IG Metall auf der Überholspur?
Von beiden Tarifparteien wurde auf die Übernahme in den anderen Tarifbezirken gesetzt bzw. eine signalisiert. Bis auf die Metallkapitalisten in Sachsen: Deren Verband lehnte eine Übernahme der Tarifeinigung ab. Zum Redaktionsschluss der LinX wurde gar Urabstimmung und Streik in Sachsen kolportiert. Was sich bis zum Erscheinen dieser Ausgabe alles gelegt haben kann! Im Norden wurden die streikunterstützenden Aktionen (Überstundenboykott usw.) ausgesetzt, ... "bis klar ist ob und wie eine Übertragung des Ergebnisses stattfindet", so Kiels IG Metall-Chef Wolfgang Mädel.
Nicht so schnell
gelegt haben wird sich die Diskussion über das Tarifergebnis in den
Reihen der Belegschaften und IGM Funktionäre. Auf einer presseöffentlichen
Betriebsräteversammlung am 16. Mai im Kieler Gewerkschaftshaus wurde
das frische Ergebnis aus dem Südwesten unter den rund 80 Teilnehmern
heiß diskutiert und kommentiert. Die Äußerungen gingen
von ..."Die Kollegen sind enttäuscht", Annegret Weiß von Caterpillar
Motoren GmbH, ... "Wir sind die Besiegten", Volker Krispien von ORGA Kartensysteme,
... "Wie man auch rechnet, wir sind weit von den vier Prozent weg. Das
Ergebnis ist enttäuschend",
Gerhard Nickel von Heidelberger Druckmaschinen AG, ... "Trotz der langen
Laufzeit und der zwei Null-Monate ist ein Top-Ergebnis erzielt worden",
Ernst August Kiel von HDW AG, bis zum ... "Grund mit Sekt anzustoßen",
Reiner Heyse von Raytheon Marine GmbH, der den Abschluss über ein
Entgelt-Rahmen-Abkommen ERA hervorhob und die Lohnerhöhungen in dem
Kontext als "akzeptabel" bezeichnete. Wie die Letztgenannten werden es
die 240 Delegierten der Großen Tarifkommission in Baden-Württemberg
beurteilt haben: Nur Sieben votierten am 17. Mai gegen das Verhandlungsergebnis!
Das Ergebnis muss noch in einer Urabstimmung am 21.-22. Mai (nach Red.-Schluss!)
bestätigt werden. Dafür reicht ein Votum von 25 Prozent der streikfähigen
IGM-Mitglieder!
"Trinkgeld" für ERA
Der Tarifabschluss im Einzelnen:
Tiefere Tarifarithmetik zu betreiben ist an dieser Stelle nicht angebracht, zumal sich nicht alle im Delta der Tarife auskennen (müssen). Eine "reale 4" kommt selbst mit Hilfe kaufmännischer Rundung nicht zustande. Mit dem "Trinkgeld" und einem Vor-Vertrag über ERA kann in der Summe eine "gefühlte 4" vor dem Komma ausgehängt werden!
... "Mit der Vereinbarung zum ERA hat die IG Metall eine Tarifreform auf den Weg gebracht, die in die Zukunft weist. Sie schafft für viele, vor allem im Facharbeiterbereich, die Voraussetzung, ihre individuelle Eingruppierung deutlich zu erhöhen."... erklärte IGM-Vorsitzender Klaus Zwickel in metallaktuell. Das wird Jahre dauern und im nachhinein – weder individuell noch kollektiv – schwer aufzurechnen sein!
Erfolg der Solidarität
Direkt von dem Metallabschluss werden die noch in Verhandlungen steckenden Gewerkschaften in Druckindustrie, Baugewerbe, Versicherungsgewerbe, Einzelhandel und Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitender Industrie profitieren. Um ein halbes Prozentchen höher, als noch vor Wochen erwartet, dürften die Abschlüsse liegen!
Himmelhochjauchzend gingen viele, auch (im weitesten Sinne!) linke, Gewerkschafter in den Streik und sind am Ende wiedereinmal zu Tode betrübt. Und stellen sich allzu gerne mit den Frustrierten aller Betriebe (Länder) in die Meckerecke. "Meckerlinke" aller Schattierungen geben gerne entsprechenden defätistischen Senf dazu. Allen gemeinsam ist: Sie bringen selbst nicht einmal marginale Stoßtrupps auf die Beine, von Mehrheiten ganz zu schweigen. Entsprechend sind auch Resolutionen und andere Äußerungen aus den Betrieben – die "Kampfkraft" in der Hauptseite nur über mehr und länger Streikende forderten – zu sehen. "Wer dicke Backen macht muss auch pusten können", sagt der Volksmund.
"Das Tarifergebnis ist ein Erfolg der Solidarität", schreibt metallaktuell. Nicht nur, aber auf die öffentliche Meinung hat die Tarifbewegung in der Metall und Elektroindustrie, mit dem Argument der IG Metall "Volle Kassen der Unternehmen haben keine neuen Arbeitsplätze gebracht ...", im Sinne eines sich solidarisch wehren und durchsetzen, positiv eingewirkt. Die Argumente der IG Metall bezüglich der positiven Auswirkungen des Abschlusses auf die Binnennachfrage, Sozialversicherungen bis Kommunen (Steuereinnahmen!) sind auch Argumente gegen die von Privatisierungsorgien begleitete "Kaputtsparpolitik". Wer sich in der Debatte über das Tarifergebnis mit den "Miesmachern" verbündet, liefert meist neoliberaler und rechtspopulistischer Politik Steilvorlagen!
Die politische Bewertung auch einer Tarifrunde erfordert mehr als die Beherrschung der Grundrechenarten und Zahlenakrobatik. Trotz nur "gefühlter 4" sollte der Verstand zur Orientierung gebrauchen werden! Nicht nur im Delta der Tarife!
W. Jard
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