Klimawandel

Umweltschützer:

Das Kyoto-Protokoll einschmelzen?

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Der Seattle-Effekt scheint auch die internationalen Klimaverhandlungen einzuholen. Jahrelang gingen sie von der Öffentlichkeit wenig beachtet ihren schleppenden Gang dahin, begleitet höchstens von kleineren Demonstrationen und Happenings eines harten Kern von Umweltschützern. Nun geraten sie zunehmend in den Blick einer seit den Protesten gegen das Ministertreffen der Welthandelsorganisation im US-amerikanischen Seattle im Dezember 1999 erstarkenden buntscheckigen Bewegung, deren kleinster gemeinsamer Nenner der Kampf gegen die totale Herrschaft des Marktes und die Industrialisierung der Natur ist. Die alte Bundeshauptstadt könnte daher seit langem mal wieder eine größere Demonstration sehen, wenn am 16. Juli die Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention fortgesetzt wird. In Den Haag hatte sie im November ergebnislos vertagt werden müssen.

Neben den großen etablierten Umweltverbänden wie Friends of the Earth (Freunde der Erde, in Deutschland vom BUND vertreten) ruft auch das internationale Netzwerk The Rising Tide (Die Steigende Flut) auf, an den Rhein zu kommen. Hinter letzterem verbirgt sich ein internationaler Kreis von Basisgruppen und linken Jugendverbänden, die eher auf direkte Aktionen und Druck von unten, als auf Lobby-Arbeit setzen.

Auch in Deutschland, wo die Klimaverhandlungen lange die Domäne professioneller Lobbyisten in den Umweltverbänden gewesen ist, tut sich einiges. Einige sozialistische Organisationen wie Linksruck planen, ihre Mitglieder und Anhänger nach Bonn zu mobilisieren. Vor allem aber im Spektrum der unabhängigen Umweltbewegung, die sich um die Jugendumweltprojektwerkstätten und die Zeitschrift Ö-Punkte sammelt, bereitet man sich auf den Klima-Gipfel vor.

Einige schießen dabei allerdings etwas über das Ziel hinaus: Ende Mai trafen sich in Augsburg etwa 40 Vertreter studentischer Ökologie-Gruppen und Menschen aus dem besagten Spektrum, um u.a. über die Bonner Konferenz zu beraten. Dabei kam eine Resolution heraus, die unter der Überschrift "Kyoto-Protokoll wegschmelzen - Klimakonferenz verhindern" manche berechtigte Kritik mit viel Unwissen und groben Verallgemeinerungen verbindet.

Das Kyoto Protokoll müsse verhindert werden, weil es "eindeutig auf die Interessen der Wirtschaft ausgerichtet" ist und "keineswegs zum Klimaschutz beiträgt". Die Versuche der Regierungen, sich auf Reduktion der Treibhausgase zu einigen, seien bisher regelmäßig fehlgeschlagen, so auch in Rio 1992. Was die Autoren allerdings nicht zu wissen scheinen, ist, dass 1992 in Rio in der Klimarahmenkonvention ein Einfrieren der Emissionen der Industriestaaten auf 1990er Niveau als erster Schritt beschlossen wurde. Eine Verpflichtung, die einige Jahre später stillschweigend in der Versenkung verschwand, da sie angeblich nicht bindend gewesen sei.

Zweifellos Recht haben die "Protokoll-Schmelzer" allerdings, wenn sie kritisieren, dass die 5,2% Treibhausgas-Reduktion der Industrieländer, die im Kyoto-Protokoll festgelegt wurden, vollkommen unzureichend sind. Das UN-Wissenschaftlergremium IPCC erachtet eher 80% für notwendig. Allerdings verweisen Diplomaten auch kritischer Entwicklungsländer, wie der langjährige argentinische Verhandlungsführer Raul Estrada, darauf, dass die Verhandlungen innerhalb der Rahmenkonvention nur als Prozess zu verstehen sind. Ein schlechtes Protokoll bietet immerhin die Möglichkeit, es in den ständig weitergeführten Verhandlungen zu verschärfen. Das Kyoto-Protokoll, das übrigens noch nicht rechtskräftig ist, da es die meisten Staaten noch nicht ratifiziert haben, zu Fall zu bringen, wäre also kontraproduktiv.

Angesagt wäre, mehr politischen Druck auf die entscheidenden Akteure zu machen. Für Umweltbewegungen in den Industriestaaten müsste das heißen, dass sie vor allem ihren eigenen Regierungen auf die Füße treten. Doch hier bleibt das Papier der Ökologen merkwürdig vage. Zwar wird in allgemeinen Worten angeprangert, dass die traditionellen Umweltlobbyisten sich auf die Seite der Bundesregierung geschlagen haben, doch fehlt es vollkommen an einer konkreten Kritik der hiesigen Klimaschutzpolitik.

Da fällt es dann einem "traditionellen Lobbyisten" wie Helmut Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring leicht, den Autoren "Wortradikalismus" vorzuwerfen. Zwar hält er deren Skepsis für begründet und sieht vor allem auch die Dominanz der Wirtschaftsinteressen. Allerdings beharrt er darauf, dass das Kyoto-Protokoll ein Startpunkt ist, von dem weitergegangen werden muss. Er verweist auf das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht, das zunächst auch viel zu schwach gewesen ist. Innerhalb weniger Jahre wurde es dann aber Ende der 80er und Anfang der 90er deutlich verschärft, sodass seit Mitte der 90er die wichtigsten ozonabbauenden Gase nicht mehr hergestellt werden dürfen.

Was den Klimaschutz in Deutschland angeht, müsse noch wesentlich mehr im Bereich Einsparung und Effizienz getan werden. Besonders der Straßen- und Luftverkehr sei ein großes Problem und die eingeführte Ökosteuer viel zu niedrig.

(wop)

 

Infos von Umweltschutz-von-unten-Inihaus, JUP Bad Oldesloe

Mehr Informationen über geplante Aktionen und die Diskussion um deren Inhalt und Ziel unter www.projektwerkstatt.de .

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