Betrieb & Gewerkschaft

Ladenschluss - der (traurige) Stand der Dinge

In der Ausgabe 29 schreibt der "Spiegel", dass sich Wirtschafts- und Arbeitsministerium intern auf zwei mögliche Varianten zur weiteren Lockerung der Ladenschlusszeiten geeinigt hätten: (a) an Werktagen Öffnungszeiten bis 22 Uhr, an Samstagen bis 18 Uhr; (b) die kleine "Expo-Lösung": wochentags bis 21 Uhr, Samstags bis 20 Uhr. Anfang September solle das frühestens präsentiert werden. Das ist dann auch geschehen. Die Wirtschafts-Staatssekretärs-Runde der Länder einigte sich darauf, eine Initiative mit der Lösung (a) zu starten.

Am 6.9. griff Bundeskanzler Schröder ein. Es gebe jetzt keinen Handlungsbedarf zu der Frage. Und fast alle können sich vorstellen, dass er und auch der Wirtschaftsminister befürchten, die Widerstandsfronten gegen die Rentenpolitik, gegen die Verlängerung des Arbeitsförderungsgesetzes (in Bezug auf unbegründet befristete Verträge) und vielleicht auch noch beim Betriebsverfassungsgesetz könnten sich verbinden mit der gegen eine Ladenschlussänderung. Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Im schleswig-holsteinischen Landtag hat die Debatte in der SPD-Grünen-Koaltion stattgefunden. Die Grünen haben gegen die Initiative der Wirtschaftsminister gestimmt und so wird sich Schleswig-Holstein, gemäß Koalitionsvertrag, mit vier Stimmen im Bundesrat enthalten. Die Debatte im Bundesrat findet am 29.9. statt. Aber auch hier - aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Moser ist entschieden für die Freigabe der Öffnungszeiten - voraussehbar ist, es werden weitere Unterhöhlungs-Anträge kommen, obwohl die Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Berlin dem Treiben dort inzwischen Einhalt geboten haben.

Der "kleine Parteitag" der S.-H.-Grünen hatte am 24.9. zwei Anträge zum Thema zu behandeln. Ein Antrag von Landessprecher Peter Swane plädierte für die Beibehaltung des Gesetzes und die Einschränkung von Ausnahmegenehmigungen, inhaltlich ordentlich begründet u.a. mit Zahlen aus der Untersuchung zu den Auswirkungen der letzten Ausdehnung auf 20 Uhr. Diese besagen, dass sich die Verlängerung auf die Arbeitsbedingungen überwiegend nachteilig ausgewirkt, für die meisten Einzelhändler keine positiven bis eher negative Auswirkungen hatte und auf keinen Fall Arbeitsplätze geschaffen hat. Ein zweiter Antrag vom Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel forderte eine Sonderregelung für Innenstädte ab einer bestimmten Größe - entsprechend der Forderung der Wirtschaftsminister. Obwohl auch Gewerkschaftsvertreter geladen waren (welche zusätzliche Daten lieferten) und einige Redner aus der Versammlung wie Kanzler Schröder "keinen Handlungsbedarf" sahen, bekam der zweite Antrag eine große Mehrheit unter den Delegierten. Ein weiterer Antrag, ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften zu fordern (damit eben nicht einzelne Verkäuferinnen den "Buhmann" spielen müssen - vgl. Interview in diesem Heft) diente dazu vorzugeben, damit wäre der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schon ausreichend entgegengetreten.

Im Landtag wird es in den nächsten Wochen erneut eine Diskussion auf Antrag der FDP geben. Dort wird dann der oben genannte Beschluss des "kleinen Parteitags" der Grünen als gemeinsamer Antrag der Koalition eingebracht werden. (Hentschel: "Weil die SPD keinen anderen hat.") Dabei sind die Grünen auch noch stolz darauf, dass sie die gleichen Forderungen haben wie der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) und die Vereinigung der Mittel- und Großbetriebe im Einzelhandelsverband (Kaufhäuser und Filialisten).

Die PDS Schleswig-Holstein hat sich klar gegen jede Ausweitung des Ladenschlusses ausgesprochen und ist eher für Einschränkung - aber das ist bei den demokratischen Sozialisten (noch) nicht in allen Bundesländern so eindeutig der Fall.

(brg)

Kommentar zum Thema

Interview mit einer betroffenen Buchhändlerin aus Kiel