Aus dem Kieler Rat

Geruch nach Filz

Heftiger Streit im Rat um VVK-Arbeitsdirektor

Im Februar hatte die Ratsversammlung mit der Mehrheit der SPD eine Umstrukturierung des stadteigenen VVK-Konzerns (mit den Töchtern Stadtwerke, KVAG und SFK) beschlossen (LinX berichtete). Ziel wie immer: Sparen, Effizienzsteigerung durch (Teil-) Privatisierung, Schwächung der Arbeitnehmerinteressen. Nun macht die Kieler SPD einen schwer zu durchschauenden Schachzug - schwer zu durchschauen deshalb, weil die Interessenlage unklar ist. Sie will den Posten des VVK-Arbeitsdirektors wiederbesetzen, und zwar mit dem bisherigen Betriebsratsvorsitzenden Joachim Kistenmacher.

Für die Opposition im Rat ist das unzumutbar. Vor allem deshalb, weil der Posten hochdotiert ist und dem von der SPD mitbeschlossenen Umstrukturierungskonzept entgegensteht, das u.a. eine Verkleinerung des VVK-Vorstands vorgesehen hatte. Daß die SPD den Posten des VVK-Arbeitsdirektors, der nach dem gesundheitlich bedingten Rücktritt von Siegfried Scholz vakant geworden war, dennoch wiederbesetzen will, darin sieht die CDU das Werk von "SPD-Amigos", und SUK-Fraktionschef Wolfgang Kottek erschnüffelt "Geruch nach Filz". Gleichwohl verlangen die Arbeitnehmervertreter der VVK eine sofortige Wiederbestellung des Arbeitsdirektors und drohten mit einer Klage, falls die Stadt sich weigere.

Entsprechend gereizt war die Stimmung in der Ratsversammlung vom 8.7. Die CDU hatte beantragt, den Arbeitsdirektor nicht zu bestellen, solange das neue Unternehmenskonzept noch nicht vorliegt, denn sie befürchtet, daß "nach Bestellung des Arbeitsdirektors der Vorstand nicht mehr verkleinert werden kann", so Ratsherr Gerd Rogacki. Die SPD-Fraktion beantragte alternativ sofortige Bestellung. Grund: Nach dem Mitbestimmungsrecht sei in einem Unternehmen mit mehr als 2.000 MitarbeiterInnen die Bestellung eines Arbeitsdirektors rechtlich zwingend.

Wem nützt es?

Somit ist die Sache klar - könnte man denken. Doch es gibt Hinweise, daß die SPD die rechtlichen Bestimmungen lediglich als Alibi benutzt und auch weniger die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen im Vorstand im Auge hat, als einem verdienten Genossen noch kurz vor Toresschluß (der anberaumten Umstrukturierung des Unternehmens) einen lukrativen Posten zu verschaffen. Neben der Tatsache, daß die Stelle nicht öffentlich ausgeschrieben wird - inzwischen gängige Praxis beim Ämterschacher der SPD, zudem im Gegensatz zum eigenen Beschluß vom Februar -, sprechen dafür Details wie dieses: Der ursprüngliche Alternativantrag der SPD enthielt die Passage: "Bei der Ausgestaltung des Dienstvertrages ist von dem Grundsatz 'Besoldung wie in der Privatwirtschaft, keine Versorgung wie im öffentlichen Dienst' auszugehen." In einer Neuvorlage am Tag der Ratsversammlung war dieser Passus ersatzlos gestrichen. Ferner ist der Arbeitsdirektor nur vorgeschrieben für Unternehmen ab 2.000 MitarbeiterInnen. Die SPD selbst hatte aber bereits in dem Beschluß zur Unternehmensumstrukturierung davon gesprochen, daß die Mitarbeiterzahl unter 2.000 sinken werde. Sie plant also rapiden Arbeitsplatzabbau bereits ein, wenngleich OB Gansel auf eine kleine Anfrage der Grünen vage geantwortet hatte, daß "die gegenwärtige Arbeitnehmerzahl (...) mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Dauer der Aufsichtsratsperiode (bis 2003) erhalten bleibt". Vor diesem Hintergrund erscheint die Wiederbesetzung umso mehr dadurch motiviert, daß man vor dem Schrumpfungsprozeß noch schnell eine gut dotierte Stelle vergeben will. Paradox dann auch die Fronten im Rat: CDU, SUK und Grüne (!) plädierten für "notwendige Rationalisierungen", sonst Part der neoliberal gewendeten SPD, während die SPD sich seit langem wieder einmal für Mitbestimmungsrechte einsetzte, freilich sehr durchsichtig nur aus taktischen Gründen.

