KERNspalte

Die Umwelt-Aktionsgruppen werden wieder aktiv. Nachdem Robin Wood am 11.7. Blockaden aus Dreibeinstativen, an denen sich ein Aktivist aufgehängt hatte, vor den Zufahrten der AKWs Krümmel, Biblis und Grafenrheinfeld errichtet hatte, um für den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft zu demonstrieren, haben Greenpeace-Aktivisten mit den Schiffen "Greenpeace" und "Sirius" die Abfahrt der Plutonium-Frachters "Pacific Teal" und "Pacific Pintail" aus dem englischen Hafen Barrow-in-Furness und dem französischen Cherbourg um einige Stunden verzögert - mit drastischen Konsequenzen für die Ökopaxe: Bei den Barrow Docks wurden 7 Protestler verhaftet, und die BNFL (Betreibergesellschaft von Sellafield) erreichte einen Gerichtsbeschluss in London und Cherbourg, der jede Art von Protest gegen den Plutonium-Transport nach Japan verbietet und bei Zuwiderhandlung Geldstrafen von 1 Mio. Franc vorsieht. Da diese Zuwiderhandlung nun eingetreten ist, wurde das Konto der Organisation in Amsterdam gerichtlich beschlagnahmt.

Am 19.7. verließ die "Pacific Teal" Barrow, um in Cherbourg beladen zu werden, wo sie am 21.7. auslief, um sich auf hoher See mit dem Schwesterschiff "Pacific Pintail" zu treffen, das in Barrow mit Brennelementen aus Sellafield beladen worden war. Insgesamt sollen sie ca. 446 kg waffenfähiges Plutonium in 40 MOX-Brennelementen bei leichter Bewaffnung - 7 to Munition - auf geheimgehaltenem Kurs nach Japan bringen. Dabei durchqueren sie die Hoheitsgewässer mehrerer Staaten, die gegen den Transport protestiert hatten und zwar über die Absichten "informiert", aber eben nicht um Erlaubnis gefragt worden waren. Die Plutonium haltigen Brennelemente sollen in die Atomreaktoren von Takahama und Fukushima geladen werden, obwohl sie, wie Krümmel, für deren Einsatz nicht konzipiert waren. BNFL hofft, mit diesem Deal die Genehmigung für die Fertigstellung einer großen MOX-BE-Fabrik in Sellafield zu fördern, die bisher vor allem wegen ihrer absehbar mangelnden Auslastung (7% vertraglich abgesichert) Skepsis im Blair-Kabinett hervorruft.

Schlechter als Geld-weg ist Leben-weg. Eine Gruppe von pakistanischen Gewerkschaftern, die gegen das Nuklearprogramm ihrer Regierung in Gujrat mit T-Shirts demonstrierten ("We want bread not nuclear bombs"), wurde von der pakistanischen Polizei festgenommen, geschlagen und in Haft gefoltert. Einem Teil von ihnen droht jetzt eine Anklage wegen Hochverrats, der in Pakistan traditionell mit der Todesstrafe geahndet wird.

Mit Traditionen hält es die australische Regierung da ganz anders. Sie will eine neue Uranmine in der Kakadu Region in Nordaustralien eröffnen. Das Land ist traditionell Heimat eines Aboriginal-Clans, der sich mit Umweltschützern gegen die Uran-Mine verbündet hat. Das ist nun auch sehr nötig, da die UNESCO nach Gesprächen mit der Regierung nicht mehr intervenieren will.

Die deutsche Regierung will neue AKWs bauen - nicht in Deutschland, aber in der Ukraine, wo sich Schröder nur wenig Mühe gab, die Tschernobyl-Betreiber von Alternativen zur Kernenergie zu überzeugen, und nun auch in Slowenien: Mit einer 36-Millionen-Bürgschaft für die Modernisierung des AKW Krsko. Da war sogar die CDU empört. 111,6 Mio. Euro kriegt die Ukraine übrigens sowieso schon mal von der Europäischen Entwicklungsbank für die Erneuerung des Sarkophags um den explodierten Reaktor 4 von Tschernobyl. Diese Arbeiten seien so wichtig, dass auf einen Beschluss über den Kredit für K2R4 (siehe letzte LinX) nicht gewartet werden kann.

