Aus dem Kieler Rat

KWG-Verkauf komplett

Die Entscheidung war schon vorher gefallen (LinX berichtete), aber den 8.7.99 kann man sich mit Uhrzeit 20.20 Uhr als weitere Marke für einen SPD-Sündenfall im Kalender anstreichen, schwarz natürlich, statt rot. Zu diesem Zeitpunkt fiel im Kieler Rat die Entscheidung, dem Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) an die Hamburger Spekulantenfirma WCM für 250 Mio. DM zuzustimmen, einstimmig - mit Ausnahme der Grünen.

Vorangegangen war noch einmal eine Nulldebatte zum jeweiligen Abstecken der längst bekannten Positionen. "Die Wohnraumsituation, gerade im unteren Segment, wird wieder angespannt werden", kritisierte der grüne Ratsherr Hartmuth Kluth den Verkauf. Dann werde sich das Fehlen des "wohnungspolitischen Steuerungselementes" einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft bitter rächen. Das sah der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske anders: "Wohnungsbaupolitik hängt nicht an städtischem Wohnungseigentum." Und der CDU-Chef Arne Wullf ergänzte: "Wir werden andere Wege zur Schaffung von Wohnraum für sozial Schwache finden."

Das klingt angesichts der auch statistisch untermauerten Warnungen der Grünen wie das Pfeifen im Walde, ebenso wie Wolfgang Kotteks (SUK) Resümee: "Niemand muß Angst haben, niemand ein schlechtes Gewissen." Die Reste von "schlechtem Gewissen" beruhigte überdies ein interfraktioneller Resolutionsantrag von SPD/CDU/SUK, in dem die Ratsversammlung "ausdrücklich die Verdienste der KWG würdigt".

OB Gansel war dagegen wenigstens so ehrlich zuzugeben, "wir werden gelegentlich Probleme auf dem Wohnungsmarkt haben", aber daran sei "nicht der KWG-Verkauf schuld". Die KWG sei nie ein "Instrument zur Bevorratung von Wohnraum für Notzeiten" gewesen. Wer dahingehend argumentiere, betreibe "Legendenbildung". In der Begründung des Antrages der Verwaltung für den Verkauf hatte Gansel noch einmal ein besonders infames Verkaufsargument betont. Ein Verzicht auf den Verkauf sei deshalb "zutiefst unsozial", weil damit eine "Umverteilungsmechanik" vom städtischen Haushalt zu den Banken (Schuldendienst) weiterbestanden hätte. Mit dem Verkauf habe die Stadt jetzt "die Chance, diese Mechanik zu brechen". Daß sich diese Rhetorik fast bis aufs Wort mit der Nazi-Parole von der "Brechung der Zinsknechtschaft" deckt, war dem OB offenbar entgangen. Größere Bedenken aus den Reihen der SPD kamen allein vom ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Eckehard Raupach, der in der neoliberal gewendeten Kieler SPD inzwischen als "Linker" gilt. Er bezeichnete den Verkauf als "nicht glückliche, aber akzeptable Entscheidung".

Daß, wer Wohnungen kapitalisiert, nicht damit rechnen kann, daß das Kapital an den Belangen "sozial Schwacher" interessiert ist, wird sich bereits in den nächsten Monaten zeigen, wenn die WCM ihr wahres Gesicht zeigt. Ihr Partner RSE, mit dem sie voraussichtlich im Dezember fusionieren wird (LinX berichtete), hat in Berlin bereits vorgeführt, was die Unternehmenspolitik des monströsen Miethais bedeutet: Umwandlung in Eigentumswohnungen, so schnell es geht und mit kräftiger Rendite. Wenn die KWG-MieterInnen Glück haben und es den Kapitalisten gefällt, nicht nur den Buchstaben, sondern auch den Geist des Kaufvertrages einzuhalten, bleibt ihnen noch die vertraglich festgelegte Sperrfrist von 5 Jahren. Dann wird sich Jürgen Fenskes Satz erbarmungslos bewahrheiten, wenn auch anders, als der KWG-Verschacherer es heute meint: "Der Verkauf ist der bedeutendste Beschluß in dieser Wahlperiode, vor allem was die Auswirkungen auf die Mieter betrifft."

(jm)