Aus dem Kieler Rat

KWG im Netz von Miethaien

Die Kieler SPD hat auf ihrem Sonderparteitag am 29.6. die Weichen für den endgültigen Beschluß der Ratsversammlung (am 8.7. - nach Redaktionsschluß) gestellt, die Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) komplett an die Hamburger Spekulantenfirma WCM zu verkaufen. Im Vorfeld des Parteitages hatte sich bereits abgezeichnet, daß nur wenige "Sozial"demokraten gegen den vollständigen Verkauf stimmen würden. Bis auf den Ortsverein Gaarden hatten alle Ortsvereine Zustimmung signalisiert. Die Gaardener SPD ist strikt gegen einen Verkauf, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeiternehmerfragen (AfA) monierte den zu niedrigen Kaufpreis von 250 Mio. DM (LinX berichtete). Dennoch gab es eine sehr deutliche Mehrheit für den Verkauf, wenn auch nicht die 90%, von denen die "Kieler Nachrichten" berichteten.

Die große Mehrheit der Befürworter argumentierte vor allem mit dem durch den Verkaufserlös möglichen Schuldenabbau der Stadt von fast 1 Mrd. DM auf rund 700 Mio. DM. Zudem führte der Vorsitzende der Ratsfraktion, Jürgen Fenske, ins Feld, der Verkauf trage "deutlich eine sozialdemokratische Handschrift", weil die Ratsversammlung durchgesetzt habe, daß der Verkauf an soziale Bedingungen geknüpft worden sei (LinX berichtete). Die Gegner hingegen sehen in diesem "neoliberalen Weg der Privatisierung" die Gefahr, daß der Verkaufserlös alsbald durch Folgekosten stark gemindert werden könnte. Durch den Verlust an preiswertem Wohnraum für Sozialhilfeempfänger könnten der Stadt unabsehbar erhöhte Wohngeldkosten entstehen. OB Norbert Gansel wandte dagegen in der ihm eigenen (Un-) Logik ein: "Wir machen Politik, damit aus Sozialhilfeempfängern wieder Arbeitnehmer werden, die, sofern sie arbeitsfähig sind, ihre Miete selbst bezahlen können." Unter "veränderten Bedingungen" sei das der Kurs der SPD auf dem Weg "unserer guten alten Werte".

Harte Kritik übte der Mieterverein bereits vor dem Parteitag. Da die Bonner Sparbeschlüsse praktisch das Ende des sozialen Wohnungsbaus bedeuteten, wirke sich die Veräußerung städtischen Wohnungseigentums dahin aus, daß der Sozialhilfeetat in Zukunft weiter belastet werde. Die Stadt müßte insofern eigentlich ein Eigeninteresse an preiswertem Wohnraum in ihrem Besitz haben. Nach dem Beschluß des SPD-Parteitages überlegte der Mieterverein, den Verkauf durch ein Bürgerbegehren in letzter Minute zu stoppen. Dazu müßten allerdings 25.000 Unterschriften gegen den Verkauf gesammelt werden, innerhalb von einem Monat nach dem Ratsbeschluß - in den Sommerferien kein leichtes Unterfangen.

Nach Auffassung des städtischen Rechtsamtes wäre aber selbst ein erfolgreiches Bürgerbegehren wirkungslos. Der Vertrag mit der WCM sei nämlich bereits geschlossen, mit dem einzigen Vorbehalt der Zustimmung der Ratsversammlung. Damit werde der Vertrag sofort rechtskräftig, wenn die Ratsversammlung zustimmt. Die Zustimmung ist so gut wie sicher. Lediglich die Grünen sind gegen den Verkauf, die ihre Ablehnung in einer Mitgliederversammlung nochmals bekräftigten. Für den Ratsherrn Hartmuth Kluth gibt die Stadt mit dem Verkauf einen "elementaren Bereich kommunaler Daseinsvorsorge" auf. In den kommenden Jahren werde der Bedarf an sozialem Wohnraum weiter steigen, auf den Sozialhaushalt kämen dann "schwere Belastungen" zu.

Währenddessen hat die WCM bereits zum nächsten großen Deal ausgeholt. Am 1.7. berichtete die "Berliner Morgenpost", daß die WCM mit der Immobilienfirma RSE fusionieren wird. Bereits jetzt ist die WCM der größte Einzelaktionär der RSE. Im gesamten Bundesgebiet wird der entstehende Riese dann mehr als 100.000 Wohnungen besitzen. Erklärte Absicht der RSE, die Ende des vergangenen Jahres 30.000 Wohnungen u.a. in der Berliner Gropiusstadt gekauft hat (für 930 Mio. DM vom Berliner Senat und der DAG), ist deren schnellstmögliche Umwandlung in Eigentumswohnungen. Nicht zuletzt wegen solcher Unternehmenspolitik sieht die Kieler PDS die im KWG-Deal ausgehandelten sozialen Bedingungen gefährdet. "Nach der Fusion von WCM und RSE", so Pressesprecher Uli Schippels, "könnten auch die mit der Stadt vereinbarten Überbrückungsmaßnahmen zur Sicherung der Rechte der MieterInnen von KWG-Wohnungen zur Disposition gestellt werden." Die RSE hatte gegenüber der "Berliner Morgenpost" erklärt, daß sich an ihrer Unternehmenspolitik durch die Fusion nicht ändern werde. Der entstehende Immobilienriese, dessen Aktien sofort nach der Mitteilung der Fusionsabsichten explosionsartig in die Höhe schnellten (die Fusion wird voraussichtlich im Dezember von den Aktionärsversammlungen beschlossen), wird der größte Miethai der Republik sein. Vor diesem Hintergrund erscheint der 250 Mio.-Deal mit der KWG, dem die Stadt Kiel ins Netz gegangen ist, geradezu als kleiner Fisch. Die KWG-MieterInnen werden die Folgen ausbaden müssen.

(jm)