Betrieb & Gewerkschaft

IG Metall Aktion "Rettungsboot":

Tai-Chi für den Schulterschluss gegen Südkorea

EMB und CESA trainieren weiter - für den Handelskrieg!

"Arbeit für die Werften - Zukunft für Europa". So lautete am 5.11.1999 das Motto zum 1. Europäischen Aktionstag für den Schiffbau, den der Europäische Metallarbeiterbund (EMB) und die IG Metall Küste organisiert hatten.

Mit diesen Forderungen wurde das vereinzelte und gespaltene maritime Kapitalistenlager von IGM/EMB zum Jagen getragen. Das Committee of E.U. Shipbuilder's Associations (CESA) unterstützte in einer gemeinsamen Erklärung mit dem EMB die in 12 Schiffbaunationen organisierten Kundgebungen: 120.000 Beschäftigte von Werften und Zulieferbetrieben demonstrierten gemeinsam mit den Unternehmensleitungen, welche sich meist bei der Lohnfortzahlung für die "Streiks" nicht lumpen ließen. "Für die Zukunft des Schiffbaus in Europa" wurden insbesondere gegen das "Dumping-Land" Südkorea scharfe Töne angeschlagen.

In 2000 hat Südkorea mehr als die Hälfte der Handelsschiffneubauaufträge an Land gezogen und Japan auf den 2. Rang verwiesen. Den südkoreanischen Werften wird vorgeworfen - mit staatlich gestützten Dumpingpreisen - bei den Baukosten Verluste von 11-32% hinzunehmen, um ihre Marktanteile zu sichern.

Ein Containerschiff ist in Südkorea 40% billiger als in der EU. Das freut besonders die marktbeherrschenden europäischen und amerikanischen und wohl auch japanischen Reeder, die allesamt Hauptnutznießer der weltweit (unterschiedlichen) Subventionspraktiken waren und sind. Auch die Zulieferer der Schiffbauindustrie, die im Verband der maritimen Ausrüster (Emec) organisiert sind, sind in Korea beteiligt: 60% beträgt der Exportanteil der Ausrüster, mit zunehmender Tendenz. Südkorea hat mit dem Einstieg in den Passagier- und Kreuzfahrerschiffbau begonnen, bisher mit über 80% Weltmarktanteil eine Domäne der EU-Schiffbauer.

Dumpf gegen Dumping - Schattenboxen für Subventionen?

Aus berechtigter Sorge über einen weiteren Kapazitätsabbau - der seit 1998 in der BRD stagnierte - bemüht sich die IG Metall zusammen mit der ÖTV (auf EU-Ebene EMB und ITF) unter dem Begriff "Maritimes Cluster" (Schiffbau, Schifffahrt, Häfen und Verkehr) Kampagnen und Aktionen zur Sicherung der maritimen Wirtschaft zu initiieren und umzusetzen. Als Erfolge seit dem 1. Aktionstag werden gehandelt:

Die Schiffbaubranche gilt weltweit bis 2003 als gut ausgelastet und auch deutsche Werften profitieren vom Boom. Trotzdem im Herbst Schlagzeilen in der bürgerlichen Presse wie "IG Metall hat Koreas Schiffbau im Auge" und "Werften machen Front gegen Korea". Frank Teichmüller, Bezirksleiter der IG Metall Küste am 26.9. am Rande der Schiffbaumesse in Hamburg: "Die EU-Kommission wie auch die Mitgliedsländer müssen Korea durch geeignete Maßnahmen deutlich machen, dass deren Expansions- und Dumping-Preispolitik nicht länger akzeptiert wird." Daneben fordern IGM und ÖTV die von der EU verordneten Kapazitätsbeschränkungen (EU-Mittel für Ost-Werften) für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern aufzuheben. Diese "neuen" Kompakt-Werften müssen die Produktivitätssteigerungen (Beispiel "Volkswerft-Stralsund": Arbeitsaufwand/cgt 1996 23,8 Std., 1999 15,20 Std.) durch mehr Aufträge "auffangen" oder Leute entlassen.

Die CESA hat am 24.10. bei der EU-Kommission formelle Beschwerde gegen Südkorea eingereicht. Sie beklagen weltweite Wettbewerbsnachteile wegen der "Subventions- und Dumping-Praxis" der südkoreanischen Werften. Der "Dialog" mit Südkorea gilt als gescheitert und es wird eine Klage der EU bei der Welthandelsorganisation (WTO) angestrebt.

1986: Beschwerde gegen Deutschland erfolglos

Die Erfolgsaussichten derartiger Klagen sind in Kiel bekannt: Dezember 1986 reichte Dänemark Beschwerde bei der EU-Kommission ein: gegen die BRD! Anlass war der Bau von 5 Containerschiffen auf deutschen Werften für die American President Lines (APL): 3 auf der HDW, 2 auf dem Bremer Vulkan. Aus Nato-Mitteln sponsorte das "Verteidigungsministerium" den Auftrag mit 25 Mio. DM pro Schiff. Der damals noch staatlichen HDW wurde - im Zusammenhang mit dem APL-Auftrag - das Grundkapital um 150 Mio. DM auf 310 Mio. DM erhöht. Der Bremer Senat beteiligte sich an der Auftragsfinanzierung beim Bremer Vulkan. Die Klage Dänemarks war erfolglos: Die Kapitalaufstockung zwecks Ausgleich für den einkalkulierten Verlust und der NATO-Beitrag entzogen sich dem Zugriff der EU. Die staatliche Rettungsaktion für die am Rande des Konkurses schlingernden Werften in Kiel und Bremen waren damals für die BRD so erfolgreich wie heute für Korea. Übrigens: Dänemark betreibt auch eine "kreative" Subventionierung ihrer Werften über die Reedereien, die oft Eigentümer oder Beteiligte der Werften sind.

