Betrieb & Gewerkschaft

Dokumentiert: Medienerklärung der PDS AG Betrieb & Gewerkschaft zur Debatte um das Ladenschlussgesetz im Bundesrat

Kein triftiger Grund für weitere Deregulierung

Angesichts der Debatte im Rahmen des Bundesrates um das Ladenschlussgesetz am 29.9.2000 erklärt die PDS AG Betrieb & Gewerkschaft:

Auch wenn die Frage des Ladesnschlussgesetzes heute zunächst in die Arbeitsgremien des Bundesrates verwiesen worden ist und keine Einigung erzielt wurde, besteht weiterhin die Gefahr einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten.

Wir sehen aber keinen triftigen Grund, das Ladenschlussgesetz vom April 1996 durch eine weitere Ausweitung der Öffnungszeiten oder noch großzügigere Ausnahmeregelungen beim Verbot der Sonntagsöffnungen zu novellieren.

Die PDS-Fraktionen im Bundestag und in den Länderparlamenten werden aufgefordert, sich für die Beibehaltung der derzeit gültigen Gesetzeslage einzusetzen.

Sollten Bundesregierung, Länderregierungen, Bundesrat und Arbeitgeberverbände dennoch versuchen, das Ladenschlussgesetz zu verschlechtern, so ruft die PDS AG Betrieb & Gewerkschaft dazu auf, die Aktionen der Gewerkschaften hbv und DAG massiv zu unterstützen.

Hierbei geht es nicht nur um die ca. 2,8 Mio. abhängig Beschäftigten im Einzelhandel und ihre Familien, denen mit einer Ausweitung der Öffnungszeiten noch mehr als bisher die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschwert wird. Ausweitung in diesem Bereich wird Ausweitung in anderen Bereichen nach sich ziehen.

Die Fakten, die sich seit der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten mit der derzeitigen gesetzlichen Regelung ergeben haben, geben keine Begründung für eine weitere Ausweitung her.

Das belegen - entgegen der veröffentlichten Meinung in der Bundesrepublik - auch die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien zur Bilanz des Ladenschlussgesetzes des Instituts für Wirtschaftsforschung München (ifo) sowie der Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs) vom Oktober 1999. So stellt das ifo fest:

Letztlich bestätigt ifo hiermit die gewerkschaftliche Position : Den Kunden fehlt das Geld, nicht die Zeit zum Einkaufen.

Weiter stellt ifo-München fest: Zwischen 45-50% der Verbraucher nutzen die längeren Öffnungszeiten nie, nur 10% nutzen sie wöchentlich, aber dafür müssen fast eine Million Einzelhandelsbeschäftigte abends und am Samstag bereitstehen. Dazu im Einzelnen:

Bei Einkäufen nach 18.30 Uhr bzw. nach 14 Uhr am Samstag werden die Geschäfte in der City, auf der grünen Wiese und großflächige, filialisierte Verbrauchermärkte/SB-Warenhäuser bevorzugt. Kleinere Gemeinden und kleinere Nachbarschaftsläden gehen leer aus.

Die maximal mögliche Nutzung von 80 Stunden wird im Durchschnitt aller Betriebe nicht annähernd erreicht. Die überwiegende Zahl der Betriebe hat Öffnungszeiten bis zu 59,5 Stunden. Nur 21,3% öffnen 60 Stunden und länger. Von den Vertriebstypen öffnen am längsten die SB-Warenhäuser/Verbrauchermärkte mit insgesamt 62,3 Stunden.

Vernichtend ist die Bilanz hinsichtlich der Arbeitsplatzentwicklung seit der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten 1996. 50.000 Arbeitsplätze mehr hatten im Jahre 1996 die Befürworter einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten versprochen.

Die Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs) stellt fest:

Mit einer Ausweitung der Arbeitszeiten generell, mit einer Zunahme flexibler Arbeitszeiten und einer Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse haben die Einzelhandelsbeschäftigten und ihre Familien deutliche Verschlechterungen ihrer Lebensbedingungen hinnehmen müssen. Bezeichnend ist das Beispiel eines Sportvereins, der seine Frauen-Handball-Mannschaft vom Punktspielbetrieb zurückziehen musste, da diese aus Verkäuferinnen bestand, und damit nie komplett auflaufen konnte.

Neben den angeführten sozialen und wirtschaftlichen Fakten, die gegen eine weitere Ausweitung der Ladenöffnungszeiten sprechen, stellt sich also die grundsätzliche Frage, wie weit es eine Gesellschaft zulässt, dass immer mehr abhängig Beschäftigte durch die Folgen einer so genannten Liberalisierung von Dingen wie Teilnahme an Kultur, Sport und selbstbestimmter Freizeitplanung ausgeschlossen sind.

Die PDS AG Betrieb & Gewerkschaft wird auf dem Cottbusser Parteitag der PDS im Oktober 2000 einen Initiativantrag einbringen, der die hier dargelegten Positionen zum Inhalt hat.

PDS Bundes-AG Betrieb & Gewerkschaft, 30.9.2000

Zum Thema Ladenschluss vgl. Artikel in letzter LinX