Antifaschismus

Offener Brief der DKP an Dr. Ekkehard Wienholtz (SPD)

Ist nazistische Volksverhetzung Rechtstreue, Herr Innenminister?

Der provokatorische Aufmarsch hunderter NPD-Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet gegen die Wehrmachtsausstellung im Kieler Landeshaus und der Schutz der Neofaschisten durch die Polizei und Justiz am 30. Januar veranlassen uns zu der Frage: Wie halten Sie es mit der Demokratie, Herr Innenminister? Was bedeutet Ihnen das in die Verfassung ausdrücklich aufgenommene Verbot, Nazitendenzen Vorschub zu leisten und Vereinigungen zu verbieten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten? Sie haben in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" am 20.2.99 in Auswertung der skandalösen Vorfälle vom 30. Januar dem NPD-Spektrum bescheinigt, sich trotz martialischer Aufmachung hochgradig rechtstreu zu verhalten. Daher habe die Polizei deren angemeldete Aufmärsche mit Rücksicht auf die gesetzlich verbriefte Demonstrationsfreiheit zu schützen. Das Vorgehen der Polizei richtet sich damit auch ausschließlich gegen die antifaschistischen Gegenaktionen, wie allein schon aus der Tatsache hervorgeht, daß 52 Gegendemonstranten, aber nur ein NPD-Sympathisant festgenommen wurden.

Ist Ihnen nicht bekannt, Herr Innenminister, daß die Hitlerfaschisten einst damit begonnen haben, die Straße zu erobern? Halten Sie es für einen Zufall, daß sich die Nazis ausgerechnet den 30. Januar, den Tag der Machtübernahme Hitlers aussuchten, um gegen die Wehrmachtsausstellung mobil zu machen, die in Dokumenten und Bildern die Verbrechen der deutschen Wehrmacht v.a. auf dem Balkan und in der ehemaligen Sowjetunion enthüllt. Das alles nennen Sie hochgradig rechtstreu?

Wir können uns nur beim Landtagspräsidenten Heinz Werner Ahrens dafür bedanken, daß er die Wehrmachtsausstellung ins Landeshaus geholt hat. Wäre sie außerhalb dieses Hauses gezeigt worden, hätte ihr dasselbe passieren können wie in Saarbrücken, wo ein Sprengstoffanschlag auf die Ausstellung verübt worden ist. Im Vorfeld des Aufmarsches haben Neonazis eine unbeschreibliche Hetzkampagne gegen die Verantwortlichen der Ausstellung, u.a. Jan Philipp Reemtsma und Hannes Heer, betrieben, besonders schlimm in Henstedt-Ulzburg, wo sich Nazis und CDU in einer Front trafen.

Es erhebt sich die Frage, was der Innenminister aus der Geschichte gelernt hat, wenn er in seinem Interview den Einsatz sog. Greiftrupps und Festnahmezüge der Polizei fordert, gemeinsam von den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Sie sollen sich, da ja die Nazis hochgradig rechtstreu operieren, offensichtlich gegen das antifaschistische Spektrum richten, wie am 30. Januar in Kiel bereits praktiziert.

Wenn Sprengstoffanschläge gegen die Wehrmachtsausstellung verübt werden, Brandanschläge auf Unterkünfte von AsylbewerberInnen, Überfälle und regelrechte Treibjagden auf Ausländer und Menschen anderer Hautfarbe, so hat dazu die neonazistische Volksverhetzung wesentlich beigetragen. Das NPD-Spektrum gehört zu den Vorreitern. Funktionäre dieser Partei wie der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD, Günter Deckert, und der stellvertretende Landesvorsitzende dieser Partei in Schleswig-Holstein, Heinrich Förster, wurden wegen Volksverhetzung verurteilt. Sie sind nur zwei Beispiele, die für viele stehen, die nicht verurteilt oder gar nicht erst angeklagt wurden, weil sie sich bei Aufmärschen hochgradig rechtstreu verhielten.

Die Deutsche Kommunistische Partei, die in ihren Reihen immer noch Mitglieder hat, die viele Jahre in der Hölle der NS-Konzentrationslager am eigenen Leibe erfahren mußten, was Faschismus bedeutet, fordert Sie, Herr Innenminister, auf, endlich dem Auftrag der Geschichte (und des Grundgesetzes) zu folgen, der lautet: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Für den Bezirksvorstand der DKP, gez. Bettina Jürgensen (Bezirksvorsitzende)