Ratssplitter

Die Politik wird nicht nur im stillen Kämmerlein auf dem Sofa gemacht, sondern auch mit der Geschäftsordnung. Gern genommener Trick, wenn eine Fraktion mit dünner Mehrheit wegen Abwesenheit einiger Mitglieder mal gerade nicht in der Mehrheit ist: Vertagen (dazu braucht man nur 1/3 aller Stimmen). So geschehen im Innen- und Umweltausschuss, wo der dezimierten SPD drohte, dass der neue Flächennutzungsplan von der zeitweisen Mehrheit der Opposition abgelehnt wird. Klar, dass sich letztere nicht lumpen lässt und in der Ratsversammlung vom 16.11. die Beschlussfassung über den F-Plan von der Tagesordnung stimmt. Die SUK hat offenbar kapiert, wie bürgerliche Politik funktioniert. Als die SPD droht, dass dann eben eine Sondersitzung der Ratsversammlung einberufen werden müsse, kann SUK-Fraktionschef Kottek das auch nicht mehr nachvollziehen: "Eine Sondersitzung ist ein Riesenaufwand. Warum das nicht jetzt beraten? Die SUK wird zwar gegen den F-Plan stimmen. Aber wir wissen doch alle, dass die SPD den ohnehin mit ihrer Mehrheit gegen den Rest der Welt durchdrücken wird." Kottek, Sie hatten verstanden! Nur Arne Wullf (CDU) hat das Prinzip parlamentarische Demokratie inklusive Fraktionszwang noch besser begriffen: "Wenn ohnehin klar ist, wie abgestimmt wird, dann brauchen wir hier gar nicht mehr zu kommen." Genau! Wenn da nicht der Zeitdruck jener wäre, die vorbei an allen Parlamenten ohnehin schon längst beschlossen haben, was die beschließen sollen. OB Gansel: "Es ist klar, wie abgestimmt wird, warum also aus taktischen Gründen jetzt vertagen? Das wäre ein schlechtes Signal für die Investoren." Es geht um IKEA. Die brauchen dringend die Baugenehmigung, die ohne den F-Plan-Beschluss nicht erteilbar ist. Doch bevor die Politik die verschreckt, die jenseits des Politikergeschwätzes eigentlich die Politik bestimmen, gibt's halt am 4.12. eine Sondersitzung. Zu der geht LinX nicht hin. Ist ja eh klar, wie im Interesse schreckhafter Investoren abgestimmt wird.

Die Grünen beantragten eine Prüfung, ob die Stadt Kiel sich an einer Ausschreibung der EU zu "bahnbrechenden ÖPNV-Konzepten" beteiligen soll. Alle stimmten zu. Geld von der EU kriegen, egal für was, immer gut! Nur SUK-Kottek muss nochmal "auf eins hinweisen". Ob die Grünen wüssten, dass "die Amtssprache in der Ratsversammlung Deutsch" sei. Wissen sie. Trotzdem hatten sie, dafür musste "auch wieder ein Baum sterben" (Gansel zu einem anderen Antrag der Grünen, den er für das Papier nicht wert hielt, auf dem er stand), den englischen Ausschreibungstext beigefügt. Dass Kottek dieses "Fach-Englischen" nicht mächtig ist, muss an irgendsowas wie "Leitkultur" liegen.

Wozu ist eigentlich das WIBERA-Gutachten erstellt worden? Dazu, dass es mehrfach wegen hahnebüchener Fehlbeurteilungen "nachgebessert" werden musste? Die CDU will jedenfalls wissen, warum die darin vorgeschlagenen Kürzungen nicht endlich umgesetzt werden. CDU-Ratsherr Kramer weiß, dass man dem Bürger einfach nicht zu viel vorhalten darf, denn "erweiterte Angebote wecken auch neue Bedürfnisse". Also, ihr Armseligen und Gebeutelten, wendet euch bitte nicht mit jedem Psychoproblem an eine Einrichtung, die von der Stadt gefördert wird. Denn: "Die Zuwendungspraxis der SPD ist eine Altlast, die dem linken Flügel der SPD geschuldet ist." Mensch, Kramer, den gibt's doch gar nicht mehr. Oder doch? SPD-Ratsherr Raupach: "Sie zeigen mit Ihrem Antrag, wie schwach der sozialpolitische Flügel bei Ihnen ist. Es gibt für Sie nichts im sozialen Gefüge dieser Stadt, was für Sie nicht auch wegfallen könnte. Das einzige, was Sie wollen ist: 'Der Preis ist heiß'." Irre! Aber Raupach ist eben ein Oldie in der SPD. Vielleicht deren saurierhaftes soziales Gewissen?

Stadtflucht macht frei. Im Rat beriet man Maßnahmen gegen jenen Effekt, dass es besser verdienende und somit viele Steuern zahlende Ex-Kieler ins grüne Umland gezogen hat. Arne Wulff, CDU-Fraktionsvorsitzender, wusste, woran das liegt: "In den 70er und 80er Jahren hat man zu viel Fläche für sozialen Wohnungsbau verbraucht." Die fehle jetzt für 1-Familienhäuser auf Stadtgebiet. Mit dem sozialen Wohnungsbau habe man zudem "soziale Brennpunkte geschaffen, die auch nicht unbedingt gut sind für das Image der Stadt." Merke also: Wer in sozialem Wohnungsbau wohnt statt im Eigenheim ist ein Volksschädling, der gute, weil Steuern zahlende Volksgenossen aus der Stadt aller Städte vertreibt. (jm)

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