Aus dem Kieler Rat

König von Kiel?

OB Gansel will die Ratsversammlung entmachten

Die Auseinandersetzung zwischen OB Norbert Gansel und der Ratsversammlung um die Besetzung der Aufsichtsräte von städtischen Gesellschaften spitzt sich zu. Schon in der Februar-Ratsversammlung hatte Gansel deutlich gemacht, daß er die Kontrolle der Stadtwerke Kiel AG durch die Ratsversammlung zugunsten der Verwaltung und "externem wirtschaftlichen Sachverstand" zurückdrängen will (LinX berichtete). In einem Vortrag vor dem Wirtschaftsrat der CDU legte Gansel nach.

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Er "beharre darauf, die Stadt zu führen", sagte Gansel und berief sich zur Legitimation auf die neue Gemeindeordnung sowie das "Votum der Kieler Bevölkerung", die ihn 1997 mit über 60% direkt gewählt hatte. Zu "Wünschen von Ratsmitgliedern nach langen Erörterungen" meinte Gansel, er sei nicht der "Psychiater der Ratsversammlung". Solche Einmischungen der Ratsversammlung in Entscheidungen der Verwaltung seien der Versuch, "scheibchenweise die neue Kommunalverfassung zurückzudrängen", was er "nicht hinnehmen werde". Gansel bezog sich dabei u.a. auf den Entschluß der SPD-Ratsfraktion, die Ratsfrau Inge Lindner (SPD) statt des neuen Wirtschaftsdezernenten Heinz Rethage in den Aufsichtsratsvorstand der Stadtwerke zu entsenden. Gansel hatte Rethage wegen seines wirtschaftlichen Sachverstandes präferiert und ergänzte, man könne nicht "jede unternehmerische Entscheidung in Fraktionsgremien, den Ausschüssen und der Öffentlichkeit diskutieren". Die Zeiten seien vorbei, in denen "die städtischen Gesellschaften mehr oder weniger verdienten Kommunalpolitikern Pfründe und Honorierung sicherten".

Die Grünen reagierten auf Gansels "Putschversuch" mit den Worten, Gansel sei zum Oberbürgermeister gewählt worden, "aber nicht zum König von Kiel". Die Fraktionsvorsitzende Edina Dickhoff insistierte, die Ratsversammlung sei "ebenso wie der OB von den Kieler BürgerInnen gewählt worden". "Außerdem", so Dickhoff weiter, "war es ausdrückliches Ziel der neuen Kommunalverfassung, das Ehrenamt (der Ratsherren und -frauen - d. Red.) zu stärken, anstatt es zur Legitimationsmaschine zu degradieren". Lutz Oschmann stimmte in die Kritik ein: "Auch wenn Herr Gansel sich als ideeller Gesamtkieler sieht, muß er die unterschiedlichen Politikansätze, die im Kieler Rat zur Geltung kommen, doch zur Kenntnis nehmen." Der "Medienprofi Gansel" suche bewußt die Konfrontation mit der Ratsversammlung und verdrehe die Fakten, "wenn er denen Kungelei vorwirft, die seinen Machtanspruch auf einsame Personalentscheidungen nicht demütigst akzeptieren". Edina Dickhoff schloß entnervt mit den Worten: "Wir werden nicht akzeptieren, daß es das einzige Recht der Ratsversammlung bleibt, dem OB zu applaudieren!" Auch CDU und SUK reagierten äußerst gereizt auf Gansels Ausfälle gegen die Ratsversammlung. Gansels Äußerungen seien "völlig daneben", sagte Ratsherr Gerd Rogacki (CDU). SUK-Chef Kottek konterte Gansel mit den Worten, "die berechtigten Interessen der letztendlich entscheidenden Ratsversammlung sträflich zu mißachten", werde seine Fraktion nicht hinnehmen.

Die Leitung der SPD-Fraktion stellte sich dagegen ingestalt ihres Vorsitzenden Jürgen Fenske kadavergehorsam hinter ihren OB. Ein "Aushöhlen der neuen Gemeindeordnung" werde es mit ihm nicht geben. Bei der Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes der Stadtwerke gehe es um die Frage wirtschaftlicher Kompetenz und nicht um "den Machtverlust der Selbstverwaltung". Zwar solle die Ratsversammlung nicht nur Ja oder Nein zu den Vorschlägen der Verwaltung sagen dürfen, aber "die starke Stellung des OB tut der Stadt gut". Um diese Meinung in der Fraktion durchzusetzen, mußte Fenske allerdings mit eisernem Besen kehren lassen. Der Kreisvorsitzende Rolf Fischer kam ihm und Gansel mit den Worten zu Hilfe, "eine mutwillige politische Beschädigung" von Gansel und Fenske werde er nicht hinnehmen. Als "Spalter" gelten bei Fischer, Fenske und Gansel Ratsmitglieder um Hans-Werner Tovar. Der hatte schon in der Februar-Ratsversammlung gegen Gansels "L'Etat c'est moi"-Anwandlungen opponiert. Am vergangenen Montag (nach Redaktionsschluß) tagten Fraktion und Kreisvorstand, um Tovar und Co. zur Ordnung zu rufen. Fischer im unverhohlen stalinistischen Jargon: "Wir fordern, daß sich jedes Fraktionsmitglied seiner politischen Verantwortung gegenüber Stadt und Partei bewußt ist und jeden Ansatz zur Spaltung aktiv unterbindet."

(jm)