Internationales

Sittenwidrige Schulden streichen

Während die Regierung des neuen Südafrika das Schuldenproblem des Landes im Ausland herunterzuspielen versucht, verlangen die sozialen Bewegungen am Kap die Streichung. Vor allem die Tatsache, daß die meisten Verbindlichkeiten aus Apartheid-Zeiten stammen, ruft Gewerkschafter und langgediente antirassistische Aktivisten auf den Plan. George Dor ist beim südafrikanischen Zweig der internationalen Kampagne Jubilee 2000 zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Jubilee 2000 wirbt weltweit für den Erlaß der Schulden der ärmsten Länder. Viele Mitgliedsorganisationen aus den Ländern des Südens haben allerdings weitergehende Forderungen.

(wop)

LinX: Warum weigert sich Jubilee 2000 Südafrika, die Schulden des Landes anzuerkennen?

George Dor (G.D.): Weil sie die Apartheid finanziert haben. Sie sind in Militärausgaben, den Staatshaushalt des Regimes und in Infrastrukturmaßnahmen für die Weißen geflossen. Wenn wir die zurückzahlen, hieße das, daß die Armen zweimal für das Apartheid-Regime bezahlen müssen. Zuerst haben sie unter der Apartheid gelitten, nun leiden sie, weil wegen der Bedienung der Schulden kein Geld für sie da ist. 20% des Staatshaushaltes gehen derzeit in den Schuldendienst, während die Kommunen weniger als 1% bekommen. Was das bedeutet, sieht man z.B. daran, daß 12 Mio. Menschen in Südafrika noch immer keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

LinX: Nun behauptet ihre Regierung gegenüber europäischen Gläubigern, daß die Auslandsschulden kein Problem seien.

G.D.: Tatsächlich ist die direkte Verschuldung des Staates im Ausland vergleichsweise gering, und zwar nur ca. 1,5 Mrd. US-$. Hinzu kamen 1993 allerdings weitere 24,3 Mrd. US-$ Schulden privater und staatlicher Unternehmen. Wesentlich größer ist die inländische Staatsverschuldung, die 1993, als die Übergangsregierung gebildet wurde, rund 29,5 Mrd. US-$ betrug. Es geht also um mehr als die Auslandsschulden der Regierung. All das sind für uns illegale Apartheidschulden, die gestrichen werden müssen.

LinX: Weshalb illegal?

G.D.: Es hat UN-Resolutionen gegeben, die den Boykott Südafrikas gefordert haben. Wir, d.h. die südafrikanische Antiapartheidsbewegung, haben die Banken aufgefordert, dem Regime keine Kredite zu geben. Sie haben es trotzdem getan. Deutsche, schweizer, britische und US-amerikanische Banken haben Geld im vollen Bewußtsein dessen gegeben, daß es an ein illegitimes Regime geht. 1985 war die Regierung Botha zahlungsunfähig. Hätte es seinerzeit keine Umschuldungsaktion der Banken, d.h. neue Kredite, gegeben, dann wäre das Ende der Apartheid wahrscheinlich beschleunigt worden.

Unsere Kampagne hat auch einen wichtigen moralischen Aspekt: Den Banken muß klar gemacht werden, daß sie nicht von Investitionen in die Apartheid profitieren können, damit sie dies in Zukunft nicht mit anderen Regimen wiederholen. Darum solltet ihr auch in Deutschland kämpfen.

LinX: Das Apartheid-Regime hat - zumindest indirekt - das Geld auch für seine Kriege genutzt.

G.D.: Ja. Angola und Mozambique wurden zerstört, die Volkswirtschaften Zimbabwes und Sambias schwer geschädigt. 115 Mrd. US-$ Schäden wurden nach unseren Berechnungen von Südafrika in seinen Nachbarländern angerichtet. Bei unserer Kampagne geht es also nicht nur um unser Land, sondern die Probleme des gesamten südlichen Afrikas. Es gibt auch bereits eine Zusammenarbeit mit Gruppen in diesen Staaten.

LinX: Wie seid ihr in Südafrika organisiert?

G.D.: Wir haben lokale und regionale Strukturen. Bei Jubilee Südafrika machen Kirchen, soziale Bewegungen und Universitäten mit. Was die Gewerkschaften angeht, müssen wir noch viel Arbeit leisten, um diese einzubeziehen. Auch im ANC und im Parlament gibt es einiges an Unterstützung für die Kampagne, und mancher Minister ist über die Kürzungen in seinem Etat ziemlich frustriert, so daß wir auch dort hin und wieder offene Ohren finden. Das Problem ist der Finanzminister, der Angst hat, daß das Land an Kreditwürdigkeit verlieren könnte.

LinX: Hat er damit nicht recht? Wenn die Schulden nicht gezahlt werden, wird es schwer und teuer sein, an neue Kredite zu kommen.

G.D.: Unser Ziel ist nicht ein einseitiger Zahlungsstop. Wir wollen ein internationales Übereinkommen über die Streichung der Schulden. Solche Abkommen hat es in der Vergangenheit schon mehrfach gegeben. Das hätte keinen negativen Einfluß auf die Kreditwürdigkeit. Aber uns ist auch der politische Aspekt wichtig. Wir wollen im internationalen Recht durchgesetzen, was es im zivilen Recht schon gibt, nämlich, daß gewisse Kredite als sittenwidrig anzusehen und deshalb die Schulden nichtig sind. Kampagnen in Deutschland und der Schweiz wären sehr wichtig, um das durchzusetzen.