KERNspalte

Was uns Jürgen Trittin nicht sagt und Kanzler Schröder schon immer so gemeint hat, das erfahren wir jetzt endlich im Klartext von Wirtschaftsminister Werner Müller. Er sagte auf der Jahrestagung Kerntechnik am 19.5. in Karlsruhe unter dem Motto "Wirtschaft und Politik diskutieren redlich miteinander" vor der versammelten Betreiberlobby über das Thema "Ausstieg - Umstieg - Einstieg" folgendes: "Tatsächlich aber macht diese neue Bundesregierung nur das zur Regierungspolitik, was längst faktische Unternehmenspolitik der hiesigen Kernenergiewirtschaft geworden ist. ... (An den BDI) sei der Hinweis erlaubt, daß er nicht die Bundesregierung, sondern die deutsche Kernenergiewirtschaft davon überzeugen sollte, sich am Bau eines EPR von rd. 1.800 MW mit knapp 10 Mrd. DM zu beteiligen. ... Die Bundesregierung steht einem solchen Investment nicht entgegen. ... Die deutsche Stromwirtschaft, namentlich auch die Kernenergiewirtschaft, findet mich fest an ihrer Seite, wenn wir miteinander redlich umgehen. ... Welche Kernkraftwerke als erste vom Netz gehen werden, kann ich Ihnen nicht beantworten. Bauernopfer wird die Bundesregierung im Zuge der Konsensprozesse mit der Strombranche niemandem abverlangen. ... Im konkreten Einzelfall wird die betriebswirtschaftliche Situation jedes einzelnen Kraftwerks den Ausschlag geben, wann es abgeschaltet wird. ... Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, auf kaltem Wege die Stillegung einzelner Kraftwerke zu erreichen, deren Lagerbecken vor dem Überlaufen stehen. Allen Gedanken an eine Verstopfungsstrategie erteile ich ... eine klare Absage." Da die Absicht der KKW-Eigentümer sich darauf konzentrieren müsse, den "Restbetrieb ihres Eigentums in jeder Beziehung abzusichern", müßten diese doch einsehen, daß die Kernenergiepolitik der Regierung "hochvernünftig" sei. Für die Suche nach einem geeigneten Endlager habe man noch 30 Jahre Zeit (!), ob Gorleben geeignet sei, wisse man nicht. Wenn sich die Betreiber mit der Bundesregierung auf Eckpunkte einigen könnten, anstatt sich unnötig aufzuregen, dann könne die öffentliche Debatte um die Kernenergie "befriedet werden", während es sich doch um einen ganz "normalen unternehmerischen Reinvestitionsprozeß" handele, mit der Ausnahme, daß nicht in ein hiesiges Kernkraftwerk reinvestiert werden könne (aber in ein ukrainisches oder französisches - BG).

Auch aus der Presse erfahren wir inzwischen, was mit dem Ausstieg nach den Konsensgesprächen gemeint ist: Kein AKW wird vor dem Jahr 2005 abgeschaltet, also 3 Jahre, nachdem diese Bundesregierung nicht mehr im Amt sein wird - ob dies etwas mit der Einhaltung der Klimaschutzziele von Kyoto, also der Minderung der CO2-Emissionen, zu tun hat, darf spekuliert werden -, und das letzte, also Brokdorf, erst im Jahre 2020, also nach 34 Jahren Laufzeit, 14 Jahre über das Abschreibungsintervall hinaus, 14 noch in der Zukunft abgesicherte Jahre des Extraprofits. Mittelfristig wird dieser Betrieb weniger störungsanfällig sein, sofern unter Störung eine Blockade oder Demonstration verstanden wird, weil die Transporte entfallen. Nach dem entschädigungsfreien Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung soll an den Standorten zwischengelagert werden - "entsprechende Genehmigungen könnten zügig erteilt werden", so Wirtschaftsminister Müller.

Diese "Wende" in der Entsorgungsfrage wird gestützt von erneuten Sedimentuntersuchungen vor La Hague durch Greenpeace. Danach hat sich trotz Versprechen der französischen Regierung und der COGEMA in den letzten 2 Jahren nichts an der kontinuierlichen radioaktiven Kontamination der Atlantikküste vor der Wiederaufbereitungsanlage geändert. Trotz der hohen Kosten - nach Untersuchungen der AKW-Branche doppelt so teuer wie direkte Zwischenlagerung - wird hier Plutonium aus französischen, belgischen, deutschen, niederländischen, japanischen, spanischen, schwedischen und schweizerischen Brennelementen extrahiert. Wer, außer den Briten, braucht da noch Sellafield? Natürlich aus Sorge um die Arbeitsplätze hat der Betreiber von Sellafield, "British Nuclear Fuels", geheime Gespräche mit dem US-Atomkonzern Yankee aufgenommen (nach Informationen von Friends of the Earth), die der unausgelasteten Anlage 2.400 abgebrannte US-Brennelemente bescheren sollen. Britisches Recht verbietet übrigens diese Importe, wenn sie nur der Lösung einer Entsorgungskrise dienen und nicht der Wiedergewinnung von nuklearem Brennstoff.

Vom 26.7. bis 1.8. veranstaltet X-1000-mal-quer ein Anti-Atomcamp in Reddebeitz (Wendland). Im Anschluß soll eine Fahrradtour von dort über Travemünde nach Schweden zur Großdemonstration gegen das AKW Barsebäck stattfinden. Die KIGA will sich dieser Tour am 3.8. in Travemünde anschließen und freut sich über alle, die noch mitkommen wollen. Darum hier eine stichwortartige Routenbeschreibung:

Barsebäck - ein deutsches Atomkraftwerk? Dazu demnächst mehr an dieser Stelle.

(BG)