Aus dem Kieler Rat

Das Mahnmal "Kilian" wurde gesprengt

Die Vergangenheit muss weg

Was weder amerikanische Bomben, noch britische Sprengkommandos schafften, Hafendirektor Jörg Rüdel setzt es in die Tat um: Am 23.11. wurden die letzten Reste der Ruine des U-Boot-Bunkers "Kilian" gesprengt. In die Zeiten des Kommerzes, der Wirtschaftsförderung um jeden Preis (auch um den des Rechtsbruches und der Geschichtsklitterung - LinX berichtete) passte "Kilian" schon längst nicht mehr. Der Kampf des Vereins "Mahnmal Kilian e.V." um den Erhalt der Ruine, die - auch als Kriegsgrab - wie keine andere an der Förde zum Hinweis auf den Wahn des Krieges getaugt hätte, ist verloren.

OB Norbert Gansel, als Bundeswehr-Leutnant der Reserve sozusagen der legitime Erbe des Europa verheerenden Nazi-Faschismus, fand die passenden Worte für solche Sprengung der Vergangenheit auf dem Empfang der "Kieler Nachrichten" am selbigen Tage: "Wo Neues entsteht, muss das Alte weichen." Das Alte entsteht neu, wie Gansel ebenfalls kundtut: Bei der Sprengung des Bunkers 1946 hätten die Alliierten "Deutschland schwach halten" wollen. Heute hingegen sei die erneute Sprengung "ein Signal für die Gleichberechtigung Deutschlands in Europa und im nordatlantischen Bündnis". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Nur dass die Sprengung nicht nur laufende Verfahren um die Anerkennung des "Kilian" als Kriegsgrab, sondern auch Ratsbeschlüsse untergräbt. Am 16.11. hatte die Ratsversammlung mit den Stimmen der SPD (die Grünen stimmten dagegen, weil die SPD nach wie vor für den Abriss plädierte) beschlossen, dass der Vorschlag des Mahnmal-Kilian-Vereins für einen Erhalt von Resten des Denkmals zumindest erwogen werden solle. Aber was kümmern die Ratsbeschlüsse von vorgestern, wenn die Sprengkommandos Erfolg melden? Der Vereinsvorsitzende Jens Rönnau hatte in einer Einwohneranfrage nochmals auf den Ratsbeschluss von 1996 hingewiesen, dass an Stelle des Bunkers zumindest ein Erinnerungsobjekt installiert werden müsse. Derlei ist noch nicht geschehen. SPD-Ratsherr Bernd Heinemann sah also eine "Bringschuld" der Seehafen Kiel GmbH. Die SPD wolle daher den Beschluss von 1996 noch einmal bekräftigen. Hingegen sei der Antrag der Grünen, die gefordert hatten die noch stehenden Teile nicht abzureißen, durch den "mit Recht schon erfolgenden Abriss überholt". Die CDU wandte sich wiederum gegen den SPD-Antrag, die Vorschläge des Mahnmal-Vereins zumindest "in die Überlegungen zur Schaffung eines Erinnerungsobjekts einzubeziehen". Sie beantragte die Einfügung des Satzes "Dies darf jedoch nicht zu einer Unterbrechung der jetzigen Bauarbeiten führen." Bis auf vier Gegenstimmen aus ihren Reihen folgte die SPD diesem Ergänzungsantrag.

In der Debatte hatte der grüne Fraktionschef Lutz Oschmann appelliert, der Seehafen Kiel möge zu seiner Geschichte stehen, gerade vor dem Hintergrund der Demonstration am 9.11. gegen Rechtsextremismus. Arne Wulff (CDU) dazu: "Im Moment lässt sich offenbar alles mit Rechtsradikalismus begründen. Das Mahnmal hat doch aber mit Rechtsradikalismus gar nichts zu tun." OB Gansel war der einzige, der bemerkte, wie lavierend der letztlich gegen die Grünen beschlossene SPD-Antrag war: "Die Ratsversammlung muss sich entscheiden: Wollt ihr die Ausschreibung eines Wettbewerbs zur Schaffung eines Erinnerungsobjektes oder wollt ihr, dass Teile des Bunkers stehen bleiben und der Hafenausbau gestoppt wird?" Der Kampf des Vereins um den Erhalt der Ruine war für Gansel "zwar legitim, aber zuweilen peinlich, insbesondere als Kriegstote wiederentdeckt wurden".

Nicht nur alte Ratsbeschlüsse hatte im übrigen die Verwaltung nicht umgesetzt, auch die Arbeitsplatzversprechungen, die seinerzeit gemacht wurden, um den Hafenausbau zu legitimieren, werden nicht eingelöst. "Damals wurden 500 Arbeitsplätze versprochen. Das Argument war wie ein Elfmeter ohne Torwart." In der Tat, gegen geschichtslose Wirtschaftsinteressen, auch wenn die sich nicht erfüllen, denn der Handel mit dem östlichen Baltikum, für den der Hafenausbau dienen sollte, ist seit Jahren rückläufig, hat die Auseinandersetzung mit der Geschichte eben einfach keine Chance. (jm)

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