Kernspalte

Wer kennt nicht Radio Eriwan? "Im Prinzip" gibt es dort auch ein Atomkraftwerk, das einzige Armeniens. Angeblich produziert es auch noch Strom, aber falls da mal etwas passiert, wird es wohl kaum jemand erfahren, denn wegen unbezahlter Telefonrechnungen in Höhe von 45.000 DM wurden alle Telefonleitungen gekappt. Ob die Telefongesellschaft offene Stromrechnungen hat und möglicherweise im Dunkeln sitzt, ist nicht bekannt.

Am 5. September billigte das Bundeskabinett den Entwurf der Atomgesetznovelle als Teil des Atomkonsens. Kaum jemand jubelte, nur Rezzo Schlauch und Michaele Hustedt riefen einsam: "Weltweit steigt kein Land schneller aus als Deutschland". Nur 32 Jahre, davon können die Dänen nicht mal träumen...

Biblis B ist zur jährlichen Generalrevision abgeschaltet worden. Rund 5000 Wartungsarbeiten sollen durchgeführt werden, darunter auch der Austausch von Kühlern, Rohren, Maschinen. Der Bau einer schon ewig geforderten externen Notstandswarte ist nicht dabei. Zunächst mal wurden 3 defekte Brennelemente entdeckt. Das Problem sei dadurch gelöst, dass man sie nicht wieder einsetzen werde, erklärte die Kraftwerksleitung. Der noch in Betrieb befindliche Block A hatte inzwischen mal wieder ein Leck in einem nuklearen Zwischenkühler (zuletzt Mitte August, s. LinX 17/01). Die Kühlfunktion sei aber nicht beeinträchtigt gewesen, und die Telefone gingen auch noch! Das war wichtig für die Katastrophenschutzübung, die mit fast 1500 Teilnehmern am 20.9. begann. Die Katastrophenschutzplanungen beschränkten sich auf einen Radius von 25 km um das AKW. Das fand der BUND "absurd".

Vor dem 12. September hatten CDU-Politiker noch gegen den als "Ausstieg" missverstandenen Atomkonsens gewettert, weil "sichere Kernkraftwerke" abgeschaltet werden sollten. Da waren vollbetankte Passagierflugzeuge auch noch nicht am Horizont der Sicherheitsrisiken erkennbar. Jetzt steht fest, dass zumindest Obrigheim und Biblis A auch gegen den Aufprall kleinerer Flugzeuge nicht gesichert sind, wobei in Obrigheim sogar von den Genehmigungsauflagen abgewichen wurde. Eigentlich ist also die Betriebsgenehmigung des ältesten deutschen AKWs ungültig, ein Weiterbetrieb sei, so Trittin, nur im "atypischen Ausnahmefall" möglich. Der zweifellos jetzt eingetreten ist!

Aber natürlich sind auch die meisten anderen Meiler mit einer Wandstärke der Sicherheitskuppel von etwa 1 m nicht gegen aufprallende Grossflugzeuge gesichert.

Das dauernde Abschalten und Wieder-Hochfahren eines Atomreaktors im wöchentlichen Rhythmus kann doch nicht gut für die Emissionswerte sein! Aber das geht in Temelin jetzt routiniert von der Hand: Am 17.9. schon wieder wegen eines Computerfehlers, nur drei Tage später wegen "instabilen Umwälzungen im Turbogenerator", beides nicht grad neue Mängel. Legt den Verdacht nahe, dass da überhaupt nicht repariert wird zwischen Runter- und Hochfahren. Wenn das Telefon noch geht, könnte man ja jemanden anrufen, der sich damit auskennt...

Veronica Ferres kennt sich gar nicht mehr aus. E.ON soll gar nicht aus Wasser sein, wie sie in dem bekannten Werbeclip behauptet hatte, sondern aus Temelin, und weil Ökologen das kritisiert hatten, wollte sie ein bißchen Wiedergutmachung leisten, spendete ihr Filmkostüm aus "Rossini" für eine öffentliche Versteigerung zugunsten der Ureinwohner in den Uranabbaugebieten; ein Mann ersteigerte es für 4000 Mark, und schon hagelt es wieder Kritik, weil es nicht die richtigen Ökologen waren, die das Happening organisiert hatten, sondern die völkischen von Herbert Gruhls ÖDP. Blondinenwitze sind noch die wohlwollende Interpretation dieser Fettnäpfchentreterei.

Baden-Württemberg setzt die Castor-Transporte wegen der Terroranschläge erstmal aus. Niedersachsen aber nicht! Im Gegenteil: In Lüchow wird gebuddelt, damit auf zwei Flächen von insgesamt 6000 m² 164 Wohncontainer für die Polizei aufgestellt werden können, die beim nächsten Gorleben-Transport anrücken soll. Die Polizeiinspektion Lüchow ist davon wenig begeistert. Als wahre Umweltschützer verstehen sie nicht, dass eine gewachsene Grünfläche inklusive eines von ihnen selbst angelegten Feuchtbiotops ohne behördliche Auflagen wie Ausgleichsflächen plattgemacht wird. Andererseits haben sie sowieso keine Lust, neben den "absolut zwingenden" Anti-Terror-Aufgaben und der Sicherung der Euro-Transporte auch noch Castorbehälter zu beschützen. Ihre Gewerkschaften GdP und Polizeigewerkschaft im Beamtenbund verlangten eine Verschiebung, die Innenminister Bartling ablehnte. Und drittens sind die Containerunterkünfte nicht beliebt bei den Beamten - Sauberkeit, Komfort und sanitäre Einrichtungen ließen im kalten März stark zu wünschen übrig. Das Gemecker ist allerdings ungerecht, denn die Gegenseite hat es noch schwerer: Sie muss alles selber bezahlen und außerdem noch die Anwesenheit der schlechtgelaunten Beamten ertragen. Telefone und Funkgeräte werden aber - anders als in Eriwan - von beiden Seiten eingesetzt. BG

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