Aus dem Kieler Rat

Wettbewerbsfähig - um jeden Preis?

Auf dem Energiemarkt "tobt der Krieg" - der Kieler Rat will mitkämpfen

"Wettbewerb und Marktwirtschaft - das kann auch in diesem Bereich nur richtig sein." Mit diesen Worten eröffnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske in der Ratsversammlung am 18.2. die Debatte über ein neues Unternehmenskonzept für die VVK (städtische Gesellschaft Versorgung und Verkehr Kiel). Hintergrund ist die Liberalisierung auf dem Energiemarkt (ähnlich der auf dem Telekommunikationsmarkt), vor der insbesondere die kommunalen Monopolunternehmen zittern und für die sie nun per neoliberaler Deregulierung "fit" gemacht werden sollen (LinX berichtete in der letzten Ausgabe). Bereits gegründet ist eine Arbeitsgruppe aus dem Vorstand der VVK und OB Norbert Gansel. Fenske forderte für seine Fraktion weiterhin eine Hinzuziehung externer Wirtschaftsexperten.

Bald privatisiert? - Stadtwerke Kiel (Foto: jm)

Vorangegangen war dem Vorpreschen der SPD ein Antrag der Grünen. Der hatte allerdings eine etwas andere Zielsetzung. Die Grünen wollen die Unternehmensumstrukturierung nutzen, um aus der VVK einen Vorreiter für ökologisch-nachhaltige Energieproduktion und Maßnahmen zur Energieeinsparung zu machen. Ratsherr Hartmuth Kluth sieht für dieses "Hand in Hand Gehen von Ökonomie und Ökologie" gerade bei kommunalen Energieanbietern "Standortvorteile". Denn diese können durch Kraftwärmekopplung sowohl Wärme als auch Strom günstig anbieten, da auf dem Wärmemarkt aus technischen Gründen (Wärme läßt sich i.G. zu Strom nicht über weite Strecken transportieren) überregionale Energieunternehmen nicht mithalten können. Trotz der unterschiedlichen Zielsetzungen - die SPD träumt davon, daß die Stadtwerke auch Strom überregional vertreiben sollen - einigten sich SPD und Grüne auf einen gemeinsamen Antrag.

Hatten in einer diesbezüglichen Pressemitteilung der SPD-Fraktion noch arbeitsmarktpolitische Aspekte, wenn auch ganz unten, auf der Wunschliste gestanden, fehlten diese im vorgelegten Antrag. Insbesondere darüber freute sich Jens Moriz (CDU): "Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund, da müssen auch Beschäftigungspolitik und Ökologie zurückstehen." Bei dem zu erstellenden neuen Unternehmenskonzept müsse auch ein Verkauf der Stadtwerke oder von Teilen der städtischen Anteile (derzeit noch 100%) diskutiert werden. "Keine Tabus" forderte auch SPD-Ratsherr und VVK-Aufsichtsratvorsitzender Hans-Werner Tovar. Er begrüße die breite Mehrheit im Rat zum Antrag von SPD und Grünen, bedaure aber den Ausstieg von Arne Wulff aus dem Aufsichtsrat. Der CDU-Fraktionsvorsitzende hatte einige Tage vorher das Handtuch geworfen, aus Protest gegen die Wiederbeschäftigung des Stadtwerkedirektors Bernd Kregel-Olff, der wegen einer nicht ganz geklärten Verquickung eines privaten Schadensfalls mit dem Unternehmen zuerst in Verruf geraten, dann aber von der SPD wieder ins Amt gehievt worden war. Dennoch begrüßte auch Wulff die Erstellung des neuen Unternehmenskonzepts: "So wie die VVK jetzt ist, können wir im Wettbewerb nicht mithalten." Dabei will Wulff "keinen Ausverkauf der Arbeitsplätze", aber, so meinte er mit einem Seitenblick auf den vom Fraktionskollegen Moriz geforderten möglichen Verkauf: "Wir werden von Minute zu Minute billiger." Und wurde noch deutlicher: "Wer glaubt, daß wir in 10 Jahren noch die KVAG aus den Gewinnen der Stadtwerke subventionieren können, der irrt." Auch OB Norbert Gansel drohte mit Arbeitsplatzabbau: "Ich bin für möglichst weitgehende Erhaltung der Arbeitsplätze, aber für die Wettbewerbsfähigkeit werden Arbeitsplätze reduziert werden müssen. Es geht hier nicht nur um 2.000 Arbeitsplätze, sondern auch um den Haushalt."

Der Teufel, den mehrere Redner an die Wand malten, ist der, daß die Stadtwerke, die einzige Gewinn abwerfende Tochtergesellschaft der VVK, aufgrund der Konkurrenz bald Gewinneinbrüche zu verzeichnen hätten. Zwar zeigt sich - selbst am Horizont - noch kein Energiekonkurrent, aber dennoch glauben alle, wie das Kaninchen auf die Schlange Telekommunikationsmarkt starrend, man habe den Anschluß schon verpaßt und müsse jetzt "sehr schnell" handeln. Über die Notwendigkeit übereilter Entscheidungen waren sich alle einig, und so wurde der Antrag von SPD und Grünen einstimmig beschlossen.

(jm)