Anti-AKW

AKW Barsebäck:

Gericht bestätigt Stillegung

Das schwedische Regeringsrätten (Regierungsgericht, Kontrollinstanz für Regierungsbeschlüsse) hat die Klage des Betreibers des AKW Barsebäck abgewiesen und bestätigt, daß der Beschluß, das AKW zum 1.11.99 zu schließen, rechtmäßig ist. Dazu dokumentieren wir eine Presseerklärung der Barsebäckoffensive '99.

Die beiden Barsebäckreaktoren, die jetzt wegen der neu entdeckten schwerwiegenden Sicherheitsmängel vom Netz genommen sind, sollen nicht wieder angefahren werden. Das fordert die Barsebäckoffensive '99, die international für eine einwöchige Widerstandsaktion Anfang August gegen Barsebäck und jede Nutzung der Atomkraft mobilisiert. Die Betreiberfirma Sydkraft, deren Hauptaktionär PreussenElektra ist, wird sich weiterhin bei der EU-Kommission dafür einsetzen, den Beschluß zur Schließung aufzuheben.

Dies könnte zu einem langwierigen Prozess mit aufschiebender Wirkung vor dem Europäischen Gerichtshof führen. Gleichzeitig fordert Sydkraft Schadenersatz und beruft sich darauf, daß der Staat den staatseigenen Energieversorger Vattenfall bevorteile. Der Kampf um Barsebäck ist somit nicht gewonnen, und Barsebäck bleibt internationaler Brennpunkt der Anti-Atom-Bewegung.

Die Barsebäckoffensive '99 warnt, der Beschluß des Regeringsrätten könne sich als Pyrrhussieg herausstellen, wenn die schwedische Regierung die Politik verfolgt, die sich jetzt abzeichnet. Die Regierung befindet sich auf Kollisionskurs mit der gesamten internationalen Anti-Atom-Bewegung.

Die Atomindustrie soll nach Meinung der Barsebäckoffensive keinen Schadenersatz für die Schließung der Reaktoren bekommen - weder in Form von Geld, noch in Anteilen an anderen AKWs. Wenn der Staat Sydkraft 3,5 Mrd. Kronen (ca. 750 Mio. DM) für jeden Reaktor in Barsebäck anbietet, droht dies, auch international als Vorbild zu dienen. Das bedeutet, daß für neuere und größere Reaktoren wie Forsmark 1 und 2 sowie Oskarshamn 3 und Forsmark 3 entsprechend Schadenersatzzahlungen von 20-40 Mrd. Kronen (4,2-8,4 Mrd. DM) gefordert werden könnten. Dies kann den seit 1980 beschlossenen Atomausstieg stark verzögern.

Das gleiche kann passieren, wenn Regierungspläne umgesetzt werden, die vorsehen, Sydkraft als Kompensation für Barsebäck 1 25-30% an den vier Reaktoren in Ringhals anzubieten. Dieses System wird spätestens dann völlig unsinnig, wenn die Regierung Sydkraft für die Schließung der Reaktoren in Oskarshamn mehr und mehr Anteile an den staatlichen AKWs Ringhals und Forsmark anbieten muß. In der parteienübergreifenden Einigung zum Atomausstieg aus dem Jahre 1997 wurde die von der Volksabstimmung 1980 gesetzte Frist, den letzten Reaktor spätestens im Jahr 2010 vom Netz zu nehmen, nicht mehr erwähnt. Wenn nicht eine breite öffentliche Bewegung einen schnellen Ausstieg ohne Schadenersatzzahlungen durchsetzt, werden wir noch lange Atomkraft in Schweden haben.

Die Entscheidung des Regeringsrätten, daß die Schließung des ersten Barsebäckreaktoren zum 1.11. dieses Jahres rechtmäßig ist, bedeutet einen großen Sieg für die Umweltbewegung, die seit Mitte der 70er Jahre diese Entwicklung, u.a. durch die großen Barsebäckmärsche, vorangetrieben hat. Daß nach den Regierungsplänen der zweite Reaktor erst innerhalb der nächsten zwei Jahre geschlossen werden soll, ist völlig unzureichend. Die Schließung wurde beschlossen, weil die Reaktoren in der bevölkerungsreichen Öresundregion, wo sie über drei Millionen Menschen bedrohen, fehlplaziert sind. Dies gilt natürlich für beide Reaktoren gleichermaßen, so daß auch beide jetzt vom Netz genommen werden müssen. Die Abschaltung infolge von Unzuverlässigkeiten in beiden Reaktoren und die Entdeckung eines 70 cm tiefen und 20 cm breiten falsch gebohrten Loches im meterdicken Beton unter dem ersten Reaktor zeigen, daß das Kraftwerk viel unsicherer ist, als Sydkraft uns glauben machen möchte. Laut der Zeitung "Ny Teknik" kann dies die Funktionsweise des Reaktordruckbehälters bei Störfällen beeinträchtigen. Diese schwedische Variante des russischen Roulett, die Sydkraft spielt, ist nicht akzeptabel. Die größten Experten der Wahrscheinlichkeitsrechnung, nämlich die Versicherungsgesellschaften, wagen es nicht, die AKWs für die Schäden, die sie verursachen können, zu versichern. Würde man die Atomindustrie zwingen, vollen Versicherungsschutz für etwaige Schäden zu gewährleisten, wäre die Atomenergie nicht mehr rentabel.

Als in Schweden Tabakverkauf an Jugendliche unter 18 verboten wurde, bekamen die Tabakfirmen selbstverständlich keinen Schadenersatz für die ausgebliebenen Gewinne. Das gleiche gilt für die chemische Industrie, wenn giftige Produkte wie Schädlingsbekämpfungsmittel verboten werden. Atomkraft ist lebensgefährlich, und deshalb erscheint es uns nicht gerechtfertigt, die Atomfirmen dafür zu entschädigen, endlich mit ihrem gemeingefährlichen Tun aufzuhören.

Sydkrafts Versuch, die Konsequenzen der Volksabstimmung von 1980 zu umgehen, indem sie eine Aktienmehrheit an die neue Hanse aus den deutschen PreussenElektra, HEW und der norwegischen Statkraft verkauften, wird nicht gelingen. Die Barsebäckoffensive '99 bekommt für ihre einwöchige Widerstandsaktion kräftige Unterstützung durch die Umweltbewegungen Deutschlands und Norwegens. Die Widerstandswoche beginnt am 1.8. im Anschluß an ein Sommercamp nahe Gorleben mit einer Fahrraddemonstration über Travemünde/Trelleborg nach Barsebäck, für die sich schon 55 Menschen angemeldet haben (Stand 17.7.). Am Jahrestag der Hiroshimabombe, dem 6.8., erreicht die Fahrraddemo das AKW Barsebäck. Am Tag darauf findet eine Großdemonstration von Lund nach Malmö statt, die das norwegische und deutsche Konsulat passiert und mit einem Fest im Schloßpark vor dem Büro von Sydkraft und PreussenElektra abschließt.