Kultur

Mühsame Debatte über Kunst und Pornografie im KoKi

Ficken oder doch nur "Wölfe fangen"?

Zwei Frauen, zwei Reaktionen auf eine Vergewaltigung - baise-moi, der mit dem Lorbeer des Skandals bekränzte Film von Virginie Despentes und Coralie Trinh Thi über ein Männer mordendes Frauen-Duo, zeigt sie gleich zu Beginn. Während die eine sich schreiend wehrt, lässt es Manu (Raffaela Anderson) stoisch geschehen, denn "ihre Vagina enthält nichts von Wert, damit der Dieb nichts vorfindet", zitiert Theresa Georgen, Intendantin des Muthesius-Forums, einen Schlüsselsatz. "Nicht Vagina, Möse!", ruft man ihr aus dem Publikum zu, denn angesichts des Films, "der zeigt, wie gefickt und wie getötet wird", das weibliche Geschlechtsteil so vorsichtig zu bezeichnen, scheint irgendwie deplatziert.

"baise-moi"-Autorin Virginie Despentes

Die Diskussion um "Kunst und Pornografie" anhand von baise-moi, die das Muthesius-Forum in Zusammenarbeit mit dem KoKi anberaumt hat, ist voll von solchen Beispielen, wie schwer es ist, in einem akademischen Diskurs adäquate Begriffe für Pornografisches zu finden. Und nicht nur da. Patricia Klobusiczky, die als Lektorin des Rowohlt-Verlags die deutsche Ausgabe des Romans baise-moi betreute, berichtet von der Wochen langen Diskussion um den Titel. Vor der wörtlichen Übersetzung "Fick mich!" warnte der Vertrieb eindringlich, das bringe keine Buchhändlerin über die Lippen. So entschied man sich für Wölfe fangen, was im Französischen sprichwörtlich für "Männer aufreißen" stehe. Halbherzigkeit, Heuchelei, am Ende gar Vermeidung und Verdrängung?

Das eigentliche Thema, das Verhältnis von Kunst und Pornografie, wird immer wieder elegant oder brachial umschifft. Für Monika Frommel, Kriminologin an der Kieler Uni, ist der Fall klar: "Sexualität ist hier nur stereotype Garnierung, die einfache Umkehrung Gewalt verherrlichender Männerfilme. Klischeehaft, standardisiert, langweilig." Also Pornografie und keine Kunst? Um die Klärung, was Pornografie sei, drückt man sich herum. Aus dem Publikum schallt die alte Definition: "Zeigen der Geschlechtsteile und des Geschlechtsakts." Aber damit kommt man offenbar nicht weiter. Patricia Klobusiczky versucht eine Hilfskonstruktion: "Der Film ist ein Drittes zwischen Kunst und Pornografie."

Für den Kieler Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Wulff ist das aber gar nicht die Frage. Als einziger der Diskutanten auf dem Podium will er sich dem Film zunächst empirisch nähern, sieht darin "Punk als ästhetische Methode" und "das Spielerische von Rollen auf der Ebene der Entpsychologisierung", die seit Abel Ferraras Die Frau mit der 45er Magnum in vielen Filmen der 90er Jahre immer wieder thematisiert werde. Auch für Theresa Georgen ist die Frage "Porno oder Kunst?" eher nebensächlich. Die Debatte um "high" und "low" sei in der bildenden Kunst "längst gelaufen". Die Kategorie "Pornografie" führe wenig hilfreich zurück auf diesen bereits entschiedenen Diskurs.

Was bleibt von dieser viel unaufgeregter als die hitzigen Feuilleton-Beiträge zu baise-moi geführten Debatte? Offene Fragen. Gibt es vielleicht eine (kunstvolle) Pornografie, die statt der Objektivierung des männlichen Blicks auf den weiblichen Körper die Lust des Subjekts Frau (auch die am Zerstören) erzählt? Und zeigt das Mühsame der Diskussion erneut die Verdrängungsmechanismen beim "Thema Nummer Eins", die einen freien, unbefangenen Diskurs darüber vereiteln? (jm)

vgl. Filmbesprechung in dieser Ausgabe

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