Parlamentarische Tricks und Eiertänze

Im Rat gab es jedoch noch ein ganz anderes Problem. Wie seit langem ohne Widerspruch praktiziert, sollten die Ratsmitglieder, die auch in den Aufsichtsräten der VVK-Unternehmen sitzen, wegen möglicher Befangenheit während Beratung und Beschlußfassung den Saal verlassen. Das hatte aber zur Folge, daß die SPD ihrer 1-Stimmen-Mehrheit verlustig ging, so daß die Fraktion eine längliche Diskussion über die angeblich nicht bestehende Befangenheit vom Zaun brach. Schließlich wurde abgestimmt, wobei wiederum unklar war, ob die fraglichen Ratsmitglieder über ihre eigene Befangenheit oder Nichtbefangenheit abstimmen dürfen. Die SPD unterlag knapp mit 16 gegen 17 Stimmen, die Abgeordneten mußten draußen bleiben - und mehrfach von der Stadtpräsidentin ermahnt werden, nicht heimlich auf der Zuschauertribüne Platz zu nehmen.

So mußte die SPD ihren schon mehrfach angewandten Standardtrick wählen, um den CDU-Antrag, dem sich SUK und Grüne angeschlossen hatten, zu verhindern: Vertagung, wozu eine Drittelminderheit ausreicht, die die SPD locker zusammenbrachte. Die in der Debatte immer wieder betonte Dringlichkeit der Wiederbesetzung hatte die SPD somit selbst ad absurdum geführt.

Dann eben ohne den Rat

Am Tag nach der Ratsversammlung versuchte man dann, Fakten zu schaffen. Die Aufsichtsräte (mehrheitlich mit SPD-Ratsmitgliedern besetzt) beschlossen die Wahl Kistenmachers zum Arbeitsdirektor am 26.7. Für die CDU ist das "skandalös" (Fraktionsvorsitzender Arne Wulff), zumal sie bereits insofern eingelenkt hatte, daß ein Arbeitsdirektor wohl bestellt werden müsse, daß diese Aufgabe jedoch der kaufmännische Direktor der VVK, Eckhard Sauerbaum, mit übernehmen könne, der Vorstand also nicht erweitert werden müsse. Die SPD, so Wulff, habe mit ihrem Vertagungsbeschluß selbst eingestanden, daß noch Beratungsbedarf bestehe, wolle aber jetzt vollendete Tatsachen schaffen. SPD-Fraktionschef Fenske vertrat dagegen die Auffassung, eine Zustimmung des Rates zur Wahl des Arbeitsdirektors sei "nicht zwingend und juristisch-faktisch nicht bindend", insofern könne man auch ohne Ratssitzung während der Sommerpause entscheiden. Warum ihm derlei Rabulisterei erst nach der Ratsversammlung einfiel, sagte Fenske nicht. Auch eine Betrauung von Sauerbaum mit dem Job des Arbeitsdirektors sei "gegen den Willen der Arbeitnehmer" nicht möglich.

Lutz Oschmann von der Grünen empörte sich über den Entschluß des Aufsichtsrats, damit werde der einstimmige Beschluß vom Februar zur Umstrukturierung mißachtet und auch der "überfällige Neubeginn beim VVK" gefährdet, denn der "steht und fällt mit den Führungspersonen". Die Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff warnte indes vor einem Vertrauensverlust durch das "kleinliche Gezänk" um den VVK-Vorstand. Deshalb, so schlug sie vor, sollten nicht mehr Ratsmitglieder die Aufsichtsratsposten übernehmen, sondern hauptamtliche Dezernenten. Letztlich läuft ein solcher Vorschlag jedoch auf eine weitere Entmachtung der Ratsversammlung im Verhältnis zu der sich oft genug selbstherrlich gebärdenden Verwaltung unter OB Gansel hinaus, was Dickhoff mehrfach kritisiert hatte. Der Beifall von der falschen (oder angesichts des grünen Vorschlag wohl richtigen) Seite kam sofort: Gansel nannte den Vorschlag "konstruktiv". Die Wettbewerbsfähigkeit der städtischen Unternehmen werde nur gesichert, wenn sie aus dem politischen Streit herausgehalten würden. Genau das, nämlich Entscheidungen ohne lästige Beteiligung des Stadtparlaments, will aber auch die SPD, was Dickhoff mit ihrem Vorschlag somit nolens volens unterstützt.

(jm)