Internationales

Bolivien:

Krieg um Wasser und Koka

Zu den Menschen, die Ende September aus aller Welt nach Prag kamen, um gegen die Politik von Internationalem Währungsfond zu protestieren gehörte auch Leonida Zurida Vargas aus Bolivien. Die 45jährige vertrat ein Bündnis aus Bauernorganisationen und Gewerkschaften, das in der Provinz Cochabamba derzeit gegen Wasserprivatisierung und die Repressionen gegen die Kokabauern kämpft.

(wop)

LinX: Bolivien erlebt in diesen Tagen heftige Zusammenstöße zwischen der Bevölkerung auf der einen Seite und Polizei und Militär auf der anderen. Worum geht es?

Leonida Zurida Vargas (LV): Begonnen hat alles, als Anfang April die Menschen in der Stadt Cochabamba begannen, sich gegen den Verkauf der Wasserwerke zu wehren. Sie sollen an Aguas del Tunari verkauft werden, hinter denen der Bechtel Konzern aus San Francisco steckt. Bisher zahlen die Menschen in Cochabamba pauschal 20 Bolivianos (ca. 7 DM) im Monat für Wasser. Nach der Privatisierung soll der Preis auf 180 (63 DM) Bolivianos steigen. Zum Vergleich: Ein ausgebildeter Arbeiter verdient gerade 450 Bolivianos im Monat. Der Hohn ist, dass die Regierung für den Verkauf der Wasserrechte zunächst kein Geld erhält, sondern dies erst aus den Erträgen des dann privatisierten Unternehmens bezahlt wird.

LinX: Was genau ist im April passiert?

LV: Es fing an mit einer Mobilisierung in Cochabamba, weil das Gesetz 2029 uns die Rechte an den Bewässerungssystemen nimmt, die wir gebaut haben, die Auffangbecken, das Verteilungssystem. Und weil alle Wasser brauchen, war es einfach, die Menschen zu mobilisieren. Zunächst ging es nur um das Wasser, aber die Kämpfe haben schnell auch andere Sektoren mit einbezogen, vor allem im öffentlichen Dienst. Nach einigen Tagen, gab es Gespräche zwischen der Regierung und der Kirche. Und dann hat die Kirche gesagt, es gibt eine Lösung. Und dadurch hat die Mobilisierung erst einmal nachgelassen.

Aber die Versprechen der Regierung waren eine große Lüge, nur eine Taktik, um die Streiks zu beenden. In diesen neun Tagen hatte es viele Verwundete gegeben, Hunderte wurden in die Gefängnisse geworfen, ein Mensch starb. Die Regierung hatte das Kriegsrecht verhängt.

LinX: Seit Mitte September gibt es wieder heftige Proteste der Bevölkerung.

LV: Ja, seit dem 18.9. Sieben Menschen sind dabei bereits von der Polizei getötet worden. Die Leute sind aufgebracht, weil das gleiche Gesetz unter anderem Namen eingeführt wird und auch die anderen Forderungen der Volksbewegungen vollkommen ignoriert werden. Eine davon ist z.B., dass nicht wie geplant drei neue Militärbasen gebaut werden, sondern das Geld statt dessen für Schulen und Universitäten ausgegeben wird. Auch die Lehrer und Professoren haben sich z.B. angeschlossen. Sie haben in diesem Jahr nur 2% Gehaltserhöhung bekommen, was weit hinter der Inflation zurück bleibt. Schon jetzt reichen ihre Gehälter kaum aus, auch nur die grundlegenden Bedürfnisse zu decken.

Ein anderer Aspekt ist die Zerstörung von Kokapflanzen, mit der die Regierung trotz des Widerstandes fortfährt.

LinX: Die Vergiftung der Kokapflanzen?

LV: Ja. Sie nennen es "Plano Dignidad - Plan der Würde". Er sieht vor, dass die Kokapflanzen vernichtet und die Bauern aus der Region Chapare vertrieben werden sollen. Chapare ist ein Teil Cochabambas. Unser Problem ist, dass es auf der einen Seite die Nachfrage für Koka gibt aber auf der anderen wenig Alternativen für uns zum Kokaanbau. Man müsste also die Nachfrage stoppen, wenn man wirklich etwas gegen den Drogenhandel unternehmen will.

LinX: Sie können keine anderen Produkte anbauen, weil es keine Märkte für sie gibt?

LV: Die Regierung hat uns geraten, Maracuya, Ananas, Gurken und ähnliches anzubauen. Wir haben es versucht, aber keiner wollte uns die Sachen abkaufen. Der Regierung fällt nicht viel mehr ein, als uns aus dem Gebiet zu vertreiben.

LinX: Inwieweit ist die Weltbank an solchen Projekten beteiligt?

LV: Die Hauptrolle von Weltbank und IWF besteht darin, dass sie die Regierung unterstützt mit finanzieller Hilfe und Krediten. Aber in die Wasserprivatisierung ist sie ganz konkret verwickelt, auch wenn sie jetzt meint, mit all dem nichts zu tun zu haben. 1996 wurde dem Bürgermeister Cochabambas klargemacht, dass er nicht mit weiterer Unterstützung durch die Weltbank rechnen könne, wenn das Wasser nicht privatisiert wird. Im Juli 97 wurde der Regierung von der Weltbank klar gemacht, dass es ohne die Privatisierung des Wassers in Cochabamba keinen Schuldenerlass geben würde. Und noch im April meinte Weltbank-Präsident Wolfensohn auf einer Pressekonferenz in Washington, dass die Wasserpreise in Bolivien steigen müssten, damit die Verschwendung aufhöre.