Herr, send' Hirn!
"Manches soll nie wiederkommen" heißt es auf einem Plakat der Supermarktkette "Kaiser's". Unter dem Schriftzug sieht man die graffitibesprühte Mauer, im Hintergrund einen Wachturm. Darunter wiederum steht: "... Pfandflaschen schon!" Abgesehen davon, daß man vor diesem Vergleich lange stehen muß, um ihn bis zur Neige seiner ganzen Tiefe zu kapieren und dann festzustellen, daß er recht weit hergeholt ist, ist den Judaspfandflaschen in der Werbeagentur von Kaiser's Gnaden offensichtlich entgangen, daß hinter jener Mauer, als sie noch stand, das in Europa wohl bestentwickelte Recyclingsystem herrschte. Aus chronischem Rohstoffmangel freilich, aber abgeschafft wurde die Sammelleidenschaft der DDR-BürgerInnen erst nach deren Revolte, und zwar gründlich. Seither sind die Brüder und Schwestern hinter der ehemaligen Mauer die fleißigsten Dosenbiertrinker der ganzen Republik. Doch wie sangen schon "Illegal 2001": "Dosenbier macht schlau."
Mit der Phantasie des Kleinbürgers, irgendwann doch mal das ganz große Los zu ziehen und Mitglied der ausbeutenden Klasse zu werden, spielt noch ein anderes Plakat. McDonald's, ständig bemüht um neue Mc's, mit denen deklassierte MigrantInnen hinter seinen Theken die hungrigen Mäuler vor den Theken zu stopfen haben, hat jetzt den "McFarmer" erfunden. Nicht nur ein Vollkorn(imitat)brötchen statt der üblichen weichmachergesättigten Burgerhülle soll diesen Fleischklops attraktiv machen, sondern auch der Spruch "Für Großmundbesitzer". Was haben wir gelacht über dieses Wortspiel und uns gleichwohl mit dem Sud aus diesem in der Tat von Leuten, die den Mund nicht so voll nehmen, nicht essbaren Großburger bekleckert. Daß der stets frischfleischhungrige McDoof zur Freude der Großgrundbesitzer im Regenwald nachwievor Ackerland in Ochsenhand bringt und so das dortige Ökosystem vollmundig ruiniert, ist bekannt und sei daher nur am Rande erwähnt.
Um die Zumutungen des (Betriebs-) Systems geht es in dieser Rubrik, da darf MS BigBill 99 natürlich nicht fehlen. Bill Gates' Imperium Microsoft nämlich rüstet inzwischen immer mehr PCs ab Werk mit seinem zu sich selbst inkompatiblen Betriebssystem Windows aus, von dem im Internet folgende nette (obzwar in der Diktion vom anti-rassistischen Standpunkt her nicht ganz p.c.'e) Glosse kursiert: Ein Indianer fragt, was eigentlich "Windows" heiße. Ein Stammesbruder gibt die treffliche Erklärung: "Weißer Mann sitzen vor Glasscheibe, schauen auf Sanduhr." In den USA protestieren inzwischen einige Käufer gegen die unverlangte Zugabe und fordern von Microsoft Geld zurück. Doch der Saftwarenriese gibt sich stoisch. Niemand sei gezwungen, einen PC mit Windows zu kaufen, es seien auch Rechner ohne vorinstalliertes Betriebssystem zu haben. Bloß wo? In Anlehnung an die letzte Hirn-Kolumne empfehlen wir hier: Nicht ohne meine Uzi zu Vobis!
Oder doch gleich zum Mac(intosh)händler. Das hätte der Schreiber dieser Zeilen und Layouter derselben (selbstverständlich nur auf seinem Mac) bislang jeder Computerkäuferin, die ihn um Rat fragt, empfohlen. Doch nicht allein wegen des schönen Rekurses auf den MacDoof weiter oben ist er sich da nicht mehr so sicher, seit Apple den iMac auf den Markt geworfen hat. Nicht nur, daß das Teil in affigem 50er-Revival-Design daherkommt, es hat auch kein Diskettenlaufwerk mehr. Sparwahn bei Apple? Nein, "i" steht für interaktiv und Internet, und gefälligst soll man sich Dateien nur noch aus selbigem "saugen", wie es in der iNfantilen Sprache der die orale Phase einfach nicht überwunden habenden iDioten heißt. Letzte Empfehlung für die geneigte Leserin an dieser Stelle also: Hände weg vom iMac! Denn, wie es jüngst ein Kollege im Netz prophezeihte: Die nächste Generation wird voraussichtlich nicht mal mehr eine Tastatur haben.
(jm)