Ratssplitter

Letztes Jahr im Sommer war es herausgekommen. Offenbar jahrelang hatte der Kieler Abfallwirtschaftsbetrieb zu hohe Gebühren für die Müllabfuhr durch einen Subunternehmer an diesen entrichtet und damit auch von den KielerInnen zu hohe Gebühren eingefordert. Grund: Die Zahl der Abfalltonnen war "durch einen Fehler in der Datenverarbeitung", so hieß es damals, falsch bemessen. Im Oktober '98 hatte die Ratsversammlung vom OB einen Bericht durch das Rechnungsprüfungsamt (RPA) gefordert. Der sollte bis zum Dezember '98 vorgelegt werden. Es folgten mehrere einstimmige Beschlüsse des Wirtschafts- wie auch des Finanzausschusses, die die Übergabe des Berichtes anmahnten. Im April kam er diesem Auftrag nun endlich nach - teilweise. Gansel will den RPA-Bericht nicht an die Ratsmitglieder, schon gar nicht an die Presse, verteilen. Er gewährt lediglich Akteneinsicht. In einem Dringlichkeitsantrag zur Ratsversammlung vom 20.5. forderten die Grünen dennoch die Herausgabe. Doch Gansel sträubt sich weiter - eine neue Kraftprobe zwischen dem selbstherrlichen OB und dem Stadtparlament, das sich auch schon in anderen Zusammenhängen erst mittels Ratsbeschluß seine in der Gemeindeordnung verbrieften Rechte erstreiten mußte. "Ich fühle mich inzwischen in meiner Arbeit behindert", meinte CDU-Ratsherr Jens Moriz. Die Weigerung des OB befördere ein Mißtrauensverhältnis zwischen Rat und Verwaltung, indem Gansels Gewährung lediglich von Akteneinsicht unterstelle, daß die Ratsmitglieder mit den vertraulichen Informationen "Mißbrauch betreiben". Jürgen Fenske (SPD) entgegnete, die Grünen würden hier Mißtrauen säen, indem sie "den falschen Eindruck erwecken, der OB filtere Informationen". Genau das scheint aber das Ansinnen des OB. Wohl wissend, daß der Rat die Herausgabe des Berichtes verlangen kann, machte er rabulistische Winkelzüge: "Ich habe den Bericht beim RPA in Auftrag gegeben, also ist er auch nur für mich gemacht." Daß er dennoch Akteneinsicht gewähre, sei sogar ein Entgegenkommen an die Ratsversammlung. Selbst dazu sei er eigentlich nicht verpflichtet. Im übrigen sei seine Vorsicht angebracht, denn "daß vertrauliche Informationen aus dem Rathaus durchsickern, ist kein Einzelfall". Edina Dickhoff (Grüne) wandte sich entschieden gegen eine solche "öffentliche Diffamierung der Selbstverwaltung". Der OB solle endlich einsehen, "daß die Ratsversammlung kein lästiger Fremdkörper ist". Auf solche Einsicht ist aber bei Gansel von Gottes Gnaden wohl nicht zu hoffen, obwohl der Antrag der Grünen einstimmig angenommen wurde.

Der sog. "Maulkorb" von Kulturdezernent Rethage für die künstlerische Leitung der Kieler Bühnen (siehe Artikel in dieser LinX) wurde von Teilen der Ratsversammlung besonders wegen seines dekretierenden Tons kritisiert. Der sei "schon fast militärisch", meinte CDU-Fraktionschef Arne Wulff. Worauf ihm vom in solchen Fragen offenbar bewanderten Reservisten Gansel zugerufen wurde: "Militärisch? Das ist doch gar nicht abwertend." Wulff hingegen wies den OB auf ein nicht gehaltenes Wahlversprechen hin. Am 26.1.97 habe Gansel vor dem SPD Kreisparteitag zu seiner OB-Kandidatur gesagt: "Ich möchte so wenig wie möglich mit Weisungen arbeiten, nicht mit dem Besen, sondern mit dem Argument." Davon ist in der Tat nicht viel übrig geblieben, seit der eitle Selbstdarsteller mit dem eisernem Besen der Disziplinierung durch das Rathaus fegt.

(jm)