Aus dem Kieler Rat

Wolf im Schafspelz?

Aufsichtsräte der VVK wählten neuen Arbeitsdirektor

Ungeachtet der Auseinandersetzungen in der letzten Ratsversammlung vor der Sommerpause (8.7.) haben die Aufsichtsräte der stadteigenen VVK am 26.7. Joachim Kistenmacher, den bisherigen Betriebsratsvorsitzenden, zum neuen Arbeitsdirektor gewählt. Die Oppositionsfraktionen im Rat hatten in der Wahl einen Verstoß gegen einen im Februar gefassten Beschluss der Ratsversammlung gesehen (LinX berichtete). Damals hatte man beschlossen, das Leitungsgremium der VVK mittelfristig zu verkleinern. Die SPD hingegen berief sich darauf, dass in einem Unternehmen mit mehr als 2.000 MitarbeiterInnen die Bestellung eines Arbeitsdirektors vom Mitbestimmungsgesetz zwingend vorgeschrieben werde, der Rat also im Grunde nicht zuständig sei.

Joachim Kistenmacher

Dass es der SPD aber weniger um die Einlösung von ArbeitnehmerInnenrechten geht, als "ein Personalversprechen zu erfüllen", wie CDU-Fraktionschef Arne Wullf mutmaßte, hatte sich schon in der Ratsdebatte zwischen den Zeilen herauslesen lassen. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass es kurz vor der Wahl Kistenmachers noch zu einem kleinen Scharmützel zwischen Belegschaftsvertretung und dem Eigner Stadt kam. Die VertreterInnen der VVK-Beschäftigten, die in den Gremien die Hälfte der Stimmen inne haben, hatten durchsetzen wollen, dass Kistenmacher, wie bislang bei der Bestellung eines Arbeitsdirektors üblich, auf 5 Jahre gewählt wird, wogegen sich aber die Stadt verwahrte. 2003, in 4 Jahren also, soll durch die Rationalisierung die Beschäftigtenzahl auf unter 2.000 sinken. Während also die ArbeitnehmerInnen mit dem Arbeitsdirektor offenbar eine Bremse gegen Rationalisierung und auch die schon anvisierte Teilprivatisierung der Unternehmensgruppe installieren wollten, baute die SPD genau dagegen eine Option ein, indem Kistenmacher nur bis 2003 bestellt wurde.

Den Vorwurf der Opposition, die SPD schachere mit gut bezahlten Posten, versuchte OB Norbert Gansel zu entkräften, indem er sich mit seiner Forderung durchsetzte, die 14 Monatsgehälter à 20.000 DM für den Arbeitsdirektor auf 13 à 17.000 DM zu reduzieren. Freilich ist das damit immer noch ein lohnender Posten. Das weiß auch die Opposition und sparte deshalb nach der Wahl nicht mit Kritik. Die richtete sich gegen eine "Übermacht der Arbeitnehmer im Unternehmen", die Dirk Hammerich von der SUK auch darin sieht, dass die Stelle des technischen Direktors, die noch bis November von Bernd Kregel-Olff bekleidet wird, nicht neu ausgeschrieben, sondern von Kistenmacher kommissarisch mit übernommen werden soll. Die grüne Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff sah die VVK nach der Wahl Kistenmachers als SPD-Unternehmen, obwohl die VVK "nicht der SPD-Fraktion und schon gar nicht den Einzelpersonen, die von der SPD in den Aufsichtsrat geschickt wurden, gehört".

Schirmer zieht Konsequenzen

Auch im Lager der SPD scheint die Wahl Kistenmachers aber nicht unumstritten. Am 28.7. kündigte Stadtrat und SPD-Mitglied Erich Schirmer an, er werde in der ersten Ratsversammlung nach der Sommerpause (16.9.) von seinem Aufsichtsratsposten zurücktreten. Eine genaue Begründung gab Schirmer nicht. Wie aus dem Kreis der Aufsichtsräte jedoch verlautet, hatte er sowohl die Höhe des Gehalts des neuen Arbeitsdirektors wie auch das Procedere seiner Bestellung mehrfach kritisiert. Gerüchten zu Folge hatte es im dichten Gespinst des SPD-Filzes lange vor der Wahl Kistenmachers geheime Absprachen gegeben, was die SPD natürlich entschieden dementierte. An der Abstimmung zur Wahl Kistenmachers nahm Schirmer nicht teil, angeblich um nicht in Konflikte mit seinen Parteifreunden zu geraten.

Arne Wulff (CDU) bezeichnete den Rücktritt als "konsequent" und sah in Schirmer einen "Genossen mit Rückgrat, leider auf verlorenem Posten". Edina Dickhoff hatte ebenfalls "große Anerkennung" für Schirmer übrig. In seiner Äußerung, er sehe "keine ausreichenden Möglichkeiten mehr", seinen "Sachverstand in den Aufsichtsrat einzubringen", sah sie "schon eine sehr herbe Kritik an der Qualität der Besetzung". Falls die SPD jetzt auch noch diesen Posten wieder beanspruche, so kündigte Dickhoff an, werde man möglicherweise zusammen mit der SUK eine Zählgemeinschaft für die Neubesetzung bilden. Die SUK selbst hatte ebenfalls die "Ränkespiele" der SPD kritisiert und forderte, dass "nun alle Fakten" rund um die Wahl Kistenmachers "auf den Tisch" müssten.

Der SPD-Fraktionschef Jürgen Fenske schoss zurück: Angesichts der Tatsache, dass der Vorschlag für die Gehaltsreduzierung Kistenmachers aus den Reihen der SPD gekommen und die Wahl allein "von den Auflagen des Mitbestimmungsgesetzes ... und der persönlichen Qualifikation Kistenmachers" bestimmt gewesen sei, seien "die immer wieder neu erhobenen Vorwürfe und die bigotte Haltung der anderen Fraktionen ungeheuerlich" und hätten "die Grenzen des Erträglichen überschritten". Auch Hans-Werner Tovar wies die Vorwürfe, insbesondere er sei Protagonist von Absprachen mit den Betriebsräten gewesen, als "gegenstandslos und unredlich" zurück. Zur Begründung der Wahl Kistenmachers als "dringend geboten" griff er dabei auch noch einmal in die Mottenkiste alter SPD-Ideologeme, die die Partei in ihrem Handeln längst hinter sich gelassen hat: "Die Wahl eines Arbeitsdirektors war unumgänglich. In den Zeiten des Umbruchs mit der Liberalisierung des Strommarktes müssen die massiven Veränderungen auch von der Arbeitnehmerseite begleitet werden." Im Klartext: Die ArbeitnehmerInnen sollen an ihrer Entrechtung durch Privatisierung und Rationalisierung mitwirken. Kistenmacher könnte dafür genau der richtige Wolf im Schafspelz von Mitbestimmungsrechten sein. Für den Posten hatte er sich mit der Erklärung bedankt, er wolle "mithelfen, die Stellung des Unternehmens am Markt zu sichern". Und wie man das macht, darüber sind die neoliberale SPD und die Opposition (einschließlich der Grünen!), die mit dem Arbeitsplatzabbau nicht bis 2003 warten will, nur zeitweilig taktisch vorübergehend unterschiedlicher Meinung.

(jm)