Aus dem Kieler Rat

Legal, illegal, scheißegal?

Im Vorfeld der diesjährigen Haushaltsdebatte ließ Sozialdezernentin Annegret Bommelmann die sozialen Initiativen in der Stadt mal wieder einen Blick auf die Folterinstrumente werfen. In einem Gespräch mit der KN machte sie Anfang November deutlich, dass das WIBERA-Gutachten, in dem externe Wirtschaftsprüfer für viel Geld einen Kahlschlag bei unabhängigen Beratungs- und Betreuungsstellen vorgeschlagen hatten (LinX berichtete), durchaus zu den Grundlagen ihrer Arbeit gehört. 1,6 Mio. DM an städtischen Zuschüssen sollen nach Vorstellungen der Prüfer bei Einrichtungen wie dem Mädchenhaus Lotta, der Arbeitsloseninitiative Kiel oder Ihriss, einer "Beratungsstelle für Frauen mit und ohne Psychatrieerfahrung", gestrichen werden.

Im KN-Gespräch gab Bommelmann auch erhellende Einblicke in ihr Verhältnis zu den Rechten der Bürger: Man müsse sich überlegen, ob die Arbeitsloseninitiative wirklich förderungswürdig sei. "Unser Anspruch ist eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt - nicht, wie man seine Ansprüche durchsetzt", diktierte sie der KN-Redakteurin in die Feder.

Dass das mehr war, als bloßes Säbelgerassel zeigte ein Schreiben des Sozialamts im Zusammenhang mit den Verhandlungen um weitere Zuschüsse. 32.000 DM erhält die Arbeitsloseninitiative jährlich von der Stadt, weitere Zuschüsse gibt es vom Land, wofür es allerdings eine Bescheinigung der Förderungswürdigkeit durch die Kommune bedarf. Im besagten Schreiben, das kurz vor dem KN-Interview herausgegangen war, verlangt das Sozialamt, dass im Vordergrund der Arbeit der Arbeitsloseninitiative die "Hilfen bei Eingliederung in den Arbeitsmarkt und Hilfen, um den Weg aus der Sozialhilfe zu finden" stehen müssten.

In einer Antwort an das Amt weisen Vertreter der Initiative diese Sicht zurück und stellen fest, dass ihr Beratungsangebot parteilich ist und nicht die Zielvorstellungen des Sozialamtes verfolgen kann. Die Themen würden vielmehr von den Hilfesuchenden bestimmt, wobei in 18% der Fälle durchaus auch Unterstützung bei Bewerbungen, Fortbildung u.ä. zur Beratung gehöre.

Im übrigen vermutet man bei der Arbeitsloseninitiative, dass ihre Arbeit dem Sozialamt ein Dorn im Auge ist, da Sozialhilfeempfängern geraten wird, ihre Rechte wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang weisen sie in ihrem Antwortschreiben an das Sozialamt darauf hin, dass die Gewährungspraxis des Sozialamtes häufig nicht den rechtlichen Bestimmungen entspreche:

"Hinzu kommen rechtswidrige Einsparungen durch veraltete Dienstanweisungen. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht (höchste Instanz) sowohl einen Fernseher als auch eine Waschmaschine für Alleinstehende als lebensnotwendig im Sinne des BSHG (Bundessozialhilfegesetz) anerkannt hat, das Sozialamt der Stadt Kiel (aber) immer noch Anträge ablehnt und sogar die zweite Instanz in Schleswig anruft, nachdem es zur Gewährung verpflichtet wurde!"

Diese Verbissenheit, mit der die restriktive Praxis kostenträchtig auch vor Gericht verteidigt wird, lässt vermuten, dass es nicht nur ums Geld geht. Immerhin spart das Stadtsäckel durch die Beratung der Initiative auch manches, v.a. dann, wenn Arbeitslosen Sperrfristen vermieden werden können, in denen sie sonst einen Anspruch auf Sozialhilfe hätten.

"Natürlich, wenn die Stadt grundsätzlich die Durchsetzung von Ansprüchen im sozialen Bereich verhindern will, ist eine Streichung der Zuschüsse für die Arbeitsloseninitiative der einfachste Weg", spekulierte Initiativensprecher Wolfram Otto in einem Brief an die KN. "Und die mangelnde Beratung der Ämter in diesem Bereich, belegt durch die Vielzahl der Anfragen in unseren beiden Büros, zeigt, dass dieser Weg schon seit Jahren eingeschlagen wird."

Der Zuschuss für die Arbeitsloseninitiative ist dieses Jahr noch mal bewilligt worden. Der Ton der Dezernentin lässt allerdings vermuten, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. (wop)

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