Internationales

Schulden streichen, nicht erlassen!

Auf dem G7-Gipfel Mitte Juni in Köln ging es auch um Schuldenerlaß für die ärmsten Staaten. Einige der Verbindlichkeiten, die sowieso nicht mehr zu begleichen sind, wurden erlassen. Mit Auflagen, versteht sich. Die deutsche Erlaßjahrkampagne heftete sich das als großen Erfolg an die Brust. Sie hatte mit Gruppen aus anderen Ländern im Rahmen der Jubilee 2000-Kampagne eine Menschenkette mit rund 20.000 Teilnehmern organisert.

Viele Gruppen aus den Ländern des Südens sehen die Ergebnisse allerdings nicht so positiv. Sie hatten ebenfalls ihre Vertreter nach Köln geschickt, wo es neben dem offiziellen Gipfel auch eine Arbeitskonferenz der internationalen Kampagne gab. Wir sprachen mit Donna Andrews, Europa-Sprecherin für Jubilee South in Kopenhagen und Lidy Nacpil, die für die phlippinische Freedom from Debt Coalition (Freiheit-von-den-Schulden-Bündnis) in Manila arbeitet.

(wop)

LinX: Was ist die Jubilee 2000 Kampagne?

Lidy Nacpil (L.N.): Sehr unterschiedliche Initiativen, die die Forderung nach einem Jubeljahr verbindet. Das kommt aus der jüdisch-christlichen Tradition, nach der alle 50 bzw. 25 Jahre sämtliche Schulden erlassen und die Beziehungen zwischen den Menschen neu geregelt werden. Aus Anlaß der Jahrtausendwende sind in vielen Ländern entsprechende Kampagnen entstanden, die sich in Jubilee 2000 zusammengefunden haben. Der gemeinsame Nenner ist die Streichung der nichtbezahlbaren Schulden der ärmsten Staaten. Auch in den Ländern des Südens haben sich Gruppen dieser Forderung angeschlossen, aber inzwischen sehen viele die Notwendigkeit weiterzugehen. Sie wollen eine starke Stimme des Südens in der internationalen Kampagne, die unsere Sichtweise artikuliert.

LinX: Ihr habt daher angefangen, Jubilee South zu organisieren.

L.N.: Ja. Wir haben festgestellt, daß wir viele Standpunkte und Bedenken teilen. Im März wurde also ein Komitee gebildet, das einen Kongreß für alle Länder des Südens vorbereitet. Aber in diesem Komitee waren wir uns schnell einig, daß es um mehr geht, als ein Treffen. Wir wollen innerhalb Jubilee 2000 eine eigene Südkampagne aufbauen.

Donna Andrews (D.A.): Und wir wollen, daß diese Kampagne aus den Bewegungen kommt. Es geht nicht bloß um ein bestimmtes Datum, an dem alle Schulden gestrichen werden. Das ist eine Frage, an der wir die Menschen aus dem Süden zusammenbringen können.

LinX: In euren Ländern ist die Kampagne also in den sozialen Bewegungen verwurzelt?

L.N.: In den meisten, aber nicht überall. Wir hoffen, daß das in Zukunft noch besser wird.

LinX: Was unterscheidet euch von Jubilee 2000?

D.A.: Um das klarzustellen: Wir sind Teil von Jubilee 2000, wir sind die Stimme des Südens in der internationalen Kampagne.

L.N.: Jubilee South fordert die Streichung aller Schulden. Wir sprechen nicht nur von den "unbezahlbaren", sondern betonen den illegitimen und unmoralischen Charakter der Schulden. Das waren Kredite, die Diktaturen unterstützten, Kredite, die für Projekte gegeben wurden, von denen die Bevölkerung nichts hatte.

LinX: Ihr haltet also viele der Schulden für unmoralisch?

L.N.: Alle.

D.A.: Nimm das Beispiel der Apartheid, deren Schulden Südafrika heute zurückzahlen soll. Wir sagen: Wir schulden nichts, also werden wir auch nicht zahlen.

L.N.: Auf unserem Treffen in Köln während des G7-Gipfels hat sich gezeigt, daß es auch im Norden viele Gruppen gibt, die unsere Sicht unterstützen. Wir haben den Anspruch, daß die internationale Kampagne hauptsächlich von dem bestimmt werden sollte, was der Süden sagt, und nicht von dem, was der Norden tun will.