Nun gibt es doch Anzeichen, dass Castor-Transporte früher als 2001 stattfinden werden. Niedersachsens Innenminister Bartling will BE-Transporte z.B. aus Stade auch während der Expo zulassen, um Entsorgungsnotstände zu vermeiden (die Abklingbecken in Stade sind voll). Zudem seien solche Abtransporte "weniger umstritten" als etwa die Castor-Transporte nach Gorleben, die während der EXPO nicht stattfinden sollen (Juni-Oktober 2000). Trotzdem wird auch hier ein früherer Transport immer wahrscheinlicher, da die Brennelementlager-Gesellschaft Gorleben sich bereit zeigte, einen Teil der Baukosten für die marode Jeetzel-Brücke zu übernehmen, und Bartling den Ausbau der Bahnstrecke bis ins Zwischenlager Gorleben vorantreiben will, sogar unter Umgehung üblicher Genehmigungsverfahren: Eine nur für die neuen Bundesländer geltende Vorschrift zum beschleunigten Ausbau von Verkehrswegen soll hier "ausnahmsweise" angewendet werden. Der Ausnahmezustand scheint bei Atomlobbyismus der Regelzustand zu sein. Verglichen mit den Kosten für den Polizeieinsatz bei Castor-Transporten sei der Ausbau der Bahnstrecke lächerlich billig (8 Mio. DM), und die sei dann viel leichter zu schützen (na, wir werden sehen!). Zeitraubende Enteignungen sollen weitestgehend vermieden werden, indem die Trasse entlang von Straßen möglichst über Bundes- und Landeseigentum führt.

Da hält es die Wendland-Grünen und die Grüne Jugend Niedersachsens (GJN) nicht länger. Sie fordern jetzt eine Sonder-Landes- und Bundesdelegierten-Konferenz zum Thema "Atomausstieg", wo sie mit konsequent-waschlappigen Forderungen nach 25 Jahren Gesamtlaufzeit ihrem Jürgen ("der einzige, der sich noch an die Koalitionsvereinbarung erinnert") den Rücken stärken wollen. Rebecca Harms über Parteifreund Rezzo Schlauch, der Restlaufzeiten für nicht so wichtig befand: Diesen Äußerungen "ging ein Forellenessen beim Kanzler voraus, auf dem auch ein guter Weißwein getrunken wurde. Herr Schlauch ist offenbar nach diesen Genüssen in der Sache nicht mehr ganz sortiert gewesen. Er sollte künftig fröhliche Anlässe und Äußerungen zum Atomausstieg trennen".

Ob der Lokführer eines Zuges mit einem Container Atommüll auf dem Bahnhof Biblis ebenfalls einen fröhlichen Anlass hatte, als er am 16.7. zu spät bremste und der Atommüll-Waggon auf einen leeren Güterwagen prallte, ließ sich aus den Pressemeldungen nicht entnehmen. Auf jeden Fall hat er jetzt einen, denn der Müllcontainer blieb unbeschädigt, und Strahlung trat nicht über das übliche Maß hinaus aus, sagen Experten des Landesumweltamtes Hessen. Selbiges gilt für ein erneutes Leck in einem japanischen AKW, Genkai, wo am 19.7. Seewasser aus der Turbinenkühlung austrat. Die Leistung wurde auf die Hälfte gedrosselt. Eine lockere Haltung, die sich auch in dem lecken Reaktor Tsuruga manifestierte, indem nur 4 Stunden nach Austritt von 51 Tonnen radioaktiven Kühlwassers 70 Besucher durch die Anlage geführt wurden. Begründung: "Wir wollten die Sicherheit unserer Anlage demonstrieren." Hai, Sensei!

(BG)