Betrieb & Gewerkschaft

Mutter Babcock schlägt "arrogante" Tochter HDW

Conti success für Babcock-Konzern - Andauernder Erfolg für HDW-Belegschaft?

Der Besuch der Weltschiffbaumesse SSM in Hamburg fiel für die Aufsichtsräte der HDW ins Wasser. Der HDW-Aufsichtsrat tagte am 28.9. in Kiel und beschloss den Vorstandswechsel: Drei der vier HDW-Vorstände wurden entlassen. Bleiben durfte nur einer: Der für den Handelsschiffbau zuständige Vorstand war von Babcock selbst vor 9 Monaten eingestellt worden.

Neuer HDW-(Interims-)Vorstandsvorsitzender wird Prof. Dr. K. Lederer, der auch weiterhin der Boss vom Babcock-Konzern bleibt. Für den Bereich Finanzen/Controlling/Sonderaufgaben hat er einen Bekanten mitgebracht: H.-J. Schmidt hat gerade die Liquidierung der Noell-Gruppe abgeschlossen: "Ich war gerade frei und bereit für neue Aufgaben", so Schmidt auf der HDW-Betriebsversammlung am 4.10. Umgesehen wird sich noch nach einem Militärspezialisten, so K. Lederer am 28.9. vor leitenden Angestellten der HDW. Der bisherige Vorstandsvorsitzende D. Rathjens war 30 Jahre bei HDW und galt als der Akquisiteur für Kriegsschiffe. Den Leitenden gegenüber begründete K. Lederer den Vorstandsrausschmiss auch mit dessen Arroganz gegenüber der Konzernleitung. Eine Tochter dürfe arrogant sein, wenn sie Leistung bringe und in der Lage sei, Probleme selbst zu lösen. Der HDW-Vorstand sei dazu nicht in der Lage gewesen, und darum habe die "Mutter" Babcock so handeln müssen. (Zum aktuellen Hintergrund vgl. letzte LinX).

Babcock-Rettung durch Griff in die HDW-Kasse?

Doch neben den hohen Verlusten beim Bau der Superfast-Serie können auch die Babcock-Probleme für HDW zum Problem werden. Der Konzern scheint Cash-flow-Schwierigkeiten zu haben. Gegen Vergleiche mit den Cash-flow-Problemen, die 1996 zum Konkurs des Bremer-Vulkan-Verbund geführt haben, verwahrt sich der neue Vorstandsvorsitzende der HDW, der auch weiterhin Vorsitzender im Konzernvorstand bleibt.

Fakt ist: Kurz vor seiner Entlassung soll der HDW-Vorstand in einem Brief Kritik am Cash-Managment-System der Babcock-Konzernleitung geäußert haben. Daraufhin sollen Banken nervös und Lederer & Co. entsprechen aktiv geworden sein.

Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der HDW haben den "Umsturz" kurz entschlossen mitgetragen. Die "Erklärung der Arbeitnehmervertreter im HDW-Aufsichtsrat" dokumentiert LinX hier - vorerst kommentarlos.

Kooperation als Rettung?

Aus den Belegschaftsvertretungen - IG Metall Vertrauensleutekörper/VK-Leitung oder Betriebsrat - sind auf der Werft keine schriftlichen Stellungnahmen bekannt. Die Vertrauensleute der IG Metall wurden von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat - im Beisein vom neuen Vorstand (!) - noch am Tag des "Umsturzes" in einer Versammlung informiert. Die Belegschaft wurde auf einer Betriebsversammlung am 4.10. informiert. Es kamen mehr als sonst üblich zur Versammlung. "Neues gab es da nicht!", so die Kommentare danach. Die Beihilfe zur Entlassung des Vorstandes durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat kam für viele überraschend. Die Kommentare reichen von "Es wurde auch Zeit, dass aufgeräumt wird!" bis "Die (Arbeitnehmervertreter) haben die Fahne schnell in den Wind gehängt!" Hoffen und harren!

