Klimakonferenz

Was schulden die Reichen den Armen?

Andrew Simms arbeitet für die New Economics Foundation in London, wo er ein Projekt zum Thema Weltwirtschaft leitet. Die Stiftung ist sowohl wissenschaftlich aktiv als auch politisch, indem sie z.B. den britischen Zweig von Jubilee 2000, der internationalen Kampagne zur Streichung der Dritte-Welt-Schulden, koordiniert. LinX sprach mit ihm auf dem Klimagipfel in Den Haag. (wop)

LinX: Die Klimarahmenkonvention sieht vor, dass die Vertragsstaaten den Klimawandel auf der Grundlage der Gleichheit bekämpfen sollen. Schaut man sich allerdings die Verhandlungen an, ist vom Prinzip der Gleichheit, d.h. der gleichen Emissionsrechte für alle, nicht viel die Rede.

Andrew Simms (A.S.): Ich bin da etwas optimistischer. Offensichtlich sind wir im Augenblick weit davon entfernt, die Ziele der Konvention zu erreichen. Das gilt sowohl für die Stabilisierung des globalen Klima durch die Reduktion der Treibhausgasemissionen als auch für das Erreichen der internationalen Entwicklungsziele wie z.B. die Zahl der in Armut lebenden Menschen zu halbieren und ihren Lebensstandard zu heben.

Dennoch denke ich, dass die Vereinbarung, die hier wahrscheinlich erzielt wird, zum ersten Mal nackte Überlebensfragen mit der Notwendigkeit größerer Gleichheit in der globalen Wirtschaft verknüpft. Und ich denke, dass wir wirklich einen globalen Vertrag brauchen, denn ohne ihn werden wir immer das Problem jener Länder haben, die von den Klimaschutzmaßnahmen der anderen mit profitieren, aber selbst keine Anstrengungen unternehmen. Aber der Preis für ein solches Abkommen wird sein, zu akzeptieren, dass wir alle das gleiche Recht an der Atmosphäre haben. Sie ist ein Gemeingut, das niemand besitzt, aber jeder braucht. Es müssen sich also alle darauf verständigen, die Emissionen konvergieren zu lassen, bis irgendwann gleiche Pro-Kopf-Emissionen erreicht werden. Natürlich wird es eine Übergangsperiode geben müssen, die wir Konvergenz nennen.

LinX: Aber das allein reicht noch nicht, um weitere Klimaänderungen abzuwenden.

A.S.: Ja. Die Emissionen müssen natürlich insgesamt abnehmen, und zwar deutlich. Deshalb muss zur Konvergenz die Kontraktion kommen. D.h. man muss sich auf einen gemeinsamen Topf und einen Zeitrahmen, in dem dieser kontinuierlich verkleinert wird, bis wir das verträgliche Niveau erreicht haben, einigen. Unter dem Konvergenz-Mechanismus würde dann bestimmt werden, wie dieser Topf verteilt wird.

LinX: An anderer Stelle haben sie von Kohlendioxid-Schulden gesprochen. Was meinen sie damit?

A.S.: Ich denke, dass das ein guter Weg ist, den Industriestaaten ihre Verpflichtungen zu erklären. In den letzten 20 Jahren haben wir einen extremen Anstieg der konventionellen finanziellen Verschuldung vieler armer Länder gesehen. Die Gläubiger in den reichen Ländern reagierten darauf, in dem sie den betroffenen Staaten Strukturanpassungsprogramme aufzwangen. Um die Wirtschaft zu stabilisieren und den Schuldendienst zu garantieren, wurden tiefe ökonomische Einschnitte verlangt. Wir stellen die Legitimität dieser Schulden in Frage. Mehr noch, wenn wir uns die ökologischen Schulden anschauen, dann kehrt sich das Bild um. Wir sehen eine ökologische Verschuldung dort, wo Personen oder Staaten mehr Ressourcen verbrauchen als ihnen zusteht. Gehen wir nämlich davon aus, dass die Erde nur etwa die Hälfte des gegenwärtigen Konsums fossiler Brennstoffe vertragen kann und dieser natürlich auf alle Menschen gleichmäßig verteilt werden muss, dann leben die Industriestaaten hoffnungslos über ihre Verhältnisse. Wenn wir uns den Teil des Bruttosozialprodukts ansehen, der mit diesem angemaßten Mehrverbrauch produziert wird, dann haben wir die CO2-Schulden, die der Norden Jahr für Jahr bei den Ländern anhäuft, die ihren Anteil vom Kuchen nicht ausnutzen. Und die stellen alles, was es an konventionellen Schulden gibt in den Schatten. Das Problem ist, dass die Ärmsten in den ärmsten Ländern den Preis sowohl der finanziellen Schulden, als auch der Umwelt-Kredite an die reichen Staaten bezahlen. Was wir eigentlich bräuchten, wären ökologische Strukturanpassungsprogramme, die der Süden für den Norden ausarbeitet und ihm auferlegt.

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