Internationales

Abgereichertes Uran:

NATO verhindert Schutz der Bevölkerung

Die NATO hat offensichtlich die während des Krieges entstandene radioaktive Verseuchung im Kosovo zur Verschlusssache gemacht. Wie der Korrespondent der Londoner Zeitung "Independent" berichtet, weigert man sich in Brüssel, mit einem UN-Team zusammenzuarbeiten, das die während des Krieges gegen Jugoslawien entstandenen Umweltschäden untersucht. Die Mitarbeiter des UN-Umweltprogramms UNEP interessierten sich im Kosovo besonders für die Folgen des Einsatzes uranhaltiger Munition. Das westliche Verteidigungsbündnis hatte bereits während des Krieges eingestanden, dass es auch Geschosse mit Ummantelung aus abgereichertem Uran verwende. Diese werden eingesetzt, weil sie besser als herkömmliche Munition Panzerungen durchschlagen können. Beim Aufprall auf ein Hindernis verwandelt sich das radioaktive Metall in feinen Staub und kann relativ weit vom Wind verteilt werden. Uranhaltige Munition war bereits im zweiten Golfkrieg in größerem Maßstab eingesetzt worden und hat im Süd-Irak nachweislich zu einem Anstieg der Krebsrate geführt. Obwohl vergleichsweise schwach radioaktiv, entfaltet abgereichertes Uran seine schädliche Wirkung v.a. durch Zerstäuben, das dazu führt, dass es eingeatmet werden kann und dann lange Zeit im Körper aktiv ist.

Nach Angaben des Independent-Mitarbeiters Robert Fisk, der bereits während des Krieges in Großbritannien wegen seiner unabhängigen Berichterstattung angefeindet worden war, habe sich die NATO geweigert, Informationen über den Einsatzort von Uranmunition an die UNEP weiterzugeben. Ein Sprecher des Bündnisses habe behauptet, es sei erwiesen, dass von der Munition keine schädliche Wirkung für Menschen ausgehe. Nach Fisks Angaben sollen NATO-Mitarbeiter im Kosovo allerdings Hilfsorganisationen privat davor gewarnt haben, Gebiete zu betreten, in denen Uran-Munition eingesetzt wurde. Während gegenüber der UNEP die Orte "aus Sicherheitsgründen" nicht angegeben wurden, habe die NATO selbst genaue Informationen darüber, welche Gegenden betroffen sind. Die britische Zeitung benennt sie mit Distrikten in der Nähe der Städte Djakovica, Mitrovica, Pristina und Urahovac. Auch in Serbien seien Ziele mit der radioaktiven Munition angegriffen worden.

Die UNEP-Arbeitsgruppe, die ihren Bericht über die Umweltfolgen des NATO-Krieges vor kurzem vorstellte, hat sich in Bezug auf die Uranmunition wegen der ablehnenden Haltung der NATO darauf beschränken müssen, von Genf aus eine Ferndiagnose anzustellen. Nachdem man u.a. Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO zu Rate gezogen hat, geht der Bericht davon aus, dass "während und kurz nach Angriffen mit Uran-Munition einige Personen in der unmittelbaren Umgebung dem abgereicherten Uran durch Inhalieren schwerwiegend ausgesetzt gewesen sein könnten". Der Bericht empfiehlt, dass betroffene Gebiete für den Zugang gesperrt und Bevölkerung wie lokale Behörden über die möglichen Risiken und notwendige Vorsichtsmaßnahmen informiert werden. Auch sollte unter Schirmherrschaft der WHO eine sorgfältige Untersuchung der mittel- und langfristigen Gesundheitsfolgen des Uraneinsatzes angestellt werden, heißt es in einer UNEP-Presseerklärung. Aber dafür müsste die NATO erst einmal mit ihren Informationen herausrücken.

Die Untersuchungskommission war vom ehemaligen deutschen Umweltminister und jetzigen UNEP-Chef Klaus Töpfer eingesetzt und von seinem einstigen finnischen Amtskollegen Pekka Haavisto geleitet worden. Anders als in Sachen Uranmunition konnten andere Umweltprobleme auch vorort recherchiert werden. Zwischen Juli und September wurden an verschiedenen Orten in Jugoslawien Proben genommen und Treffen mit Experten und Umweltgruppen abgehalten. Haavistos Bericht kommt zu dem Schluss, dass eine den ganzen Balkan betreffende Umweltkatastrophe ausgeblieben sei. Manche der festgestellten Verseuchungen stammen aus der Zeit vor dem Krieg und lassen auf unzureichenden Umgang mit giftigen Abfällen und Emissionen schließen. Als Teil der humanitären Unterstützung müsse Jugoslawien bei seinen Umweltproblemen geholfen werden. Allerdings macht der Bericht auch vier "Brennpunkte" aus, an denen die kriegsbedingte Umweltverschmutzung in "ernstem Maße" gesundheitsgefährdend ist. Nach Angaben der UNEP sind dies Pancevo, Kragujevac, Novi Sad und Bor. Verseuchungen mit Quecksilber, Dioxinen und PCB wurden festgestellt.

(wop)