KERNspalte

Kohlendioxid-Ablasshandel von Atomenergie freihalten! Das forderten Wissenschaftler von "Scientists for Global Responsability" von der Weltklimakonferenz in Den Haag. Die verdeckte Subventionierung von Atomtechnik-Export führe zu drei Hauptproblemen: Nuklearwaffen, nuklearem Abfall und nuklearer Unsicherheit, und versperre den Weg für wirklich umweltfreundliche Energien wie Sonne, Wind, Biomasse und Kraftwärmekopplung. Wie nicht anders zu erwarten, forderte BDI-Präsident Henkel genau das Gegenteil und warnte die Klimakonferenz sogar, der Ausstieg aus der Atomenergie (den er in Deutschland ausgemacht haben will) gefährde die Ziele des Klimaschutzes. Im letzten Jahr freilich müsste das Klima im henkelschen Sinne gerettet worden sein, denn die europäische Atomindustrie konnte ihre Energieproduktion in 1999 um 13 Mrd. Kilowattstunden auf 821 Mrd. kWh steigern, vermeldet ap. Damit wurden EU-weit ca. 35% des gesamten Stroms in Kernkraftwerken erzeugt, am meisten in Frankreich (75%), dann folgen Belgien (58%), Schweden (47%), Finnland (33%), Deutschland (31%), Spanien (30%), Großbritannien (26%), am Schluss die Niederlande mit 4%. Während die aber wenigstens noch ein ganz klein bisschen Klimaschutz betreiben, herrscht in Dänemark mit 0% Atomkraft pures Treibhausklima.

Im Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle Morsleben (Sachsen-Anhalt) besteht akute Einsturzgefahr. Nun fordern die Umweltminister Sachsen-Anhalts und Niedersachsens eine rasche Stilllegung. Erstaunlich, wenn man bedenkt, mit welcher Vehemenz der marode Schacht nach seiner Annektion als Altlast der DDR von Mülllastern aus dem Westen von 1994 bis 1998 angelaufen wurde. Dasselbe niedersächsische Umweltministerium hat übrigens in Sachen Pilotkonditionierungsanlage (PKA) keinen Zweifel gelassen: Die weiteren Teilbetriebsgenehmigungen werden erteilt, auch wenn die Landesregierung eine PKA in Gorleben für "überflüssig wie einen Kropf" hält, so Staatssekretär Schulz.

Wenn es keine undichten Behälter zu reparieren gäbe, dann wolle die GNS eben mit ihrem Inventar "kalthantieren" - was bedeutet, sinnlos in der Gegend herumfuchteln. Außerdem stellte Schulz 28 weitere Glaskokillen-Transporte mit insgesamt 168 Behältern nach Gorleben in den nächsten Jahren in Aussicht.

Das Bundesumweltministerium zeigte sich dafür mal generös: Es verzichtet offiziell auf die Schadenersatzforderungen gegen 14 "TurmbesetzerInnen", die 1990 aus Protest gegen die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben auf die Schachtfördertürme stiegen und damit zu einer kurzfristigen Arbeitsunterbrechung beitrugen. Das ist an sich erfreulich, wird aber überschattet vom Beginn der Prozesse gegen die Besetzung des "Desinformationshauses" (BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg) der BLG in Gorleben im Juni 1998. Hier lauten die Vorwürfe gegen 29 Go-In-TeilnehmerInnen auf Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Die Atomkraftgegner hatten damals nach dem Bekanntwerden der Kontamination an der Außenhaut von Castorbehältern Einsicht in die Messprotokolle verlangt und - nachdem ihnen diese vom "Informationshaus" verweigert worden war - nach diesen im Gebäude gesucht. Die Bürgerinitiative fordert, statt der Besetzer lieber die Betreiber des Hauses vor Gericht zu stellen, die dort ungehindert jeden Angriff auf die Gesundheit schön reden würden.

Zeitgleich hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg die Ermittlungen gegen die Bahn AG wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz (angeregt von der BI Lüchow-Dannenberg) beim Brückenneubau in Seerau eingestellt. Die private Baustelle wird übrigens dauerhaft von staatlich bezahlter Polizei und BGS bewacht. Als weitere Peinlichkeit stellte sich in der Brücken-Angelegenheit heraus, dass sogar eine Pioniereinheit der Bundeswehr ihre Dienste beim Errichten einer Behelfsbrücke angeboten hat. Der Kreisausschuss veranlasste jedoch einen umgehenden Rückzug des Antrages, da die Verquickung staatlicher Institutionen in private Baumaßnahmen die Oberhand zu gewinnen drohte. Die Behelfsbrücke steht inzwischen, der Castor-taugliche Neubau noch nicht. Der soll und wird eine tragende Rolle spielen bei den laufenden Verhandlungen mit den Franzosen über einen konkreten Rückführungstermin für die herumlungernden Glaskokillen in Kap de La Hague. Und damit das so bleibt, kann mensch am Sonntag, dem 3.12., nach Dannenberg fahren und von Pisselberg aus ab 14 Uhr die Gleise zur fehlenden Jeetzelbrücke besichtigen - die ein oder andere Schraube soll dabei auf festen Sitz geprüft werden.

Trotz der wachsenden Kritik an der japanischen Atompolitik wurde Anfang November eine Wiederaufbereitungsanlage in Tokaimura wiedereröffnet, die mehr als dreieinhalb Jahre geschlossen war, nachdem im März 1997 insgesamt 37 Arbeiter bei einer Explosion verstrahlt worden waren. Der bekannte Unfall mit kritischer Masse im letzten Jahr geschah in einer Brennelemente-Fabrik im selben Ort.

Biblis B hatte ein Problem mit einer Kühlwasserpumpe. Aber Abonnement-Pannenmeister wird es damit nicht. Denn das bleibt unangefochten das in der Testphase befindliche tschechische AKW Temelin. Der Reaktor hat sich am 18.11. während eines Kühltests mal wieder abgeschaltet. Die wichtigste Stellungnahme dazu kam von Pavel Pittermann von der Atomsicherheitsbehörde: "Es ist absolut nichts passiert." Vermutlich handele es sich um einen Softwarefehler. Das ist wohl nicht so schlimm, weil damit die (amerikanischen) Sicherheits- und Steuereinrichtungen nur auf dem gleichen Niveau landen wie die übrige technische (russische) Ausstattung des Reaktors auch. Sie passen halt zusammen. Darüber will der tschechische Außenminister Kavan am 11.12. mit der österreichischen Regierung ganz "bilateral" reden. Abschalten sei aber kein Thema. Inzwischen erdreistete sich EU-Kommissar Günther Verheugen zu folgender Einschätzung: "Wenn alle geplanten Änderungen vollzogen sind, wird Temelin wahrscheinlich das sicherste Kernkraftwerk Europas sein." Man kann auch sagen: Erst wenn Jürgen Trittin an sich selbst alle geplanten Änderungen vollzogen hat, wird er genauso unverschämt lügen können wie Günther Verheugen. Bis dahin ist er halt in der Testphase. (BG)

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