Antifaschismus

Drahtzieher im braunen Netz: Christian Worch

Um deutlich zu machen, mit wem die Neumünsteraner Rechtsradikalen hier demonstrieren, vom wem sie sich "führen" lassen und nicht zuletzt wessen "Grundrechte" das Bundesverfassungsgericht hier schützt, ein paar Worte zu dem Anmelder der Nazidemonstration. Der Hamburger Christian Worch, der die Nazidemo in Neumünster angemeldet hat, ist einer der führenden Neonazis Deutschlands. Er ist seit 25 Jahren, unterbrochen lediglich durch zwei Haftstrafen, in nationalsozialistischen Gruppen aktiv.

70er und 80er Jahre

Nazi-Funktionär Christian Worch bei der Nazi-Demo am 2.9. in Neumünster (Foto: r.p.)

Mitte der 70er Jahre begann die "Laufbahn" Christian Worchs in der "Hansabande" Michael Kühnens. Diese wurde mit einer provokanten Aktion unter dem Motto "Ich Esel glaube, dass in Deutschland Juden vergast worden sind" bekannt. Die "Hansa-Bande" verwüstete jüdische Friedhöfe, schmierte Nazi-Parolen und griff MigrantInnen und Linke an. In dieser Zeit pflegten Kühnen und Worch gute Kontakte zur inzwischen verbotenen "Wiking-Jugend". Dass es sich bei dieser "Bande" keineswegs um eine apolitische Jugendgang handelte, wurde spätestens 1977 deutlich, als Kühnen die "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS/NA) gründete. Ein Hauptziel der ANS/NA war es, die Aufhebung des NSDAP-Verbots durchzusetzen. Nach dem Verbot der ANS/NA führte Worch die Gruppe unter dem Namen "Die Neue Front" weiter. 1994 wurde er deswegen zu zwei Jahren ohne Bewährung wegen "Fortführung einer verbotenen Vereinigung" verurteilt. Schon Anfang der 80er Jahre hatte Worch eine Zeit im Gefängnis verbracht.

Die nächste Station in Worchs Neonazi-Geschichte - inzwischen war sein Mentor Michael Kühnen gestorben - war die "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), deren Anführer und geistiger Kopf Worch war. Gleichzeitig gründete er die "Nationale Liste Hamburg" (NLH). In dieser Zeit pflegte er gute Kontakte zur inzwischen ebenfalls verbotenen FAP. Diese Gruppen sind nach dem Konzept Kühnens jeweils als "legale Partei" konzipiert, "die selber noch nicht nationalsozialistisch sind, die aber Nationalsozialisten eine politische Plattform bieten und einen neuen politischen Kurs verfolgen, der dazu führt, die Neugründung der NSDAP zu ermöglichen" (GdNF-Organ "Die neue Front" Nr. 69, Januar/Februar 1990). Die GdNF versteht sich als "Keimzelle der neu aufzubauenden NSDAP" und ist bei fast allen größeren Nazi-Aktionen und Aufmärschen als organisierende und Bündnisse schmiedende Kraft beteiligt.

Anti-Antifa

Mit Worch beginnt auch die Anti-Antifa-Kampagne. Er stellte sie in einem Artikel in der NLH-Zeitschrift "Index" vom August 1992 vor; es ist die Anleitung, wie Anti-Antifa-Arbeit ungefähr auszusehen hat. Als Ziel wurde "Feindaufklärung" und "Feindbekämpfung" benannt. Konkret heißt das, dass sich die Anhänger um Adressen, Autonummern, persönliche und politische Zusammenhänge und Arbeitsplätze des politischen "Feindes" kümmern sollen, um diese an die verschiedenen Zentralen weiterzuleiten. Als Kontaktadresse wird u.a. die Nationale Liste Hamburg genannt. Die so bekanntgewordenen Adressen werden dann auch regelmäßig im "Index" in speziellen Anti-Antifa-Seiten veröffentlicht. Auch sonst ist Worch Anfang der 90er Jahre als Ideengeber tätig. Die FAZ zitiert einen höheren Polizeibeamten mit den Worten: "Es waren Äußerungen von Worch, die den Behörden Anlass gaben, in dem Mordanschlag auf die drei Türkinnen von Mölln eine 'neue Dimension' zu sehen, weil sich der Angriff nicht mehr 'nur' gegen Asylbewerber, sondern gegen seit langem in Deutschland lebende Ausländer gerichtet habe. Es reiche nicht aus, formulierte Worch im Spätsommer, sich gegen Asylbewerber zu wenden. Ein 'Ausländer-freies' Deutschland sei das Ziel." (FAZ, 27.11.92).

