Anti-Militarismus

Keine "saubere" Kriegsführung

Hiroshima-Gedenktag: Warnung vor Uran-Geschossen

"Give Peace a Chance" stand auf dem Banner vor dem PDS-Stand. Über ähnlich inhaltsleere und zahnlose Friedensappelle kam auch der diesjährige Hiroshima-Gedenktag am 6.8. im Hiroshima-Park kaum hinaus. Die traditionsreiche Veranstaltung der Kieler Friedensbewegung, das zeigte sich dieses Jahr einmal mehr, ist zum weitgehend folgenlosen Ritual geworden, bei dem man peacig Lotosblüten faltet und sich ansonsten einig ist, dass Krieg irgendwie eine schlimme Sache ist.

(Foto: jm)

Dennoch gab es einen Stein des Anstoßes. Dass die Stadtpräsidentin Cathy Kietzer als Schirmfrau des Arbeitskreises Städtesolidarität, der den Gedenktag zusammen mit den Friedensinitiativen alljährlich organisiert, diesmal fehlte, war kein Zufall. So verlautete es jedenfalls aus Kreisen der Veranstalter. Offiziell hieß es, Kietzer sei wegen eines Termins in Rostock verhindert. Jedoch soll das Absicht gewesen sein, denn über die Stellung der Veranstalter zum Kosovo-Konflikt ist es im AK Städtesolidarität offenbar zu unüberbrückbaren Differenzen gekommen.

Die ließen sich dann auch im Redebeitrag von Siegfried Lauinger vom IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges) erahnen. Lauinger sprach über die im Kosovo-Krieg von der NATO eingesetzten Uran-Geschosse und forderte deren weltweite Ächtung. Ein Einsatz der rot-grünen Bundesregierung für eine solche Ächtung sei jedoch nicht erkennbar. Statt dessen, so Lauinger, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, "hat sich die Bundesregierung über Völkerrecht und Grundgesetz hinweg gesetzt, um einen Angriffskrieg zu führen". Deutliche Worte, leider die einzigen bei diesem Hiroshima-Gedenktag, denn zu Beginn hatte man noch der Stadtpräsidentin, die solcherlei nicht hören wollte, für die "Unterstützung" gedankt.

Dass es über das folgenlose Gedenkritual hinaus genug Betätigungsfelder für eine derzeit kaum noch arbeitsfähige Friedensbewegung gibt, zeigte Lauinger in seinem Kurzreferat auf. Zwischen 300 und 900 Tonnen uranhaltiger Geschosse seien im Irak-Krieg von den Alliierten verschossen worden. Die panzerbrechende Munition enthält abgereichertes Uran, ein Abfallprodukt der Atom-Industrie, das zivil nicht nutzbar ist. Wegen seines spezifischen Gewichts, das knapp doppelt so hoch ist wie das von Blei, durchschlägt das Uran-Geschoss beinahe jede Panzerung. Beim Auftreffen verbrennt das Uran zu Uran-Dioxid, das sich als fein verteilter Staub in der Atmosphäre verbreitet und am Boden niederschlägt. Auch Blindgänger bilden eine Gefahr, denn sie rosten vor sich hin, wobei ebenfalls Uran-Dioxid entsteht. Zwar ist abgereichertes Uran ein Alpha-Strahler mit geringer Reichweite, deswegen ist die Handhabung der Munition relativ gefahrlos, wird es jedoch vom Menschen aufgenommen, z.B. inhaliert, wirkt es stark radiotoxisch. Die chemischen Eigenschaften des Urans als Schwermetall wirken überdies auch chemotoxisch, v.a. auf die Nieren. Die Folgen einer Inkorporation von Uran-Dioxid-Staub sind neben Nierenschäden Leukämie und Lungenkrebs. Im Süd-Irak hatte der Einsatz der Uran-Geschosse eine großflächige Verseuchung zur Folge. Studien des US-Militärs (und die dürften kaum übertreiben) dokumentieren eine um 350% erhöhte Leukämierate im Süd-Irak. Mehr als 100.000 britische und US-Veteranen des Golfkriegs leiden unter der als "Golfkriegssyndrom" bezeichneten Strahlenkrankheit. Angesichts dessen, so Lauinger, "kann von sauberer Kriegsführung und chirurgischen Eingriffen" keine Rede sein, weder im Irak, noch im Kosovo, wo eine bisher unbekannte Zahl von Uran-Geschossen zum Einsatz kam. "Verteidigungs-" und Außenministerium, so Lauinger, spielten indes die Gefahr herunter: "Gefährdungen treten nicht auf", hieß es aus Regierungskreisen (LinX berichtete).

Siegfried Lauinger (Foto: jm)

Es steht zu hoffen, dass die Friedensbewegung sich solcher Themen annimmt und somit über gut gemeinte, aber ziemlich aussichtslose Appelle wie "Sorgen Sie in ihrer Partei dafür, dass sie wieder eine Friedenspartei wird" (an die Adresse der SPD-Mitglieder in der Friedensbewegung), hinaus wieder eine ernst zu nehmende Politikfähigkeit entwickelt. "Give Peace a Chance" reicht dafür nicht.

(jm)