und an die Spitze der Proteste stellen würde.

Unterstützung gibt es immerhin von weiter oben. Auf der für Samstag geplanten Gegenkundgebung wird Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) sprechen. Auch der SPD-Landesvorstand unterstützt den antifaschistischen Protest mit markigen Worten: "Wir setzen im Kampf gegen den Rechtsextremismus auf die Härte des Staates und auf dauerhafte politische Arbeit mit langem Atem", ließ ihr Landesvorsitzender Franz Thönnes wissen. "Wichtig sind schnelles Eingreifen der Polizei, zügige Verfahren und harte Strafen gegenüber Straftätern." Als die Nazis Anfang des Monats durch Neumünster zogen, hatten die Beamten allerdings lieber weggesehen, als Anwohner und Journalisten beleidigt und z.T sogar bespuckt wurden.

Weit waren die Braunen seinerzeit allerdings nicht gekommen. Ca. 500 Antifaschisten hatten ihnen den Weg blockiert, so dass sie schon nach einigen 100 Metern wieder kehrt machen mussten. Die Verantwortlichen hielten es diesmal anders als sonst nicht für politisch opportun, den Nazis den Weg durch die mit martialischem Aufgebot angetretene Polizei freiprügeln zu lassen. 600 bis 800 Mensch hatten zuvor an einer Kundgebung unter dem Motto "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" teilgenommen, auf dem u.a. Vertreter der IG Metall, der VVN und der evangelischen Kirche gesprochen hatten. Auffällig war, dass kein Vertreter der auch in Neumünster zahlreichen Einwanderer zu Wort kam.

Lob für die antifaschistischen Blockierer kam am vergangenen Wochenende von ungewohnter Seite: Der SPD-Landesvorstand beschäftigte sich mit dem Thema und verabschiedete eine Erklärung. In der findet sich der bemerkenswerte Satz: "Auch in Schleswig-Holstein gibt es Erscheinungsformen rechtsextremistischer Gewalt (Mölln, Lübeck)." Nun dürfen wir rätseln, ob mit letzterem der Brandanschlag in der Lübecker Neuen Hafenstraße gemeint ist, bei dem im Januar 1996 zehn Flüchtlinge ums Leben gekommen waren. Die Äußerung der hiesigen SPD-Spitze ist insofern interessant, als bisher die Lübecker Staatsanwaltschaft alle Spuren, die auf rechtsradikale Jugendliche hindeuteten, geflissentlich übersehen hat und dafür eines der Opfer verantwortlich machen wollte. Man darf also gespannt sein, ob sich bei den Sozialdemokraten, deren Landesregierung bisher zu den eigenartigen Ermittlungsmethoden in Lübeck beharrlich geschwiegen hat, ein Sinneswandel anbahnt und man vielleicht doch noch mal auf die Idee kommt, der Sache nachzugehen.

Die Stadt Neumünster hat unterdessen der Betreiberin des Nazi-Treffs, Christiane Dolscheid, die Schließungsverfügung zugestellt und die sofortige Vollziehbarkeit beantragt. Gegen beides hat Dolscheid beim zuständigen Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt. Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des sofortigen Vollzugs ist bis zum Ende des Monats zu erwarten.

(wop)