Betrieb & Gewerkschaft

Seeleute:

Tarifverträge durchgesetzt

Ende September führte die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) eine europaweite Aktionswoche gegen Billigflaggen-Schiffe durch. Bei der Hamburger ÖTV, die die ITF in Deutschland vertritt, war man mit dem Ergebnis der Aktionen zufrieden. Zahlreiche Reeder lenkten ein, wenn die Schauerleute in den Häfen ihre Schiffe boykottierten. Oftmals reichte schon die Androhungen von Aktionen, damit die Eigner den international einheitlichen Tarifvertrag der ITF akzeptierten.

In Kroatien, Großbritannien, Schweden, Italien, Russland, Spanien, Portugal, den Niederlanden, Polen und Deutschland wurden Schiffe zeitweilig von Gewerkschaftern festgehalten. Ausstehende Heuern von über einer Million US$ konnten eingetrieben werden. In deutschen Häfen waren acht Aktionstrupps unterwegs, die 65 Billigflaggen-Schiffe kontrollierten, darunter auch einige aus dem deutschen Zweitregister, das bei hiesigen Reedern beliebt ist, um deutsches Arbeitsrecht zu umgehen.

Auch in anderen europäischen Häfen wurden deutsche Schiffe festgehalten, da sie nicht einmal die Tariflöhne der ITF-Verträge bezahlten, nach denen Matrosen 1.200 US$ pro Monat bekommen. In Lissabon wurden zwei Schiffe deutscher Eigner boykottiert, die "Nemrum" und die "Münster". Nach dreitägigem Nervenkrieg erklärte sich der Besitzer der "Münster" bereit, für einen Teil seiner Schiffe einen Flottentarifvertrag abzuschließen. Ebenfalls festgehalten wurde in Stockholm die russische Fähre "Russ". Deren Eigner schuldet der Besatzung rund 260.000 US$.

Die ITF versucht, mit ihren weltweit einheitlichen Tarifverträgen den Versuchen der Reeder entgegenzuwirken, die großen sozialen Unterschiede auszunutzen. Während ein Matrose laut ITF auf den Billigflaggen Dampfern in der Regel nur 300 bis 500 US$ im Monat verdient, stehen ihm nach ITF-Vertrag 1.200 US$ zu. Auch darf er nicht für Löscharbeiten in den Häfen herangezogen werden. Für etwa 25% der Billig-Flotte konnten bisher dank weltweiter Unterstützung der Hafenarbeiter Tarifverträge durchgesetzt werden.

Weltweit fahren rund 20.000 Schiffe unter Billigflaggen, zu denen man bei der ÖTV auch das deutsche Zweitregister zählt, das in den 80er Jahren eingeführt wurde. Auf Schiffen, die dort eingetragen sind, gilt nicht das deutsche Arbeits- und Sozialrecht, obwohl sie unter deutscher Flagge fahren. Die Reeder wählen das Zweitregister oder die billige Fremd-Flagge, um Steuern zu sparen und niedrigere Heuern zahlen zu können. Auch an den Umwelt- und Sicherheitsstandards wird gerne gespart. Die Europäische Kommission stellte unlängst in einem Bericht fest, "dass das Fahren eines großen Teils der Weltflotte unter Billigflagge dazu geführt hat, dass Schiffe auftauchen, die einerseits ein Sicherheitsrisiko darstellen und andererseits eine Gefahr für die Umwelt bedeuten und auf denen im übrigen soziale Bedingungen herrschen, die nach dem in der Gemeinschaft geltenden Arbeitsrecht unannehmbar sind". Der Anteil an der Weltflotte beträgt 21,5%. Die größten Billigflaggen sind Liberia, Panama und die Bahamas. Rund 60% der 1998 in den Häfen rund um die Welt mit Strafen wegen Sicherheitsmängeln belegten Schiffe fuhren unter Billigflagge.

Die Reeder versuchen nicht nur, an der Heuer zu sparen, manchmal zahlen sie auch gar nicht oder müssen erst durch Aktionen der ITF dazu gezwungen werden. Im Schnitt fünf Besatzungen pro Monat werden von den Eignern rund um den Globus auf Schiffen zurückgelassen, berichten die Gewerkschafter. In Deutschland machte letzten Monat der Fall der "Verona" Schlagzeilen, deren Besatzung in Hamburg festsitzt. Seit nunmehr rund zehn Wochen wartet die Crew auf ihre Heuer. Wie berichtet, weigern sich die schwedischen Eigner, ausstehende Entlohnung in Höhe von ca. 70.000 US$ zu zahlen. Die Behörden hatten das Schiff wegen schwerer Sicherheitsmängel festgehalten.

Im Falle anderer Schiffe war die Aktionswoche bisher sehr erfolgreich. In Rotterdam konnten 180.000 US$ Heuernachzahlungen für die russische Besatzung der "Krhustnyy Bereg" erzwungen werden. In Pula (Kroatien) wurde nach Angaben der ITF die "Princess" festgehalten und für die ukrainische Crew eine Nachzahlung von 200.000 US$ durchgesetzt. Die Seeleute hatten seit Februar kein Geld mehr gesehen. Ein Schiff der gleichen Reederei wurde auch in Savana (Italien) gestoppt, bis die Forderungen der Mannschaft in Höhe von 800.000 US$ erfüllt waren.

(wop)