Herr, send' Hirn!

Selbst schon lange Angekommene holt manchmal noch ihre Vergangenheit ein. Auch wenn der "lange Lauf zu sich selbst" noch so "ein schmerzhafter Prozess" gewesen sein mag. "Ja, ich war militant", gestand Außenminister Josef Fischer dem "Stern". Damals in den wilden 70ern im Frankfurter Häuserkampf habe er Polizisten geschlagen und das "nicht nur in Notwehr". Heute nennt er das: "großer Fehler, schlimmer Irrtum". Bis auf die so genannte Opposition, die darob Rücktritt fordert, finden so viel Offenheit alle richtig toll. Gut, dass der Joschka drüber geredet hat. Sogar der Polizist, den Fischer damals verdrosch und dem die BILD-Zeitung die Headline "Der Außenminister hat mich gehauen" in den Mund legte, hielt Fischers Entschuldigung "für nicht das Schlechteste" Jeder habe schließlich "so seine Jugendsünden". Der Polizist, der - ein Treppenwitz der Geschichte - Rainer Marx heißt, hatte sich auf einem Foto wiedererkannt und Fischer räumte ein, "der mit dem Motorradhelm, das könnte ich sein".

Gewalt ist nicht gleich Gewalt, das muss man differenziert sehen. Der SPD-Generalsekretär Franz Müntefering fand es gut, dass Fischer "aufmüpfig" war. Denn solcherlei "Aufmüpfigkeit" kam den Kriegsanzettlern gerade recht, als nicht zuletzt Fischer es war, der die Grünen auf den Kurs brachte, ein bisschen mehr "Gewalt aus Notwehr" im Kosovo zu üben. Für die Mitverantwortung an einem Angriffskrieg war Fischer auch nach 25 Jahren noch "aufmüpfig" genug. Und dafür muss er sich auch nicht entschuldigen, denn solche Gewalt ist natürlich im Gegensatz zum Polizistenklatschen staatstragend und daher okay. Denn, so Müntefering, "inzwischen steht er seit 25 Jahren zur Demokratie".

Gewalt ist doch gleich Gewalt. Jürgen Rüttgers (CDU) meinte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Regierung, in der ein prominentes Mitglied in seiner Jugend linke Gewalt ausgeübt hat, jungen Leuten, die heute rechte Gewalt ausüben, Vorbild sein kann." Rüttgers hat freilich vergessen, dass die "Regierung" keinen ex-prügelnden Außenminister als Vorbild braucht, sondern dass sie mordenden Neonazis mehr als eine Steilvorlage geliefert hat, von A wie "Asylkompromiss" bis Z wie "Zuwanderungsgesetz". Aber, ach, das kann man natürlich in Wirklichkeit alles nicht miteinander vergleichen.

Dem Aushängeschild der Grünen hat das "Bullenbashing" freilich nicht geschadet. Manche meinen gar, Fischers Vorpreschen sei sehr schlau gewesen. Angriff ist die beste Verteidigung, das so offenherzige Geständnis eines Angriffs auch. Da könnte was dran sein, denn der "schlimme Irrtum" hat Fischers Popularität eher genützt, wenn man aktuellen Umfragen trauen darf. Im Prozess gegen seinen ehemaligen Genossen (die Bürgerpresse nennt das eher "Kumpel" und "Terrorist") Hans-Joachim Klein darf Fischer nun frank und frei seine Staatstreue beweisen. Vielleicht wird seine Aussage Klein ans Messer liefern. Als selbsternanntem ehemaligen Aktivisten wird man Fischer umso mehr glauben.

"Die Revolution ist die Manipulation der herrschenden Masse gegen die herrschende Klasse", dichtet der Kieler Countrypunkbarde BCC auf seiner neuesten LP. Ein ironischer Satz, den, wenn sie nicht so blöd wären, sicher auch die PDS-Oberen heimlich unterschreiben würden. Ungefähr genau so planen sie nämlich die "Revolution" von ehemals staatstragend zu wiederum staatstragend. Dazwischen, naja, "Jugendsünde". "Plane mit, arbeite mit, regiere mit!" empfiehlt eine Anzeige in der - leider kein Witz! - "Superillu". Zum Mitregieren haben die Ex-Sozialisten allerdings noch einen "langen Lauf zu sich selbst" vor sich. Die erste Hürde dazu nahm die stellvertretende Vorsitzende Petra Pau. In einem "Diskussionspapier" forderte sie die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern. Finde ein Ausländer nach 6 Monaten keinen Job oder habe kein Unternehmen gegründet (!), solle er ausreisen müssen. (jm)

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