Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie 2001

"Ab Herbst gibt’s Druck"

Das kündigt die IG Metall in Flugblättern in den Betrieben an. Nach der 3. Verhandlung um ein neues Entgelt-Rahmen-Abkommen (ERA) hat die Verhandlungskommission der IGM ihrer Tarifkommission die Kündigung der Lohn- und Gehaltsrahmen-Tarifverträge empfohlen. Bisher waren nicht direkt kostenrelevante Themen behandelt worden. (Vgl. LinX 12/01)

Beim Thema "Leistung" hat es am 10. Juli in Bremen gekracht: Die 110.000 Mitglieder vertretende IGM Küste betrachtet die Blockadehaltung des Arbeitgeberverbands NORDMETALL als Provokation. Eine erste Zwischenbilanz ihrer "Aktion Nahaufnahme" zu den Themen "Arbeit, Arbeitsbelastung und Leistung" hat eindeutig eine gestiegene Arbeitsbelastung und eine dagegen stehende unbefriedigende Leistungsbeurteilung und Entgeltung bestätigt. Durch die Technik, insbesondere die Informationstechnologie, sowie enge Termine und kurze Projektlaufzeiten dominieren heute auch außerhalb der traditionellen Akkordbereiche in den Zeitlohn- und Gehaltsbereichen quasi Leistungsvorgaben. Arbeiten am PC kommt zunehmend der Kontrolle und dem Leistungsdruck von Fließband- und Akkordarbeit gleich. Dementsprechend fordert die IGM ein gemeinsames Leistungsentgelt für alle Arbeiter und Angestellten, mit Reklamationsrechten durch Beschäftigte und Betriebsrat. Die Kapitalisten sehen da "bürokratischen Aufwand", wollen primär Zeitlohn plus individueller Leistungszulagen über das Direktionsrecht, auf einen betrieblichen Durchschnitt nivelliert. Eine Verschlechterung für die Akkordlöhner wäre die Folge.

Die IGM-Tarifkommission wird am 11.9. die Lohn- Gehalts-Rahmen-Tarifverträge kündigen. IGM-Bezirksleiter F. Teichmüller: "Wir sind offensichtlich in einer Phase, wo wir bestehende Tarifverträge kündigen müssen, um für einen Arbeitskampf frei zu sein". Vorher ist am 29.8. noch eine 4. Verhandlungsrunde angesetzt.

Bewegt hat die "Aktion ERA" bis jetzt nur Teile der betrieblichen Funktionärsbasis im Norden: 200-300 betriebliche Funktionäre hielten Kundgebungen vor den Verhandlungsstätten ab. Im Südwesten gab es schon Bewegung und einen Abschluss: Am 5.7. stimmte im Bezirk Baden-Württemberg die Große Tarifkommission einem "TV Qualifizierung" zu, der im Norden nicht sonderlich breitgetreten wurde. Die praktischen Auswirkungen werden von Gewerkschaftern im Südwesten eher zurückhaltend kommentiert. Hat sich der stärkste IGM-Bezirk damit für diese Tarifrunde aus der "Aktion ERA" ausgeklinkt hat?

Zum Einklinken wird nun die gewerkschaftliche Basis in den fünf Tarifgebieten der Küste bewegt werden müssen. Kein leichtes Unterfangen: Die – im Verhältnis zu den exorbitanten Gewinnsteigerungen – mageren Lohn- und Gehaltsabschlüsse in den letzten Jahren und die teilweise erhebliche Kluft, die sich zwischen der IGM-Tarifnorm und Arbeitszeitrealität entwickelt hat, wirken nicht vertrauensbildend. Die – auch von den Gewerkschaften "gepflegten" – Arbeitsplatzängste demotivieren. Befürchtungen, zeitgemäß formulierte Tarifverträge mit niedrigen Entgelterhöhungen bezahlen zu müssen, sind schwer auszuräumen. Überschwang kann da nicht erwartet werden! (W. Jard)

Kontrahenten F. Teichmüller (IGM) und I. Kramer (Nordmetall) vor gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und Betriebräten
Zum "Abheben" bereit: Betriebliche Funktionäre vor Verhandlungslokal.
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