Ratssplitter

Die neoliberale Deregulierung namens Verwaltungsreform, sehr gern auch mit dem Global-Qualitätssiegel "Modernisierung" versehen, geht einfach zu langsam, darin sind sich alle Ratsfraktionen einig. Ausnahmsweise ist hierbei einmal der Ober-Modernisierer Gansel ein Bremsklotz. Der OB sträubt sich gegen eine allzu rasche Verwaltungsreform, weil das "zu viel Unruhe" unter seine dienstfertigen Getreuen bringt. Dagegen muss man "Führer-, äh, ich meine Führungsstärke beweisen", empfiehlt CDU-Ratsherr Weyher. "Konsequente Aufgabenkritik", so nennt man heute das von den Verwaltungsmitarbeitern geforderte Sägen am eigenen Arbeitsplatz-Ast, sei "eine permanente Aufgabe". Allein über den Zeitplan dieser permanenten Konterrevolution waren sich die Fraktionen in der Ratsversammlung vom 21.10. nicht einig. Soll da nun 2010 als Zielmarke im die Deform beschleunigenden Antrag "Stadtverwaltung 2010" von SPD und SUK stehen oder doch lieber ein früheres Datum? Lassen wir's bei 2010, so der endgültige Beschluss. Die "Festlegung der Kernaufgaben" und die daraus folgende "reduzierte Personalstärke" liegt eh schon fest: So wenig wie möglich! Nur die Grünen entdecken nochmal kurz ihre soziale Ader. Kernaufgaben seien "nicht nur die Pflichtaufgaben", meint Lutz Oschmann, die Kommunalpolitik müsse ihren Gestaltungsspielraum bewahren. Gansels neuer Haushalt spricht (wie der alte) allerdings schon eine ganz andere Sprache (vgl. Artikel in diesem Heft).

Sie machen vieles mit, die Grünen, aber beim Thema CO2, da haben sie dann doch ihr unbeugsames Öko-Gewissen. "Die Ratsversammlung möge beschließen: Die Ratsversammlung bekräftigt ihren Beschluss vom 17.11.94", so hebt der am Ende der kurzen Debatte in den Umweltausschuss überwiesene Antrag der Grünen an. Damals hatte man unter dem Eindruck der Klimakonferenz von Rio de Janeiro (1992) Kiel zur "Klimaschutzstadt" erklärt. Allerdings folgenlos, denn jetzt muss man ja den Beschluss von damals nochmal beschließen (bzw. in den Ausschuss überweisen, um ihn dort nicht zu beschließen), dass bis 2005 der Ausstoß des Treibhausgases CO2 um 25% reduziert werden soll. Irgendwie ist das nicht mehr zu schaffen, da müsse man "ohne Augenwischerei ehrlich sein", meint die SPD, denn im Zeitraum 1990-1997 hat sich die Kieler CO2-Emission um 2% erhöht, statt sich, wie beschlossen, zu verringern. Die SPD schlägt vor: Wollen wir es nicht bei einer Reduktion von 5% belassen, wenn wir 25% nicht schaffen, obwohl das "nicht befriedigend" sei. Die Logik, die Ratsherr Konrad Wetzel dafür entwickelt, ist mal wieder sehr spezialdemokratisch: Kiel stehe "gar nicht so schlecht da", denn man habe im Vergleich mit dem Bundesgebiet "auf einem sehr niedrigen Level" mit der Reduktion begonnen. Da lasse sich also nicht mehr viel reduzieren, denn: "Wir haben keine rotte Industrie wie im Osten, die wir abschalten könnten, um große Reduktionsraten zu erzielen." Reduktionspotenziale sieht Wetzel dagegen in einer "Stadt der kurzen Wege". Längere Ladenöffnungszeiten in Kiel würden die Autofahrer davon abhalten, nach Raisdorf zum Einkaufen zu fahren. So geht das also: Kapitalismus für Klimaschutz. Schräger ist nur noch die CDU drauf. Ihr ist der grüne Antrag "zu allgemein", deshalb werde sie ihn ablehnen. Noch halbwegs sachlich weist Fraktionschef Wulff darauf hin, dass man ja nichts machen könne: "Das meiste CO2 kommt aus privaten Haushalten, auf die wir keinen Zugriff haben." Wie man wirklich die Umwelt schützen kann, weiß hingegen der CDU-Ratsherr Rogacki. An die Adresse der Grünen empfiehlt er: "Sie hätten sich die Kopien des alten Beschlusses sparen können, das wäre ein weitaus besserer Beitrag zum Klimaschutz gewesen als Ihr Antrag". Richtig, denn auch das von Fotokopierern emittierte Ozon ist ein Treibhausgas.

(jm)