Diskussion

Antwort auf den Leserbrief von Hans-Georg Pott in der LinX 1/99

Lieber Hans-Georg, besten Dank für die Reaktion auf meinen Artikel. Auf einige Aspekte Deiner Kritik möchte ich im folgenden kurz eingehen.

1. O.K. - ich habe mich verrechnet, tatsächlich ergibt 20 mal 1 DM 20 DM!

2. Die Aussage, daß 50% der KundInnen die Hempels nicht lesen, ist natürlich nicht empirisch gesichert und tatsächlich eine Behauptung, mit der meine Einschätzung, daß es einigen KundInnen nicht um den Inhalt der Hempels, sondern um die Wahrung des Prinzips "Leistung (2 DM) gegen Gegenleistung (Straßenmagazin)" geht, unterstrichen werden sollte. An dieser Stelle deiner Kritik muß ich einräumen, daß die Mischung aus Polemik und sachlicher (größtenteils auch solidarischer) Kritik nicht gerade die Krönung meines publizistischen Schaffens darstellt.

3. An der - zugegeben etwas vollmundig klingenden - These der Einübung kapitalistischer Arbeitsethik halte ich nachwievor fest. Anlaß des Artikels war allerdings nicht, den HempelsveräuferInnen und MacherInnen in bester paternalistischer Manier schlaubergerisch mal richtig zu erklären, was sie da eigentlich treiben - das wissen sie selber am besten -, sondern der Beschluß der Kieler PDS, den Aktionstag der Hempels im Dezember zu unterstützen. Zu einer Diskussion darüber, was für Linke an eurem Projekt unterstützenswürdig ist (und was eventuell nicht), kam es zu meinem Bedauern nicht. Vielleicht ist ja unser Disput ein Anfang ...

4. Ich habe mehrmals den meiner Meinung nach fortschrittlichen Aspekt der Hempels betont, ein Projekt "von unten" zu sein, mit "Betroffenen" als MacherInnen. Trotzdem oder besser gerade deswegen erlaube ich mir, in einigen Fragen eine andere Auffassung zu haben. Sicherlich haben die HempelsmacherInnen ihre Gründe für eine "Vision von der Verständigung zwischen arm und reich". Ich glaube auch gern, daß durch den "Runden Tisch" von Berbern, Polizisten, Geschäftsleuten und Hempelsaktivisten, daß "Straßenleben" auf dem Asmus und in der Holstenstraße erträglicher geworden ist. Nur ist es eine Tatsache, daß ungeachtet solcherart Verständigung das 3-S-Konzept der Deutschen Bahn AG für den Kieler Hauptbahnhof beschlossen wurde, das mit seinen Zielen "Sicherheit, Sauberkeit, Service" nichts Gutes für Berber, Junkies oder Punks vermuten läßt. Und der Umstand, daß Geschäftsleute mal eben eine bei Punks beliebte Fußgängerbrücke kaufen können, um sie dann abzureißen, zeigt doch eher die Notwendigkeit der Abschaffung der Gegensätze arm und reich.

5. Mit Deinem Einwand zum "sicheren Einkommen" hast du Recht. Nur ist es ja meines Wissens auch das Ziel von Hempels, möglichst viele "prekäre" Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Jobs mit Tariflohn umzuwandeln.

6. Die Auseinandersetzung mit einer Band wie den "Böhsen Onkelz" mittels Interview derselben halte ich für falsch. Statt dieser zumindest umstrittenen Band die Möglichkeit zur Imagepflege zugeben, wäre eine nüchterne Analyse der Bilder, Bedürfnisse und Haltungen der Fans, die die "Böhsen Onkelz" bedienen, meiner Ansicht nach angebrachter.

Mit freundlichem Gruß: C.S.