Die NPD als legale Basis für Neonazi-Aktionen

Nach seiner Haftstrafe in den 90er Jahren nähert sich Worch der NPD an. Auch eine Vielzahl anderer NS-Aktivisten haben bei der NPD seit einiger Zeit ihre neue/alte politische Heimat gefunden. Eine große Zahl der bis in die Mitte der 90er Jahre unter vielfältigen Tarnnamen auftretenden Stiefelnazis hat sich nach den Verboten ihrer Gruppen in der NPD zusammengefunden. Anders als nahezu 20 Jahre zuvor wurden sie von der NPD unter dem mittlerweile inhaftierten ehemaligen Vorsitzenden Günther Deckert mit offenen Armen empfangen. Unter dem neuen NPD-Chef Udo Voigt zeigt die Partei zunehmend offener ihre nazistische Orientierung. In einem Strategiepapier spricht Voigt von einem "Drei-Säulen-Konzept" der NPD: "Kampf um die Straße - Kampf um die Köpfe - Kampf um die Parlamente." Bei einer langen Reihe von NPD-Veranstaltungen tritt Worch als Redner auf.

"Freie Kameradschaften"

Gleichzeitig - die "Nationale Liste" ist inzwischen verboten, ebenso der "Index" - treibt Worch die Gründung der "Freien Kameradschaften" voran. Diese fallen besonders bei Nazidemos, z.B. gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht", auf und setzen die Tradition der Kühnen- und Worch-Nazigruppen fort. Ein Demobericht: "An der Spitze des Zuges marschierten AktivistInnen der NPD/JN mit dem Fronttransparent 'Soldaten des Reichs - Ihre Opfer - unsere Verpflichtung'. Die zweite Hälfte des Zuges bildeten Mitglieder der 'Kameradschaften' Northeim, Norddeutschland und des Mecklenburger Sturms unter der Führung von Christian Worch und Thorsten Heise. Die so genannten 'Freien Kameradschaften' traten uniformiert auf und der Zug skandierte schon zu Anfang u.a. die Parole 'Ruhm und Ehre der Waffen-SS' - ohne dass die Polizei einschritt. Neben JN-Fahnen wurden zahlreiche Reichskriegsflaggen gezeigt."

Die Hetze gegen AntifaschistInnen wird in das Internet verlegt. Der Club 88 in Neumünster bietet diesem Spektrum die Möglichkeit, sich unbehelligt zu treffen und Pläne zu schmieden. Daneben versuchen die Neonazis, in Neumünster Fuß zu fassen und sprechen gezielt Skinheads und Jugendliche an.

Finanzielle Verhältnisse

Worch ist sehr wohlhabend. Bei einer Gerichtsverhandlung kamen Details über Worchs Hamburger Immobilienbesitz ans Licht. Neben einer Wohnung in der Barmbeker Dieselstraße (110.000 DM) und einer am feinen Mittelweg (1,1 Mio. DM) besitzt Worch aus einer Erbschaft ein Grundstück mit Wohnungen in der Billrothstraße, aus denen er jährlich Einnahmen von etwa 500.000 DM erzielt. Vermutlich beruht ein nicht geringer Teil von Worchs Einfluss in der Neonaziszene auf seinen finanziellen Möglichkeiten.

(al)