Internationales

Philippinen: US-Truppen setzen sich wieder fest

Blutige Ernte

Die USA wollen, berichtete Ende April der US-Nachrichtensender CNN, ihre "Manöver" auf den Philippinen zeitlich ausdehnen. Dort befinden sich seit einigen Wochen ca. 4000 US-Soldaten gemeinsam mit philippinischen Einheiten im Einsatz. Wieweit es bisher zu "Feindkontakten" gekommen ist, bleibt unklar. Obwohl die Verfassung des Inselstaates Stationierung und Einsatz ausländischer Truppen verbietet, gehen viele Beobachter davon aus, dass die Soldaten der einstigen Kolonialmacht mit den verschiedenen Guerillagruppen zusammemstoßen werden.

Die Philippinen gehören damit zu einem der zahlreichen Posten, die Washington seit dem Angriff auf Afghanisatn auf der Haben-Seite ihrer Bilanz des "Krieges gegen den Terror" verbuchen kann. Auf den Philippinen hatte Anfang der 90er Jahre eine massive Volksbewegung die Schließung der US-Basen erzwungen. Seit spätestens Mitte des vergangenen Jahrzehnts gab es verschiedene Anläufe Washingtons und der jeweiligen Regierungen in Manila, diese Scharte wieder auszuwetzen. Mit dem gegenwärtigen "Manöver" rückt für die USA die Möglichkeit der Wiedererrichtung einer größeren, dauerhaften militärischen Präsenz in greifbare Nähe.

Damit hätten sie zum einen einen weiteren Fuß in die ökonomisch mit Abstand dynamischsten Weltregion gesetzt und zum anderen einen wichtigen weiteren Baustein der von den meisten Militärs und auch größeren Teilen der politischen Eliten der USA gestützten Einkreisungsstrategie gegenüber China (containment policy) errichtet. Bisher gibt es größere Militärstützpunkte auf dem japanischen Okinawa und in Südkorea (jeweils gegen anhaltenden Widerstand der örtlichen Bevölkerungen aufrechterhalten) und seit neuesten auch in Usbekistan, wo übrigens ein islamistisches Regime zu diesem Zweck hofiert wird.

Auf den Philippinen müssen hingegen vermeintliche islamistische Guerillas als Vorwand für die Landung von US-Truppen herhalten. Die durch Geiselnahme von Touristen bekannte Splittergruppe Abu Sayyaf stehe in Verbindung mit Al Quaeda, heisst es auf CNN. Schon möglich, denn so wie letztere nachweislich ein Produkt u.a. US-amerikanischer Geheimdienste ist, so steht auch Abu Sayyaf bei der philippinischen Linken im Verdacht, eine Kreation von Militärs und Schlapphüten zu sein.

Allerdings passt der Konflikt, der vor allem auf Mindanao seit fast 30 Jahren militärisch ausgefochten wird, nur dann ins übliche westliche Schema vom furchterregenden Islam, wenn man alle wesentlichen Fakten sorgfältig außer Acht lässt. Um den Hintergrund der Auseinandersetzungen zu verdeutlichen, sei ein kleiner Ausflug in die Geschichte erlaubt:

Als im 16. Jahrhundert der erste Europäer, der im Auftrag Spaniens die Welt umsegelnde Magellan, auf die Inseln stieß, fand er eine wenig organisierte Gesellschaft vor. Nur im Süden des Landes gab es nennenswerte Staatlichkeit. Dort hatten sich lokale Herrscher herausgebildet und den Islam angenommen. Diese hatten gerade erst begonnen, ihre Macht auf den Norden des Archipels auzudehnen. In Manila gab es außerdem eine Kolonie chinesischer Händler, die dort bereits seit einigen Jahrhunderten aktiv war. Den Spaniern gelang es nach einigen Scharmützeln, die Muslime aus dem Norden zu vertreiben. Mindanao, die südlichste der großen Hauptinseln, konnten sie hingegen nie unter ihre Kontrolle bringen. Das blieb den USA vorbehalten, die die Inseln im spanisch-amerikanischen Krieg 1898 erbeuteten. Das Vorgehen war auf den Philippinen übrigens ganz ähnlich, wie zeitgleich auf Kuba. Zunächst unterstützte man die örtlichen Unabhängigkeitsbewegungen, um diese nach der Niederlage Spaniens gewaltsam zu unterdrücken. (Auf den Philippinen wiederholte sich das 50 Jahre später noch einmal, als nach dem Abzug der Japaner mehrere 10.000 philippinischer Unabhängigkeitskämpfer US-Truppen Ende der 40er zum Opfern fielen.)

In Zeiten des US-Kolonialregimes wurden nicht nur tausende Christen aus dem Norden auf Mindanao angesiedelt, sondern es begann auch die Plantagenwirtschaft US-amerikanischer Konzerne wie Dole und anderer. Die muslimische Bevölkerung hat hingegen nie ihren Widerstand gegen die Bevormundung aus Manila und den Ausverkauf ihrer Resourcen an ausländische Unternehmen ganz aufgegeben. In den 70ern formierte sich mit der MLF (Morobefreiungsfront) eine Guerilla-Armee, die mit der kommunistischen Guerilla ein zumindest freundschaftliches Verhältnis hatte. Als sich die Führung der MLF 1996 auf einen Handel mit der Regierung in Manila einließ, liefen ihre Anhänger und Kämpfer in Scharen zur Konkurrenz von der MILF (Moro-islamische Befreiungsfront) über, die heute, auch nach ihrer schweren Niederlage (siehe LinX 15/00), als mit Abstand stärkste Widerstandskraft gilt. Nach verschiedenen Angaben soll sie 10.000 bis 15.000 Kämpfer unter Waffen haben. Derzeit versucht die Regierung ihr verschiedene Bombenanschläge unterzuschieben, die allerdings nicht dem Muster der MILF entsprechen, die wiederholt erklärt hat, dass sich ihre Aktionen weder gegen Christen noch gegen Zivilisten sondern nur gegen militärische Ziele richten. Wahrscheinlicher ist es, dass die Anschläge Provokationen sind, um Verhandlungen unmöglich zu machen, zu denen sich die MILF immer wieder bereit erklärt.

An einer ernsthaften Verhandlungslösung scheint jedoch die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo genauso wenig Interesse zu haben, wie ihr Vorgänger Estrada. Der hatte seinerzeit im Frühjahr 2000 die internationale Aufmerksamkeit für die Geiselnamen der Abu-Sayyaf-Gruppe für eine Großoffenisve gegen die MILF genutzt, die nicht nur den Weg für Gespräche verbaute, sondern auch zehntausende Zivilisten zu Flüchtlingen machte. Die MILF hatte bis dahin ein ca. 100 Quadratkilometer großes Gebiet auf Mindanao als Quasi-Stützpunkt kontrolliert, in dem u.a. auch Schulen unterhalten wurden.

Ganz wie 2000 konzentriert sich die Aufmerksamkeit der westlichen Medien derzeit wieder auf Abu Sayyaf und einige andere versprengte Gruppen. Zu befürchten ist allerdings, dass hinter den Kulissen der Kampf gegen die eigentliche Guerilla intensiviert wird und der Süden der Philippinen auf der Spirale aus Gewalt und Armut weiter nach unten gerissen wird. Washington kann das nur recht sein, solange sich damit seine militärische Anwesenheit rechtfertigen lässt und die Scharmützel soweit unter Kontrolle gehalten werden, dass die Interessen Doles und anderer keinen Schaden nehmen. (wop)

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