Wer "abgeräumt" oder "aufgehenkt" wird ist noch offen. Den Führungskräften ist von K. Lederer ein "Screening-Prozess" angedroht worden, den Werkern Arbeit: "Massenentlassungen sind absoluter Quatsch!" so K. Lederer. Die - falsch kalkulierten und nicht "durchkonstruierten" - 6 SF-Fähren müssen mit einem mehr als doppelt hohem Stundenvolumen abgearbeitet werden.

"Conti Success" beim Screening und im Arbeitsprozess?! Auf jeden Fall ein voller Erfolg für die Babcock-Kasse: Das geplante Jahresergebnis der HDW (Umsatz rd. 1 Mrd. Euro) soll für das Geschäftsjahr 1999/2000 um rd. 5 Mio. Euro höher als geplant ausfallen.

(w. jard)


Dokumentiert:

Erklärung der Arbeitnehmer-Vertreter im HDW-Aufsichtsrat zur Zukunftssicherung der HDW AG und zum Erhalt der Arbeitsplätze und der Sicherung des Universalkonzeptes

Die Arbeitnehmervertreter unterstützen die jetzt eingeleiteten Veränderungen in der Führungsstruktur der HDW AG als Beitrag zum Erhalt des Marine- und Handelsschiffbaus und damit zur Sicherung der Arbeitsplätze.

"Conti success" - auch für die Belegschaft? (Foto: w. jard)

Die sich in den vergangenen Monaten permanent weiter zuspitzende Verlustsituation bei den Superfast-Ferries könnte zu einer ernsthaften Bedrohung der weiteren Existenz des Handelsschiffbaus der HDW führen. Angesichts dieser Lage besteht aktuell dringender Handlungsbedarf. Die Entscheidungen des Aufsichtsrates stellen nach Auffassung der Arbeitnehmervertreter einen wichtigen ersten Schritt zur Sicherung des Handelsschiffbaus und zur Aufrechterhaltung des Universalwerftkonzeptes dar.

Der aktuell umfangreiche Auftragsbestand der HDW führt zu einer längerfristigen Auslastung sowohl des Marineschiffbaus als auch des Handelsschiffbaus. Dadurch können die vorhandenen Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden.

Zur Sicherung der Arbeitsplätze ist das Universalwerftkonzept bereits ab 1996 durch eine Vielzahl von Konzeptionen und Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und IG Metall einerseits und Unternehmensleitung andererseits begleitet worden.

Das "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit auf HDW" sowie die Geschäftsoptimierungsprozesse, Struktur- und Organisationsveränderungen hatten das Ziel, die Produktivität zu erhöhen und den Handelsschiffbau langfristig zu sichern. Die Belegschaft hat dabei ihren Beitrag zur Umsetzung des Konzeptes geleistet.

Der Umstand, dass die ebenfalls vorgesehenen begleitenden unternehmerischen Maßnahmen nicht konsequent umgesetzt wurden, hat zu der jetzigen angespannten Situation des Unternehmens geführt.

Die Erkenntnisse über den sich abzeichnenden Umfang der Verluste bei der Abwicklung des Auftrages der sechs Superfast-Fähren ändern aus der Sicht der Arbeitnehmervertreter nichts an der grundsätzlichen Fähigkeit und Kompetenz des Unternehmens und seiner Belegschaft, auch künftig Handelsschiffe zu bauen. Zur dauerhaften Sicherung und Nutzung dieser Fähigkeiten und Kompetenzen bedarf es - über die Veränderung der Führungsstruktur hinaus - dringend zielgerichteter Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmens- und Arbeitsorganisation, der Planung und des Mitarbeitereinsatzes, der Auftragsakquisition und -kalkulation sowie des Controllings.

Auch künftig wird es unabdingbar sein, sowohl Produktionskapazitäten als auch Personal im Marine- und Handelsschiffbau zur wechselseitigen Nutzung bzw. zum Austausch einzuplanen, um Überlasten zu vermeiden und Unterauslastungen auszugleichen.

Kiel, 28.9.2000

Wolfgang Mädel, Herbert Baresel, Holger Staade, Ernst A. Kiel, Claus Peter Harm, Manfred Holub, Nikolaus Schmidt