Kommentar

Keine Pilotenabschlüsse

Nach dem Tarifabschluss in der Metallbranche liegen die nachfolgenden Abschlüsse bei Bau, Druck, Telecom etc. höher als noch Anfangs des Jahres erwartet. Am Tage nach dem Metallabschluss hatte es, aus dem führenden betrieblichen IGM-Funktionärskader, in Kiel spontanen verbalen Unmut gegeben. (Vgl. LinX 10/02). Im Streikgebiet Baden-Württemberg gab es in der Urabstimmung aus den größeren Betrieben niedrige Zustimmungsergebnisse. Die Tinte unter den Tarifverträgen war kaum trocken, da gab es aus kleinen und großen Unternehmen in Kiel die ersten Verlautbarungen und Anträge auf Nichtübernahme des Tarifergebnisses. Nun stehen manche verbalradikale Kritiker vor Ort dumm da: Sie müssen jetzt für die Übernahme eines von ihnen rundherum als zu niedrig kritisierten Ergebnisses in "ihrem" Betrieb rudern. Da haben es doch die (linken) Kritiker, die sich ohne Funktionen weit außerhalb der alltäglichen betrieblichen Konfrontationen mit den Kapitalisten bewegen und nicht alltäglich konkret mit oder für Menschen handeln müssen, einfacher.

"Härtefallregelungen" und "Differenzierungen" sind nichts neues, sie werden nur zunehmend mehr gefordert und (offen) tarifvertraglich abgeschlossen. Alles vor dem konkreten Hintergrund von Entlassungen, Insolvenzen und Schließungen. So auch bei den Werften, wo "Belegschaftsbeteiligungen" in Ost und West gängige betriebliche Praxis war, der vor Monaten von den IGM-Betriebsräten und Vertrauenskörperleitungen abgeschworen wurde. Auf der Volkswerft Stralsund ist jetzt tarifvertraglich auf einen Teil der tarifvertraglichen Leistungen verzichtet worden.

Das selbst bei Metall keine "Pilotenabschlüsse" zu erwarten waren, werden nur Realitätsfremde bezweifeln. Der vor dem Streik von der IGM-Führung erkannte Druck aus den Betrieben, war und ist mehr eine allgemeine Unzufriedenheit und Unsicherheit. Kanalisierungsweg der Gewerkschaften: Kurz auf die Tonne hauen und rot-grün empfehlen!

Empfohlen werden zunehmend "Pilotenabschlüsse" statt "Pilotabschlüsse". Der im letzten Jahr getätigte Tarifabschluss bei den Piloten wurde aus den Gewerkschaften unter der Hand noch zurecht als quasi individualistischer Abschluss einer elitären Gruppe kritisiert. Die Gewerkschaften in Deutschland tätigten bisher "Pilotabschlüsse" statt "Pilotenabschlüsse" in Bezirken oder Branchen, die dann in der Fläche übernommen bzw. als Maßlatte genommen wurden. Auf dem "Zukunftskongress" der IG Metall wurde nun aus deren Vorstand einer Differenzierung nach oben für einzelne (ertrags- bzw. kampfstarke) Betriebe das Wort geredet. Während die Betriebe in "der Fläche" kollektiv oder einzeln weiter nach unten gehen? Einzelne "Strohfeuer" sind zwar weithin sichtbar, bringen in der Tiefe und Breite jedoch meist weniger als "Flächenbrände". Dass diese über die Jahre mehr kontrollierten "Schwelbränden" gleichen, ist ein anderes Problem. Keine Pilotenabschlüsse!

W. Jard

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