Aus dem Kieler Rat

Rethages Strukturkonzept für die Kieler Bühnen:

Konzeptlose Deform

"Das Papier verdient nicht die Bezeichnung 'Konzept'!" Mit so deutlichen Worten verdammte Rainer Pasternak, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, das von Wirtschafts- und Kulturdezernent Heinz Rethage vorgelegte Strukturkonzept zur Neuordnung der Kieler Bühnen. Es sei "einfach unseriös", so Pasternak, "mit vielen Worten Einsparpotenziale aufzuzählen, ohne die Risiken und Kosten, die mit der Realisierung verbunden sind, zu benennen". Als Beispiel nennt Pasternak etwa die Umsatzsteuerpflicht, bezüglich der Rethage keine Probleme erwartet. Dies könne nur eine Erhöhung der Eintrittspreise um 16% bedeuten, befürchtet Pasternak. Weiterhin unklar sei auch, wie Rethage mit der Umwandlung der Bühnen in eine GmbH im Personalbereich sparen wolle. Als die Lübecker Bühnen in eine GmbH umgewandelt wurden, hatte der Personalrat bei den Überleitungsverträgen sein Zustimmungsrecht geltend gemacht. Dies werde in Kiel nicht anders sein. Überdies findet sich zur Umwandlung laufender Verträge nichts in Rethages "Konzept". Als weiteres Beispiel für die unsolide Kalkulation führt Pasternak an, dass die Kosten für das von Rethage geforderte erweiterte Marketing in seinem Entwurf vollständig fehlen. Zwar, so Pasternak abschließend, seien "Reformen überfällig", dafür sei Rethages Entwurf aber "ein schlechtes Stück Papier". Es fehle darin nur noch der Hinweis, "dass die komplette Schließung der Bühnen ein Einsparpotenzial von über 15 Mio. DM in sich trägt", so Pasternak mit galliger Ironie. Rethage operiert in seinem Entwurf mit Einsparpotenzialen zwischen 2,4 und 6 Mio. DM. Gerade letztere Zahl lässt erahnen, dass dabei von den Bühnen nicht viel übrig bleiben kann.

Das Sparen bis zum Exitus kalkuliert der "Kulturdezernent" offenbar bewusst ein. "Der erklärte Wille des OB und der Ratsversammlung, den Haushalt mittelfristig zu sanieren", so Rethage bei der Vorstellung seines Papiers, "stellt zwar den öffentlichen Kulturauftrag nicht dem Grunde nach, aber in seinem bisherigen Umfang in Frage". Und dass Rethage von künstlerischen Produktionsprozessen keine Ahnung hat, zeigen Äußerungen wie diese: "Die künstlerische Arbeit neigt dazu, sich aus sich selbst heraus zu bemessen und entzieht sich so eindeutig nachvollziehbaren Kalkulationsgrundsätzen." Die Zuschauerzuwächse der letzten Spielzeit seien überdies bei den "gängigeren" Stücken erzielt worden. Rainer Pasternak dazu: "Mehr 'gängigere' Stücke - hoffentlich laufen uns die Intendanten und der GMD nicht weg."

En Detail hat Rethage folgende Strukturreformen im Blick. Umwandlung in eine GmbH, wobei Orchester und Ballett als eigenständige Tochterunternehmen agieren sollen, die ihre Dienstleistungen "zu Markt üblichen Preisen" anbieten. Ein Theatergeschäftsführer "mit betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten" soll nur noch einem Intendanten als künstlerischem Leiter vorstehen. Von einer Kooperation mit dem Lübecker Theater, bis hin zur vollständigen Fusion, erwartet Rethage Einsparungen von 1 bis 5 Mio. DM. "Verkaufsförderndes Marketing" in Verbindung mit "kostenorientierter Preisgestaltung" soll ein Einnahmeplus von 500.000 DM erbringen.

Rethage selbst sieht diese Vorschläge lediglich als Grundlage für eine nun zu führende längerfristige Diskussion. Die Ratsversammlung müsse jetzt Vorgaben formulieren. Für die SPD-Fraktion stellen Rethages Vorschläge bereits in dieser Form "eine gute Perspektive für die Zukunft des Kieler Theaters" dar. "Die entscheidende Frage", sagte der Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske, "ist die Sicherung der künstlerischen Substanz mit einem anspruchsvollen Programm in einer zeitgemäßen Betriebsform, die die Wirtschaftlichkeit der Bühnen steigert". Jedoch müssten die Bühnen auch in einer neuen Organisationsform "weiter in der Bundesliga mitspielen". "Der kulturpolitische Auftrag, auch abseits von Publikumsrennern experimentelle Stücke aufzuführen", müsse gewährleistet werden. Darüber hinaus sei die Besitzstandswahrung der Beschäftigten der Bühnen für die SPD-Fraktion ein weiterer Eckwert für die endgültige Entscheidung. Bis auf diese Einschränkungen stimmt Fenske aber mit Rethages Vorschlägen überein. "Die Vorlage des Kulturdezernenten greift Impulse der SPD-Fraktion wie die Umwandlung der Bühnen in eine GmbH auf." Bei der möglichen Fusion mit dem Theater Lübeck will Fenske gleich konkret werden. "Da es offensichtlich dazu in Lübeck eine Bereitschaft gibt, sollten wir dieses Fenster auf halten und in konkrete Verhandlungen eintreten." Zur Leitungsstruktur sagte Fenske, das Beispiel SHMF zeige, dass die Aufteilung in eine künstlerische und kaufmännische Leitung erfolgreich sei.

Wie's scheint, unterstützt also die SPD Rethages Deform-Vorschlag in wesentlichen Punkten und programmiert nach der Kaputtverlegung des Kulturviertels den nächsten Kultur-GAU in Kiel. An den Bühnen wird man sich warm anziehen müssen - oder Widerstand organisieren.

(jm)