Aus dem Kieler Rat

250 Millionen-Ausverkauf

Komplettverkauf der KWG so gut wie getätigt

Als in Fragen der Inszenierung von Politik nicht Ungeübter, ließ es sich OB Norbert Gansel nicht nehmen, seinen Millionen-Coup mit großer Geste zu verlautbaren, in einer mündlichen geschäftlichen Mitteilung an die Ratsversammlung vom 20.5. An die Presse ließ er seinen "Waschzettel", das stichwortartige Redemanuskript, verteilen. Was der OB mitzuteilen hatte, dürfte kritischen Mietern und Angestellten der Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) kalte Schauer über den Rücken gejagt haben: die vollständige Privatisierung der KWG und nicht nur eines Gesellschaftsanteils.

Vor fast genau einem Jahr (14.5.98) hatte die Ratsversammlung der Aufnahme von Verhandlungen zum vollständigen oder Teilverkauf der KWG zugestimmt, allerdings unter hohen Auflagen, welche die Hardliner des Sozialabbaus damals hatte jammern lassen, so werde man nie einen Käufer finden. Den zauberte Gansel nun aus dem Hut: die Hamburger WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG. Und zusätzlich konnte er damit glänzen, daß dieser "seriöse Käufer" (Gansel) bereit sei, sämtliche Auflagen zu erfüllen, nämlich:

Trotz dieser recht hoch gelegten Latte von Verpflichtungen dürfte sich der Kauf für die WCM langfristig zum Schnäppchen entwickeln. Zwar muß sie die genannten Auflagen erfüllen, aber dies nur für Zeiträume von 5 bis 10 Jahren. Spätestens 2009 kann sie also verfahren wie jeder Immobilieninhaber, nach freiem Gutdünken. Die WCM investiert den Kaufpreis von 250 Mio. DM, die Modernisierungskosten von 100 Mio. DM in 5 Jahren und nochmal knapp 4 Mio. DM für das 5 Jahre weiterlaufende Programm zur "sozialen Stabilisierung", macht 354 Mio. DM. Dafür erhält sie rund 11.000 Wohnungen, über die sie in spätestens 10 Jahren frei verfügen kann. Ergibt eine Investition von im Schnitt 32.000 DM pro Wohnung. Welche Rendite ab dem Jahre 2009 auch nur beim Verkauf der Wohnungen herausspringen könnte, kann man sich leicht selbst ausrechnen, ein Faktor von 300% vor Steuern dürfte drin sein - niedrig gerechnet.

Der finanzielle Vorteil für die Stadt wurde von Gansel in umso höheren Tönen gelobt. Da die 250 Mio. DM Erlös vorrangig zur Schuldentilgung eingesetzt werden sollen, spare die Stadt in den nächsten 10 Jahren jährlich 14-18 Mio. DM Zinsen und Tilgungen. Gansel dazu geradezu demagogisch: "Tatsächlich erlaubt uns der günstige Erlös, nachdem wir die Rechte der Mieterinnen und Mieter der KWG sicherer gemacht haben, als sie es in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation eigentlich wären (!), den Bürgerinnen und Bürgern Kiels, denen die KWG ja letztlich in ihrer Gesamtheit gehört (!!), etwas zurückzugeben, was wir uns sonst lange noch nicht oder nie mehr hätten leisten können."

Abgesehen von der populistischen Komponente solcher Lügen, verschwieg Gansel allerdings die Folgekosten des Verkaufs, die die Dollars in seinen Pupillen alsbald dahinschmelzen lassen könnten. So hatten die Grünen für dieselbe Ratsversammlung eine kleine Anfrage zu eben diesen Folgekosten gestellt. Welche Auswirkungen habe ein Komplettverkauf auf die Kosten für das Wohngeld von SozialhilfeempfängerInnen, welche Kosten würden durch den Rückkauf von Belegungsrechten entstehen? Gansels Antwort liest sich in weiten Strecken dürftig und ratlos: "Kann derzeit nicht abgeschätzt werden", so die wiederholt auftretende Floskel. Auch die Frage, ob die Stadt für den Erlös des Millionendeals Steuern zahlen muß, die ihn merklich schmälern könnten, ist noch ungeklärt. Allerdings befindet sich im Kaufvertrag ein Vorbehalt bis zur "befriedigenden Klärung steuerlicher Fragen". Man darf spekulieren, daß sich dieser Vorbehalt auch auf eine "befriedigende Klärung" der Abschreibungsmöglichkeiten des Käufers erstreckt.

Die Ratsversammlung freilich ließ sich von den 250 Mio. Erlös blenden, obwohl sich die RednerInnen aller Fraktionen eine "genaue Prüfung" des Angebots und seiner Folgen vorbehielten. Ob diese Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt bis zum 8.7., bis zu welchem Datum die Ratsversammlung spätestens dem Verkauf zustimmen soll, möglich ist, bleibt indes fraglich. Der Käufer drängt auf schnellen Vertragsabschluß noch vor der Sommerpause - er wird wissen, warum. Letzterer wurde von Gansel verklärt: "Die KWG ist besser aufgehoben in einem Unternehmen mit personeller Bindung" (die WMC ist ein "Familienbetrieb", 66,7% der Aktien hält die Hamburger Spekulantenfamilie Ehlerding) "als in einer anonymen Holding", meinte Gansel mit Bezug auf die "auch menschlichen Qualitäten der Verkaufsverhandlungen". Wolfgang Kottek (SUK) stetzte noch einen drauf: "Ich bin froh zu sehen, daß es noch Investoren gibt, die eine soziale Verantwortung übernehmen und so viele sie einschränkende Auflagen akzeptieren." Arne Wulff (CDU) sah als einzigen Kritikpunkt, daß das städtische Defizit durch den Deal zwar in seiner Höhe verringert werde, "das strukturelle Haushaltsdefizit jedoch bleibt". Gleichwohl stehe die CDU zum Verkauf. Ebenso wie Edina Dickhoff (Grüne), die in dem Deal trotz grundsätzlicher Vorbehalte der Grünen gegen den Verkauf "ein besseres Ergebnis, als wir erwartet haben", sah, wandte sich Wulff auch dagegen, "schon jetzt zu diskutieren, was man mit dem vielen Geld alles Schönes machen kann". Das bezog sich auf Gansels freudige Verkündung, nun könne man endlich auch Sporthallen oder z.B. "unser Lessingbad" endlich sanieren (rund 30 Mio. des Erlöses sollen für solche Projekte abgezweigt werden). Gansels Mehrheitsbeschaffer im Rat, der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske, jubelte dagegen verhalten mit seinem OB und resümmierte: "Ein solcher Verkauf ist im Interesse aller Kielerinnen und Kieler."

Das sieht zumindest ein Teil derselben anders. Der Kieler Mieterverein betitelte seine Pressemitteilung zum Ausverkauf der KWG mit den Worten: "Schlimmer hätte es nicht kommen können!" Im Gegensatz zu vielen Ratsmitgliedern, die Gansels einlullenden Worten von der "sozialen Verantwortung" des Käufers und auch der Äußerung des WMC-Vorstandsmitgliedes Schweikert, "soziale Bedingungen zu erfüllen, gehört zur Geschäftspolitik des Unternehmens", gefolgt waren, brachte der Mieterverein die Euphorie auf den Boden kapitalistischer Tatsachen zurück: "WMC ist nicht angetreten, um Wohltaten für die Landeshauptstadt zu verteilen."

(jm)