Internationales

Prag 2000: Hintergrund

Jahrestagung der Schuldeneintreiber

Alljährlich im Herbst kommen die Gouverneure der Weltbank-Gruppe mit den Spitzen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu ihrer Jahrestagung zusammen, um eine Palette von Themen der internationalen Finanz- und Entwicklungspolitik zu debattieren. Mit dabei die Vertreter der meisten Mitgliedstaaten. Normalerweise trifft man sich am Sitz der beiden Institutionen in Washington, doch alle drei Jahre geht man ins Ausland. In diesem Jahr ist die tschechische Hauptstadt Prag dran. Am 26.9. beginnt die eigentliche Tagung, doch schon in der Vorwoche wird es zahlreiche Seminare für Geschäftsleute aber auch NGO-Vertreter geben. (NGO = Nichtregierungsorganisation - das können Gewerkschaften, Umweltgruppen Frauenverbände, Menschenrechtsorganisationen oder auch Interessenverbände der Wirtschaft sein.) 20.000 Banker, Geschäftsleute, Journalisten und Regierungsvertreter werden zu dem Mammutereignis erwartet. Und 50.000 Demonstranten aus aller Welt, denn die beiden Finanzinstitutionen haben sich in den letzten 20 Jahren eine Menge Feinde gemacht.

Vor allem die berüchtigten Strukturanpassungsprogramme (SAP) des IWF stoßen rund um den Globus auf den Widerstand der Betroffenen. Der Fond wird immer dann aktiv, wenn ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Kann ein Staat seine Auslandsschulden nicht mehr begleichen, dann bleibt ihm nur der Gang zum IWF nach Washington. Der springt dann mit einem Kredit ein, der zur Bedienung der Kredite dient. Die Crux dabei: Der IWF-Kredit wird an Auflagen gekoppelt, die es meist in sich haben. Nach streng neoliberalem Konzept sollen die Schuldnerländer zur Haushaltsanierung gezwungen werden. Abbau des öffentlichen Dienstes, Privatisierung, Lohnabbau und Abschaffung der Subventionen sowohl für die Industrie als auch oftmals selbst für Grundnahrungsmittel gehören genauso zur bitteren Medizin der SAP wie Anhebung der Zinsen zur Stabilisierung des Wechselkurses, Liberalisierung des Außenhandels und der nationalen Finanzmärkte. Ausländische Investitionen in den Schuldnerländern müssen erleichtert und die Wirtschaft auf Exportsteigerung ausgerichtet werden, um den Schuldendienst zu gewährleisten.

Demo gegen Weltbank und IWF beim UN-Gipfel in Genf

Die sozialen Folgen dieser Programme sind meist verheerend. In vielen Ländern, die unter das Diktat der SAP gerieten, stieg die Arbeitslosigkeit drastisch an. Bäuerliche Subsistenzwirtschaften, die bisher zumindest die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gesichert hatten, werden zugunsten exportierbarer Agrarprodukte zerstört. Unter den zusammengestrichenen Staatshaushalten haben nicht zuletzt das Bildungswesen und die ärztliche Versorgung besonders zu leiden. Vor allem nach dem Ausbruch der Asienkrise wirkten die neoliberalen Rezepte des IWF dazu noch Krisen verschärfend. Die hohen Zinsen drehten der lokalen Wirtschaft den Kredithahn zu. Staatliche Investitionsprogramme, die die Wirtschaft hätten ankurbeln können, blieben auf Druck des IWF aus. In Ländern wie Südkorea, das im Dezember 1997 mit 57 Mrd. US$ den höchsten je ausgezahlten Stützungskredit bekam, gehört der IWF aufgrund seiner unsozialen Politik heute zu den bestgehassten internationalen Institutionen.

Aber auch die Weltbank hat sich vielfach einen nicht minder schlechten Ruf verschafft. Mit Entwicklungskrediten der Weltbank werden oftmals Großprojekte wie Staudämme (z.B. in Indien und Thailand) finanziert, die die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstören. Als im Frühjahr diesen Jahres Weltbankchef James D. Wolfensohn zu Besuch in der thailändischen Hauptstadt Bangkok war, sah er sich mit den Protesten seiner Opfer konfrontiert. Bauern und Fischer, die ihre Dörfer und Einkommensgrundlage durch verschiedene Weltbank-finanzierte Stauseen verloren hatten, forderten von ihm Entschädigung und Abriss der Bauwerke. "Wir lehnen es ab, der kapitalistischen Entwicklung zu folgen, die v.a. durch rücksichtslosen Konsum und die übermäßige Abhängigkeit von ausländischen Investoren angetrieben wird", hielten sie ihm entgegen. Wolfensohn hatte ihnen zwar viele schöne Worte über Armutsbekämpfungsprogramme zu bieten, doch ihren Forderungen kam er natürlich nicht nach.

Wie der IWF setzt auch die Weltbank-Gruppe ganz im Sinne der Industriestaaten, die sie kontrollieren, v.a. auf Export-orientierte Entwicklung. Entsprechend gehören zur Palette der geförderten Projekte auch viele Agrarprogramme, mit denen der Anbau von Produkten für die Märkte des Nordens gefördert wird. Das Ergebnis sind oftmals zerstörte lokale Märkte, Übernutzung der Böden und Auflösung ländlicher Sozialstrukturen.

Die Weltbank, genauer: die Weltbank-Gruppe, deren Präsident Wolfensohn ist, besteht aus fünf Institutionen: Der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), der Internationalen Finanz-Cooperation (IFC), der Multilateralen Investitionsgarantie-Agentur (MIGA) und dem Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Die Mitgliedschaft in den einzelnen Organisationen variiert. Die größte Mitgliedschaft hat die IBRD mit 181 Mitgliedsländern.

Das Stimmgewicht ist allerdings abhängig von der Höhe der Einlagen: Die USA z.B. halten 16,5% der Stimmen. Japan rund 8%, Großbritannien und Frankreich je 4,33% und Deutschland 4,52%. Insgesamt halten die EU-Staaten zusammen rund 23,5% der Stimmen. Selbst so arme Länder wie Nepal oder Vietnam haben ein paar Millionen eingezahlt, um nicht ganz ohne Einfluss zu sein.

Auch im IWF sind die USA zwar die wichtigsten Geber, können aber nicht alleine bestimmen, wo es lang geht. Die derzeitigen Einlagen in Höhe von 193 Mrd. US$ werden zu 18,25% von den Vereinigten Staaten gestellt. Japan und Deutschland haben je 5,67% beigetragen, Frankreich und Großbritannien 5,1%. Derzeit wird eine Erhöhung der Einlagen auf 280 Mrd. US$ diskutiert, da die Reserven des Fonds aufgrund der jüngsten Krisen stark belastet wurden. In beiden Institutionen halten die G7-Staaten zusammen mit den übrigen EU-Staaten die Mehrheit der Stimmen.

(wop)