Antifaschismus

Dokumentiert:

Offener Brief an den Bürgermeister der Stadt Schleswig

Sehr geehrter Herr Nielsky,

der gewaltsame Tod eines Menschen durch zwei Skinheads in Schleswig am 13.9.00 stellt eine ungeheure Abscheulichkeit dar. Die Täter sind bekennende Skinheads und ordnen sich daher bewusst der rechtsextremistischen Szene zu, in der latente Gewalt gegen Menschen und gegen diesen Staat vorhanden ist und immer häufiger abgerufen wird. Was den konkreten, tödlichen Gewaltausbruch auslöst, ist häufig unberechenbar. In diesem Fall war es ein verbaler Streit über den Begriff Skinheads, in dem die Täter wohl ihre Ehre verletzt sahen. Das genügte als Tatmotiv und zeigt wie gering rechte Hemmschwellen sind. Der Mensch in seiner Einzigartigkeit und Unverletzbarkeit gilt denen nichts - es ist unfassbar.

Unerträglich traurig ist es, wenn daraufhin der Schleswiger Rathaussprecher Herr Thorsten Dahl bei diesem Verbrechen von einer "Verkettung unglücklicher Umstände" spricht und somit die rechte Gewalt in Schleswig als bedauerlichen Betriebsunfall herunterspielt. Anschließend stellt Herr Dahl das Opfer als einen unkultivierten, schmarotzenden Sozialhilfeempfänger dar, weil er in Schleswiger Amtsstuben Aufsehen erregt hat. Zitat: "Er ist bei uns äußerst unangenehm aufgefallen." Der Mann habe beim Sozialamt Leistungen beziehen wollen, obwohl man herausgefunden hatte, dass er eine Wohnung in Köln bewohnt. In "sehr ruppiger Form" habe er die Sozialamts-Mitarbeiterin verbal angegriffen.

Was hätte dieser Rathaussprecher gesagt, wenn das Opfer z.B. ein bekannter Lokalpolitiker oder ein leitender Beamter gewesen wäre, der z.B. am selben Tag wegen Fahrerflucht nach einem Blechschaden aufgefallen wäre? Wie schnell wäre ein solcher Rathaussprecher wegen übler Nachrede und Verunglimpfung eines Toten an den Pranger gestellt worden!

Nicht nur uns erscheint das Verhalten von Herrn Dahl unerträglich, wie die Proteste von Bürgerinnen und Bürgern zeigen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Sie als Oberhaupt der Stadt sich bisher nicht zu dem gewaltsamen Tod des 45jährigen durch Schleswiger Skinheads geäußert haben und dass Sie nicht zu den skandalösen Äußerungen Ihres Rathaussprechers Stellung bezogen haben. Wir fordern Sie daher hiermit auf,

Durch unsere Kritik am Verhalten des Schleswiger Rathaussprechers wird kein Mensch wieder lebendig. Aber wenn wir nicht endlich unser Denken bei Verbrechen dieser Art und unseren Umgang mit den Opfern und Tätern ändern, werden Skinheads oder andere Rechtsextremisten schon bald ein weiteres unschuldiges Opfer fordern. Der gewaltsame Tod in Schleswig ist ein Angriff gegen uns alle und gegen die Demokratie - es hätte jede/n von uns treffen können!

In Erwartung Ihrer baldigen Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen,

PDS Schleswig-Flensburg, 22.9.00