Kommentar

Bekenntnisse eines "Mittelstürmers"

Zu früh gefreut. In der letzten LinX hatten wir getitelt: "Fraktion gegen OB?" und in der Wahl Eckehard Raupachs zum neuen Vorsitzenden der Kieler SPD-Ratsfraktion einen leichten Linksruck der so genannten "Sozialdemokraten" ausgemacht. Klar, "Linksruck", das bedeutet in der SPD eine Minimalbewegung von krass neoliberal zu Neoliberalismus "mit menschlichem Antlitz", also nichts, was wirkliche Linke als "links" bezeichnen würden. Aber jetzt zeigt sich, dass selbst das zu viel der Kaffeesatzleserei war. Das neue Gesicht zeigte unter seinem Bart sogleich seine fratzenhaften Züge, die nachbeten, was die Wirtschaft will: "Die Sicherung des Flughafens ist sowohl aus verkehrspolitischen Gründen wie als wirtschaftspolitisches Signal nötig", sagte Raupach in einem KN-Interview. An der Erweiterung des Holtenauer "Airports" führe kein Weg vorbei.

Auch zu anderen kommunalpolitischen Themen äußerte sich Raupach als treuer Vasall der Partei der "Neuen Mitte". Marinestandort: "Mir ist es sehr wichtig: Kiel ist auch weiterhin Standort für Bundeswehr." Doppelspitze beim Abfallwirtschaftsbetrieb, um den fit für die einstweilen verschobene Privatisierung zu machen: "Wenn die Verwaltung dort eine Doppelspitze für sinnvoll hält, sehe ich keinen Anlass zu widersprechen." Verhältnis zum OB: "Er hat politische Grundsätze, die ich alle im Grundsatz teile. Da gibt es keine schwerwiegenden Differenzen."

Befragt zum Thema "Neue Mitte" meinte Raupach: Im Fußball brauche man "einen starken Rechts- und Linksaußen ... und zugleich einen starken Mittelstürmer". Seine Rolle sieht Raupach offenbar in der des Letzteren. Wichtig sei, dass "alle mannschaftsdienlich spielen". Das darf man wohl so deuten, dass der "Trainer" Gansel weiter das Sagen hat und dass Raupach ihm womöglich keine Steilvorlagen liefern, aber solche vom OB im Rat zielsicher verwandeln wird.

Einmal mehr zeigt sich, dass man bei solchen Aussagen suggestive Sprechblasen wie "Wer setzt sich für die ein, die auf der Strecke zu bleiben drohen?" getrost unter "nützliches Beiwerk" verbuchen darf, nützlich im Sinne eines Beruhigungsmittels. Einmal mehr zeigt sich auch, dass man als Linker auf die SPD nicht mehr setzen kann. Okay, das ist schon lange klar, ein Narr, wer Anderes hofft. Allein, die SPD als Strohhalm zu sehen, an den sich viele Gewerkschafter immer noch klammern, als biete der Schutz gegen weitere Deregulierung und Wirtschaftshörigkeit, diese Sicht scheint einfach unausrottbar. So wird man sich mit dem "Mittelstürmer" weiter kritisch auseinandersetzen müssen, gerade als Linke, die der SPD ihre Feigenblätter wegreißt.

(jm)

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