Schulterschluss findet nicht statt

Die aktuelle Beschwerde der CESA und andere Aktionen in Europa gegen Südkorea kommen einem Schattenboxen gleich. Und in der WTO wird es voraussichtlich auch keinen Schulterschluss zum Handelskrieg gegen Südkorea geben. Die USA widersetzen sich seit Jahren einem OECD-Abkommen zum Subventionsabbau. Sie bauen gerade die in den 70ern gegen Null gefahrenen Handelsschiffbaukapazitäten wieder auf - mit Subventionen! Und von den IWF-Stützungsaktionen im Zusammenhang mit der letzten Währungskrise in Asien haben nicht nur die koreanischen Werftkapitalisten profitiert: Neben den Krediten amerikanischer Banken sind auch die Kredite der Commerzbank bedient worden. "Fuck IWF and WTO!" bald auch aus dem Munde europäischer Werftbosse?

Aktion "Rettungsboot" - "Trockenübung" die im Sande verläuft?

Aus Anlass der Ministerratssitzung der EU am 5.12. in Brüssel - wo die Themen "Maßnahmen gegen Korea", "Wettbewerbshilfen" und "cgt-Obergrenzen Mecklenburg-Vorpommern" behandelt werden sollen - führen EMB und CESA am 7.11. am selben Ort eine "Gemeinsame Maritime Konferenz" durch. EMB und CESA haben offensichtlich Probleme die - schwache - "Front gegen Korea" zu halten. Die IG Metall startet am 13. 11. auf der Kvaerner Warnow-Werft in Rostock die Aktion "Rettungsboot". Auf einem Tieflader wird ein Rettungsboot auf 9 Werften Station machen: Am 20.11. auf der HDW in Kiel. Die Werftbelegschaften sollen am und ums Schiff "Duftmarken" hinterlassen, zuletzt auf der Meyer-Werft in Papenburg. Endstation ist in Berlin beim Maritimen Koordinator - oder in Brüssel bei der EU? Das Rettungsboot wird also nicht kentern und sinken. Der Landtransport kann aber ein Omen für die ganze "Anti-Korea-Aktion" sein: Die vom Standort-Egoismus und nationalistischem Konkurrenzkampf getragene Aktion wird sich festfahren oder besser im Sande verlaufen.

Arbeiter der Lübecker Flender-Werft demonstrieren für Solidarität mit den südkoreanischen Kollegen (Foto: IG Metall)

Eine solidarische Initiative aus Lübeck

Einzelne Betriebsratsgremien und betriebliche Gewerkschaftsgremien sind zwangsläufig zu standortbezogenen Kompromissen "gezwungen". Derartige Kompromisse werden überall geschlossen, ob in Deutschland oder Südkorea. Auch die gelegentliche Militanz bei den Kämpfen beinhaltet i.d.R. keine internationalistische Orientierung gegen den Standort-Egoismus. In Deutschland sind linken Kräfte, die für eine solidarische, internationalistische Orientierung eintreten, schwach und atomisiert.

Eine solidarische Orientierung zur Verständigung ist bisher von der Flender-Werft in Lübeck bekannt: Der Vertrauenskörper der IG Metall hatte sich im Rahmen des 1. Aktionstags gegen die Standortkonkurrenz zwischen den Werftbelegschaften in Deutschland ausgesprochen und für eine solidarische Auseinandersetzung mit den koreanischen Kollegen geworben. Sie erhielten Antwort von der Koreanischen Metallarbeitergewerkschaft KMWF: "Unternehmer konkurrieren untereinander für bessere Profite und der Wettbewerb zwischen den Unternehmen basiert auf der Ausbeutung der Arbeiter. Trotzdem haben die Arbeiter unabhängig von ihrer Nationalität gleiche Interessen, die darin bestehen, weltweit gemeinsam gegen kapitalistische Ausbeutung zu kämpfen. Deshalb sollten sich die Arbeiter in der Welt, und speziell die Arbeiter in Deutschland und Korea gegen jegliche Interessen der Unternehmer zusammen schließen." An den heutigen Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten kann ein derartiger Zusammenschluss nicht scheitern. Eine Verständigung und Einigung an der Finanzkraft der IG Metall auch nicht - woran dann? Fragt sich der Verfasser - nicht! Und überlässt die Antwort den "aufgeweckten" Linx-LeserInnen! (w. jard)

(Zur Frage "Wie entwickelt sich die maritime Rüstungsproduktion auf EU-Ebene und warum die zuständigen Gewerkschaften diese Frage ausklammern" demnächst in der LinX.)

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