LinX: In Köln sah das allerdings etwas anders aus. Ihr wurdet sogar von der Pressekonferenz ausgeschlossen.

L.N.: Das stimmt. Deutsche und britische Gruppen haben im wesentlichen den Ablauf bestimmt. Sie haben sich ihre Leute selbst ausgesucht, die vor der Presse für den Süden sprechen sollten.

D.A.: Wir fanden das vollkommen unangebracht, daß Gruppen aus dem Norden in unserem Namen sprachen. Wir sind durchaus in der Lage, selbst zu schildern, wie wir zur Schuldenfrage stehen, die übrigens für uns nur Teil eines größeren wirtschaftlichen Prozesses ist. Es hat keinerlei Rücksprache gegeben. Uns wurden einfach Leute vorgesetzt, die für Afrika und Lateinamerika gegenüber der Presse sprechen sollten. Wir kannten sie nicht einmal.

LinX: Was waren die inhaltlichen Widersprüche?

L.N.: Es gab viele. Der eine ist, daß wir nicht bei den "unbezahlbaren" Schulden stehen bleiben wollen. Weiter haben wir kritisiert, daß die Gruppen aus dem Norden sich zu sehr auf den Gipfel konzentrieren. Wir wollten einen breiteren Ansatz. Schließlich gab es auch Streit um Dominanz und Verfahrensfragen.

Z.B. hatten deutsche und US-amerikanische Gruppen im Vorfeld eine Erklärung veröffentlicht. Zwar in ihrem Namen, aber sehr mißverständlich. Die internationale Presse hat es als Erklärung der ganzen Bewegung aufgefaßt. Das fanden wir natürlich nicht in Ordnung.

Aber man kann nicht sagen, daß der Norden sich vor dem Kölner Treffen abgesprochen hätte. Es war eher, daß die Briten die Vorganben gemacht haben, denen dann die anderen gefolgt sind. Daher die Übersinstimmung zwischen den Gruppen aus dem Norden und auch einigen aus dem Süden. Aber man sollte das nicht vereinfachen. Wir haben in den Arbeitskreisen auch viele Gemeinsamkeiten mit mancher Kampagne aus dem Norden gefunden.

LinX: Was haltet Ihr von den Ergbenissen des G7-Gipfels?

D.A.: Jubilee South lehnt die Kölner Schulden-Initiative, die sie verabschiedet haben, als eine vollkommene Schande ab. Wir waren auch nicht damit einverstanden, uns so sehr auf den Gipfel zu konzentrieren. Wir wollen unsere Politik nicht über sie definieren, nicht ihre Initiativen begrüßen. Wir haben Forderungen, und das ist eine vollkommen andere Geschichte.

LinX: In der hiesigen Presse kam es tatsächlich so rüber, als hielte Jubilee 2000 das Kölner Ergebnis für ihren Erfolg.

D.A.: Ja. Das war einer der wichtigsten Punkte im Abschluß-Statement. Einigen Gruppen aus dem Norden war es besonders wichtig herauszustellen, daß es ihnen gelungen sei, einen Keil in die G7 zu treiben. Tatsächlich hatten die Meinungsverschiedenheiten untereinander. Aber nur darüber, wer wieviel zahlt. Darüber, daß der Erlaß an Bedingungen geknüpft würde, daß die Länder durch Strukturanpassungen gehen müssen, waren sie sich einig.

LinX: Einige deutsche Gruppen wollen Schuldenerlaß an soziale und Umweltauflagen knüpfen. Was haltet ihr davon?

D.A.: Umweltfragen spielen in einigen der Länder, aus denen wir kommen, eine große Rolle. Wir arbeiten daran, das in unsere Strategie einzubauen. Aber wir reden nicht von Erlaß, sondern von Streichen. Und daß die G7-Staaten Bedingungen daran knüpfen, ist für uns vollkommen unakzeptabel.

LinX: Wie wird die Kampagne im Süden weitergehen?

D.A.: Im August wid es eine Konferenz der asiatischen Initiativen geben und im November dann für den ganzen Süden in Johannisburg. Da wird dann unsere Strategie verabschiedet werden.